Sonntag, 27. Dezember 2020

Die 100 berühmtesten Rezepte der Welt. Ein Kochprojekt.

Ein elaborierter Tanz spielte sich zwischen den Bäumen ab. Der dürre Mann im weißen Mantel legte ein Paket auf die Bank, trat drei Schritte zurück. Ich legte ein andere Paket auf die Bank daneben. Wir beide liefen im Uhrzeigersinn um die Bänke herum, nahmen die Pakete auf. 

Weihnachtsplätzchenübergabe zu Zeiten von SARS-CoV2. Merlino und ich hatte uns am üblichen Ort verabredet: im Miniaturpark zwischen dem Stadtbad Schöneberg und der Hauptstraße. Er liegt bequem zwischen den Schöneberger Supermärkten und Märkten. Der kleine Park, der vielleicht auch nur ein großer Vorgarten ist, bietet selbst zu Zeiten, in denen das Bad geöffnet ist, Platz. 

In den zahlreichen Monaten im Jahr, in denen das Stadtbad aus dem einen oder anderen Grund geschlossen ist, sind wir quasi allein. Nun trafen wir uns: Ich mit Madames Weihnachtsplätzchen, einer Mischung aus Spekulatius, Terrassenplätzchen und Zimtsternen, Merlino mit dem extra für uns gebackenen Pampepato, einer Art italienischer Weihnachtsbrot mit  Bitterschokolade.

Merlino heißt naturlich nicht Merlino. Aber er trägt gerne lange weiße Mäntel und sagt von sich, er sei ein "Mago in cucina.", ein Zauberer in der Küche.  Freunde dürfen ihn auch "Mago Merlino" nennen. Zuerst tanzten wir wortlos. Worte austauschen können wir ja über Social Media, Messenger und ähnliches. Aber uns sehen, Backwerk austauschen, können wir nicht. 

Ich hatte noch eine Frage: "Merlino, weißt Du wo ich einen guten Kalbskopf her bekomme?" - "Naturalmente!" - wie konnte ich nur Zweifel an seiner Kompetenz andeuten. "Ma perché? Aber warum? Was willst Du mit einem Kalbskopf?" - Ich antwortete, er wird ein Teil meines Jahresprojekts 2021: "Die 100 berühmtesten Rezepte der Welt."

Roland Gööck: die 100 berühmtesten rezepte der welt, edition sigloch.

Mago Merlino schaute ratlos. Ich erläuterte: 

Ich wollte nächstes Jahr mal wieder ein Kochbuch durchkochen. Der Ansatz zwingt mich dazu, auch die seltsameren Sachen zu probieren, diejenigen Rezepte zu kochen, bei denen ich mich weniger wohl fühle. Es nötigt mich Gerichte auszuprobieren, bei denen ich vorher keinen Plan habe, wie das Rezept funktioniert. Ich stand also zu Hause vor den Regalfächern mit den Kochbüchern, überlegte, was in mir Joy sparkt, und da sprang es mich an. "Die 100 berühmtesten Rezepte der Welt." 

Freitag, 18. Dezember 2020

Schwimmbäder zu - Poolhopping auf

Es gibt ein neues Blog: Poolhopping.de

Mein letzter Hallenbadbesuch dieses Jahr fand am 9. März statt und führte mich in die Traglufthalle Seestraße. Errichtet von Paranet, die ich schon alleine deshalb mag, weil sie das Schwimmbadquartett sponserten. Ein großes Zelt, isoliert mit Luft, gespannt über einem Freibad. Es war ein Traum. Diese Fläche, diese Ruhe, dieses Sonnenlicht, welches das ganze Zeltdach leuchten ließ. Es war so schwebend leicht und so unfassbar schön. Ich hätte es genießen können - wäre es nicht der 9. März 2020 gewesen. Mir war innerlich klar, dass dies der letzte Badbesuch für eine lange Zeit werden würde. Es wurden mindestens neun Monate, vermutlich werden es mehr als zwölf werden. Aber es war ein lohnender Besuch, einer der schönsten Hallenbadbesuche aller Zeiten. Dieses Bad ist noch nicht auf Poolhopping.de, wird dort aber landen.

Nymphensee Brieselang. Ein schöner See.
 

