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Mittwoch, 24. Februar 2021

Ein Buch zur Realität

Letztens hörte ich auf der Arbeit einen lautstarken Streit zum Thema Cancel Culture, Ken Jebsen und andere Unerfreulichkeiten. Heftige Vorwürfe gegen die Verschwörungstheoretiker kamen von meinem weißen männlichen Kollegen mit Uni-Abschluss jenseits der 40, die Verteidigung der Internetspinner kam von der jungen moslemischen Frau. Und ich dachte mal wieder, das ist alles komplizierter als die Menschen im Internet einem immer glauben machen wollen. Was an sich gut ist. Die Welt wäre furchtbar wenn sie so banal wäre wie Internetdiskussionen. Aber es wirft die Frage auf, wieweit dürfen sich Diskussion und Realität voneinander entfernen. Darüber schreibt Neal Stephenson und ich bloggte darüber neben an auf Fahrrad-Datenautobahn: Fall; or, Dodge in Hell und die Realität.

 

Ein Bild des Cloud-Spezialisten: J.M.W. Turner: Flint Castle.

 

Sonntag, 14. Februar 2021

Gedanken zu "If you tolerate this" (Manic Street Preachers)

Letztens grillte ich ein Käsetoast, um darüber zu bloggen

Dabei bekam ich Musik in die Ohren. Die "Manic Street Preachers" und ihr 1998 veröffentlicher Song "If you tolerate this your children will be next." In ätherischen Stadionrock schildern sie die Geschichte der internationalen Brigaden im spanischen Bürgerkrieg. Freiwillige aus allen Teilen Europas, die die Waffen ergreifen, um Faschismus und Nationalsozialismus aufzuhalten. 

Das Käsetoast (genannt "Welsh rabbit")

 

Das Käsetoast fast vergessend, folgte ich der Spur meiner Gedanken und den Pfaden des Internets, auf englisch, "I jumped into a rabbit hole." Ein passender Ausdruck, da mich meine Gedanken schon vom Käsetoast auf Kaninchen in Wales gebracht hatten, und die Manics wiederum in ihrem Song die Textzeile haben "Wenn ich auf Kaninchen schießen, kann ich auch auf Faschisten schießen."

Zwei Gedanken führten mich weiter: 1 - Gibt es jemanden auf der Welt, der so singen kann wie der Manic-Street-Preachers-Sänger James Dean Bradfield? 2 - Ist das Schießen auf Faschisten okay? Also im Kontext eines Bürgerkriegs oder schon davor? 

Zum Schießen: Gewalt in der politischen Auseinandersetzung ist im Deutschland des Jahres 2021 zu recht verpönt. Allerdings würden die meisten Menschen auch zustimmen, dass Gewalt, Krieg gar, gegen Nazideutschland gerechtfertigt war. Wo liegt der Kipppunkt zwischen der Maxime der Gewaltlosigkeit und der Maxime Nazis nicht an die Macht zu lassen. Was ist mit Leuten wie Trump, die zwar keine Nazis sind. Aber der gelernte Politologe in mir hakte jetzt vier Jahre lang innerlich Wesensmerkmale des Faschismus ab bei allen Trump-Aktionen. Auf jeden Fall ist die Überlegung ein Zeichen dafür, dass es zu spät ist. Krieg können Faschisten schon aus Prinzip besser als alle anderen. Jede Aktion, die wirksam sein soll, muss weit - und viele Jahre - vorher beginnen.

Zum Singen: Nein. Eine umfangreiche Youtube-Rechereche führte mich darauf, dass niemand so singen kann wie James Dean Bradfield. Zahlreiche Coverversionen versuchten sich, zahlreiche Coverversionssinger scheiterten. Am wenigsten kläglich wirken die Varianten, die einfach komplett aufräumen und gar nicht erst versuchen in die Nähe des Gesangs zu kommen. 

Achtbare Coverversionen waren von Theo Azami - (mit bisher 9 Views(!)) oder von Javier Quesada Aneya.