Mein letztes Schwimmen dieses Jahr fand am 18. Oktober statt und führte mich zum Nymphensee in Brieselang. Die Berliner Freibäder hatten schon geschlossen. Luft und Wasser luden nur noch an außergewöhnlich schönen Tagen zum Baden ein. Unserer Sommerplatz, der Kremmener See, wurde dieses Jahr - ganz ohne Pandemie - kompliziert, so dass wir öfters an den Nymphensee auswichen. Der ist nicht ganz so märchenhaft, aber größer, klarer und inzwischen deutlich unkomplizierter. Ein schöner Ort zum Baden. Wir hatten Besuch, wollten noch einmal so tun als wäre es Sommer und fuhren auf zum See. Wir umschwammen nicht mehr die Insel. Aber wir, die letzten beiden Familien, die in der Abendsonne herumtobten und die beiden Enten, verbrachten einen schönen Abend. Dieser See ist noch nicht auf Poolhopping.de, wird dort aber landen.

Schwimmen ist nicht mehr. Hallenbäder sind geschlossen, und selbst wenn sie offen sind, als geschlossener Raum mit vielen Menschen, schwierig. Freibäder sind bis in ein paar Monaten geschlossen. Um Kaltwassersee zu schwimmen, muss man regelmäßig hin und langsam die Abkühlung mitmachen. Das habe ich verpasst, und in Berlin ist der nächste See ehrlich gesagt auch zu weit weg, um wirklich zuverlässig hinzufahren.

No swim until April, I guess.

Da kann ich wenigstens über das Schwimmen und die Bäder schreiben. Und ihr vielleicht auch. Die Schwimmbäder ziehen auf ein anderes Blog um: Poolhopping.de

 

Dienstag, 15. Dezember 2020

Herbst - beste Zeit für's Wattenmeer

Carruthers zieht mit letzter Kraft an den Skulls. Davis zermartert sich im Nebel den Kopf über die Strecke. Sie müssen im Dinghy den Weg am Rande des Priels entlang finden, bevor ihr großes Plattbauchboot vom deutschen Kreuzer Blitz entdeckt wird. Sie rudern durch den Nebel, unter ihnen nur wenige Dezimeter Wasser. Die Strömung der Gezeiten zerrt am Boot. Die Markierungen der Fahrrinne sind im Nebel nicht zu sehen. Durch die stets wandernden Priele sind sie kaum hilfreich. Carruthers und Davies rudern im Jahr 1902 südlich von Juist, der gottverlassenen Ecke, in der es nichts gibt außer der wagemutigen Hoffnung einst ein Seebad zu werden. Und dort werden die geheimen Pläne des kaiserlich deutschen Militärs Wirklichkeit, die die Gentleman-Segler Carruthers und Davies im unwirtlichen Spätherbst in das tückische Wattenmeer führten. 

Der Geruch der Weihnachtsbäckerei riss mich aus meinem Buch. Sollte ein Vanillestangerl fertig geworden sein? Mein Geist schleppte sich träge zurück aus dem nebligen Wattenmeer nach Berlin-Schöneberg. Der Späti nebenan wegen Coronauflagen gerade geschlossen. Direkt davor standen drei Streifenwagen, keine Ahnung, wo diese hinwollten. Ein halbvoller M85-Bus fuhr vorbei. Nur der kalte Nieselregen erinnert an das Wattenmeer. 

Wattenmeer, Marschlandschaft. Die Landschaft, die erst im Herbst zu sich selber kommt. Die Marsch, entrungen dem Meer. Doch wirkt sie nie so wie echtes festes Land. Im Sommer kann der Boden hart wie Gestein werden. Dennoch, die Entwässerungskanäle, die Rohre, der Blick auf die Deiche: Sie alle erinnern daran, dass dieses Landschaft nur provisorisch existiert, in seiner Seele amphibisch bleibt. Für eine Zeit der See abgerungen und dort wird es wieder zurückkehren. Zehn, zwanzig, dreißig Meter Modder und darunter der Meeresboden. Die Süßwasserschicht ist dünn, unten im Boden das Salz. 

Das Watt bei Ebbe und Nebel vor der Nordseeinsel Pellworm
Wasser-Land. Bild: Das Watt bei Ebbe und Nebel vor der Nordseeinsel Pellworm von:Wattwurmsucher Lizenz: Creative Commons Attribution-Share Alike 4.0 International

Wenn die wenigen Monate des Sommers vorüber gezogen sind, kommt die Nasszeit. Die Landschaft kehrt zu sich selbst zurück. Nebel, Regen, Nieselregen, Starkregen, Wind – Wasser aus allen Richtungen. Der Boden beginnt sich im Schlamm aufzulösen. Die Entwässerungsgräben schwellen an, wollen wieder Priele werden. Draußen, jenseits des Deiches, sind die Tiden ungestört. Keine kleinen Boote mehr. Die Ausflugsschiffe haben sich auf ein Minimum reduziert. 

Donnerstag, 19. November 2020

Logik in Leipzig

Letztens stolperte ich über SPARQL und das Semantic Web und bloggte dazu: SPARQL für Anfänger. Ein Versuch. Das verschafft mir die Gelegenheit, hier frei herumzuschwadronieren. Der echte Blogpost liegt ja schon auf Fahrrad-Datenautobahn. Währned ich also dem Semantic Web, URIs. rdf. rdfs. SPARQL, OWL und anderem nachging, stolperte ich auch immer wieder über die formale Logik. Und ich dachte "Oh wow. Hätte nicht gedacht, dass ich die wiedersehe." 

In Leipzig bin ich im Rahmen des Philosophiestudiums in einge Kurse formale Logik hineingeraten, habe Klausuren geschrieben, die sich nur aus dem Durchrechnen logischer Formeln bestanden, und es war Highlight. Ende der 1990er Sozialwissenschaften und Philosophie in Leipzig zu studieren, war seltsam. Waren doch die Studiengänge samt Studenten und Lehrpersonal komplett aus dem Westen gekommen. 

Die Professoren teilten sich in die drei Kategorien "Überzeugungstäter, die dem Osten beibringen wollen wie es geht" oder "Zu doof, um ihm Westen was zu werden" oder "zu unkonventionell, um im Westen was zu werden." Veranstaltungen in der dritten Gruppe waren Highlights. Nur DDR-sozialisierte Menschen gab es kaum. Die hatte die Wende dahingefegt. Einige wenige durften sich auf halben Stellen in der Verwaltung halten oder unverfängliche Themen wie "Statistik" oder "Klassiker der Philosophie vor dem Jahr 1000, die gerade komplett nicht in Mode sind" unterrichten. 

Die einzige Sammlung von DDR-sozialiserten Lehrenden war bei den Logikern. Die waren weit weg vom Thema. Und gut. Und diese Logikklausur in einem Drittel der Zeit mit dem besten Ergebnis aller Schreibenden war eines der Highlights meines Studiums. Neben der 7000-Mann-Antifa-Demo in Wurzen, The Jesus-and-Mary-Chain im Ilses Erika hören, meinem ersten Besuch einer Uni-Bibliothek und so. 

Wäre ich damals weiser gewesen (und hätte mir nicht das Bafög-Amt im Nacken gesessen), hätte ich nach Logik umgesiedelt, irgendeinen total seltsamen Logikkrempel den Rest meines Lebens gemacht, würde jetzt als weiser vom Berge Zeichens mit Hagoromo-Kreide Zeichen an Tafeln malen und mir als AI-Entwurfs-Berater ein schönes Leben machen. 

Aber es kommt immer anders. Um so erstaunlicher, dass die Logik von links hinten rum quer durch das Auge wieder in mein Leben trat. Nun in der Form von Datenbanken. Ich bloggte darüber: SPARQL für Anfänger. Ein Versuch. 

 

1Europafüralle demonstration Berlin Antifa block 08
Nicht Leipzig. Hier Berlin. Bild: 1Europafüralle demonstration Berlin Antifa block 08.jpg Von: Leonhard Lenz Lizenz: Creative Commons CC0 1.0 Universal Public Domain Dedication

Montag, 26. Oktober 2020

AKAZIE – Cambio-Carsharing in Schöneberg

Stationsgebundenes Carsharing in Berlin-Schöneberg. Ein Abenteuer für den modernen Großstädter. Mit dem Ford Fiesta von Schöneberg nach Brandenburg und zu zurück.