Manchmal wird die Musik auch als Soundtrack benutzt, um politische Inhalte zu transportieren. Der Titel "Wenn du das tolerierst, sind Deine Kinder die nächsten" bietet sich an. So finden sich auch vereinzelte Coronaleugner-Videos mit dem Soundtrack. Allerdings, da die Bezüge auf den spanischen Bürgerkrieg und den Antifaschismus sehr direkt sind, gibt es dafür nur weniger. Spannend aber die Zusammensetzung aus Video und Filmausschnitten aus der Dystopie "V wie Vandetta". Im Jahr 2021 extra irritierend, weil der Film auf eine globale Seuche bezug nimmt.

Und wer mitlesen möchte, kann auch einfach den Text auf englisch und italienisch lesen bei rock in traduzione.

Für mehr Info: Eine lange Doku der BBC über die Manic Street Preachers aus dem Jahr 1998. Und eine "New Musical Express Song Story" speziell zum Song.,

Sonntag, 7. Februar 2021

Parken am Eidersperrwerk möglich?

Parken am Eidersperrwerk ist möglich. Es ist empfehlenswert. Dort gibt es Krabbenbrötchen, Seevögel, Strömung und Meer. 

„Auf einem Bein habe ich gestanden! Bis Hamburg musste ich mich einzwängen!“ Dietbert wedelte mit Armen und Beinen, um die Dramatik der Lage zu unterstreichen. „1979! Ich habe mich in Niebüll in den Zug gezwängt, der erste nach dem großen Schnee in dem Schneechaos. Seit Tagen der erste Zug. Alle wollten in diesen einen Zug. Ich musste auf einem Bein bis Hamburg stehen. So voll war es.“ 

Ich schaute Dietbert an, versuchte mich am Kopfrechnen: 2021 – 1979 = 42. „Im Strampelanzug oder wie?“ 

Er setzte fort: „Das Bein war komplett eingeschlafen. Auf einem Bein hatte mein Vater gestanden! Bis Hamburg musste er sich einzwängen. Es war so furchtbar für meinen Vater. Seitdem fahren wir keine Bahn mehr. Deshalb habe ich den Audi mit Massagesitzen, Ambientbeleuchtung, dem Star-Wars-Hologramm auf der Rückbank und der autonomen Wunderbaum-Drohne Duftrichtung ‚neues Auto‘.“ 

„Und damit fährst du nach Amrum?“ 

„Ne, nie wieder Inseln. Viel zu gefährlich. Über Jahre war ich nur noch im Süden. Aber nächstes Jahr geht es nach Sankt-Peter-Ording. Abenteuerdietbert schlägt zu. Ich suche schon schöne Parkplätze auf der Strecke heraus.“ „Wie wäre es mit dem Eidersperrwerk?“ 

„Kann ich dort parken?“ 

„Aber hallo, der ganze Entertainmentkomplex Eidersperrwerk ist um den Parkplatz herum konzipiert.“ 

Halber Parkplatz am Eidersperrwerk
 

„Ich werde es in Erinnerung behalten. Aber ich muss weiter, Schneechaos verhindern!“ Dietbert hatte das Ansteckset „Schneefräse“ an seinen Rasentraktor montiert, die Version mit gelber Rund-Warnumleuchte. Er patrouillierte die 500 Meter Brandenburger Datschenweg auf und ab, jagte jeder einzelnen der wenigen Schneeflocken hinterher. Das Schneechaos musste gebändigt werden, bevor es auftauchte.“ 

Ich ging zurück, sammelte die letzten vollen Flaschen aus dem Schuppen ein, bevor es dort Minus 10 Grad haben würde, und fragte mich, warum das Eidersperrwerk so autolastig ist. Zwei Antworten fielen mir sofort ein „1967-1973“, die Baujahre. Und „Acht Kilometer“, die Entfernung zur nächsten Kleinstadt.