Stazione di Milane Centrale. Ich stolperte damals verloren durch die Gegend. Mein gesammeltes Interrail-Geld 1993 in einer Plastiktüte, mit Stecknadel an der Unterhose befestigt. Ich hungrig, hatte gerade aus Versehen das gesamte Wochenbudget für einen Teller Reis in Vorspeisengröße in einem milaneser Restaurant ausgegeben. 

Silberner Ford Fiesta von Cambio-Carsharing geparkt auf einem Berliner Hof. Im Hintergrund eine alte Mauer.
Cambio-Ford-Fiesta, zwischengeparkt auf Schöneberger Hinterhof.


Dabei wollte ich, einmal in Italien sein, einmal Pasta essen! Etwas anderes. Nur drei Stunden in Italien, auf der Durchreise zwischen Ljubljana und Montpellier. Hungrig, erschöpft, unausgeschlafen und zu pleite. Ohne Spaghetti. Mit Reis. Nicht ahnend, dass ich gleich in den Nachtzug steigen würde, in dem mir ein südfranzösischer Taschendieb noch größere Teile des Reisebudgets entwenden wird. Aber Milano Centrale. La gente solo parla italiano. Tempo veloce! Mi non caspica nessuno. Voglio di partire subito. Anche io ho fame.

Verlorensein. Bis da dieser Schalter ist. Eine Schalterhalle alter Schule. Mit Glaswand, Holz, aufgereiht die Schalterbeamten. Und da dieser eine Schalter: Auf ihm prangen deutsche, französische, englische und spanische Fahnen. Ein multilingualer Fahrgastberater. Ich flüchtete verzweifelt zum Stand. Der Mann, ein Traum, spricht fließend deutsch. Kann mir ohne weiteres Nachsehen ein halbes Dutzend Zugvarianten zwischen Norditalien und Spanien aufzählen. Mit kurzem Blick ins Kursbuch informiert er mich, wo ich in Genua umsteigen muss. Er kennt den Weg über die Bahnsteige und gibt mir einen Tipp für guten Kaffee beim Halt in Monaco. Mon Ami!

Meine Gedanken verweilen im Mailand 1993 während mein Körper im Frühherbst 2020 die Berlin-Schöneberger Dominicusstraße entlang läuft. Alles nur, weil ich vorher die Krimischmonzette Mafia, amore e polizia gelesen hatte. Sie spielt 1993 in einem Zug von Hamburg nach Neapel. Die Schöneberger Bürgersteige sind breit. Dort entlangschlendern lässt Zeit zum Nachdenken.

Zeit zum Zweifeln: dieser großartige Schalterbeamte, der mir damals uralt vorkam. Aber sicher noch vor der Rente war. Lebt er noch? Und wie konnte ich ein spektakuläres und weltbekanntes Mailänder Risotto essen, ohne zu merken, was ich vor mir hatte.

Ich versuche, meine Gedanken auf die nächste Reise zu fokussieren: Brandenburg. Auto. Tiefgarage. Sie müssen erst die Karte vor den Schlüssel halten. Und dann damit das Garagentor auffalten.

Ich komme an der Kreuzung Dominicusstraße/ Hauptstraße an. Sage mir „Auto. Carsharing. Denk an Deine PIN. Begutachte das Auto.“ Mir bleibt Zeit. Mein Mietvertrag beginnt erst um 14 Uhr. Ich denke "AKAZIE" - so heißt die Station in der Akazienstraße. Benachbart wären GOLTZ, LAUTER oder NOLLE-JELBI.

Donnerstag, 8. Oktober 2020

Früher, als es noch gesungene Telegramme gab

Nebenan auf Fahrrad-Datenautobahn veröffentlichte ich einen Blogpost über Telegram und andere Messenger.

Dies gibt mir die Gelegenheit in diesem, thematisch ungebunderen, Blog hier paar Döntjes aus dem Leben zu erzählen. Letztes lernte ich ein neues Verb "dopfen". Laut dem Hersteller meines neuen Dutch Ovens handelt es sich dabei um das Verb das beschreibt diesen Ofen zu nutzen. Also ähnlich wie braten oder kochen oder rösten oder grillen, nun dopfen. Man werfe Zeug in einen 10 Kilo schweren Gußeisentopf, werfe Briketts hinterher und am Ende hat man die müseligste Variante eines Schmorgerichts erschaffen. Aber es gibt halt nichts aromatischeres als Schmorgerichte. 

Auf meinem Handy sind diverse neue Apps. Kein neuer Messenger, aber dafür existiert ein schöner neuer Blogpost über Signal, Threema und XMPP: Telegram - Messenger nicht besser. 

Wart ihr schon mal in Kyritz? In Brandenburg nahe der Mecklenburgischen Grenze. Ein phänomenales Städtchen. So im Nichts. Aber komplett. Daneben liegt Wesselburen zentral in der Mitte der Zivilisation. Egal aus welcher Richtung, Kyritz mit ist mit seinen knapp 10.000 Einwohnern auf Abstand die größte Stadt. Die nächste Metropole ist Perleberg. Aber was für eine Stadt! Nicht nur als ehemalige Hansestadt eine wirklich niedliches Städtchen. Die hohe Anzahl belebter Cafés, der Bioladen, der Weltladen, die Buchhandlung, das Dutzend inhabergeführter Geschäfte. Wahrlich nicht das, was ich am hintersten Ende Brandenburgs erwartet hätte. Selten sah ich von Außen eine derart einladende Stadtbibliothek. 

 Letztens verschwand ich in einem schwarzen Loch. Ich entdeckte, dass das Archiv der Village Voice, der Urmutter aller Stadtmagazine aus New York online ist - und man sich für Tage durch das New York der 1960 bis in die 2010er lesen kann. Nun muss ich nur noch meinem Arbeitgeber beibringen, dass zwei Wochen ununterbrochen Village-Voice-lesen ein legitimer Grund für einen Bildungsurlaub ist. In schwarzen Löchern kann man auch in Messenger-Diensten versinken. 

Ich bloggte darüber: WhatsApp, Telegram und Threema.

Mittwoch, 26. August 2020

Badestelle Lochower See, Sternenpark Westhavelland

Kennt ihr das schwedische Bilderbuch „Olivia och Oscar badar i sjön“ („Olivia und Oscar baden im See“)? Die Bilderbuchkinder laufen mit ihren Handtüchern an den Bilderbuchsee? Olivia schwingt sich vom Baum ins Wasser. Oscar ist bereits einige Meter voraus geschwommen.


Badestelle Lochower See
Badestelle Lochower See

 

Am Ufer neben der Badestelle zeigt die Alice dem Matteo, wie man Karpfen angelt. Die Eltern holen Picknick aus dem Holzkorb. Aber, ach, großes Drama! Mücken und Bremsen! Aufregung! Rufen! Weinen! Trösten! Schnell müssen die Kinder mit mitgebrachtem Eis versorgt werden. Abends sitzt die Familie mit Saft und Wein am Seeufer und betrachtet Händchen haltend den Sternenhimmel, der sich im Wasser spiegelt.


Ich kenne dieses Buch nicht. Vermutlich existiert es nicht. Keine Bilderbuchfamilie am Bilderbuchsee. Aber das Vorbild existiert. Der Lochower See zeigt sich, als wäre er direkt einem schwedischen Bilderbuch entstiegen. Der kleine überschaubare See im Wald, mit niedlicher Badestelle, ein paar angelnden Jungs nebenan, ein paar Familien und uns. Wüsste ich es nicht besser, würde ich glauben, das Fremdenverkehrsamt hätte inszeniert.

Der See


Der Lochower See hat laut Wikipedia sechs Hektar. Das sind etwa 300 mal 200 Meter – überschaubar. Um den See herum wächst Wald. Mehrere Zugänge für Angler existieren, ebenso wie eine Badestelle mit Bäumen, Wiese, Mülleimern. Wie es sich für einen See am Ende der Welt gehört hat er weder Zu- noch Abfluss.

Dienstag, 4. August 2020

Alle meine Tabs sind wieder da

Letztens an den Schließfächern im Sommerbad am Insulaner. Wir kommen ins Gespräch, sind uns einig: wir haben die beste Freibadsaison aller Zeiten. Und aller die noch kommen werden. Die Bäder sind nie zu voll. Die Seitenspringer-Problembären sind verschwunden. Alle Anwesenden sind total entspannt. Auf den Liegewiesen haben wir Platz wie noch nie. Wer hätte gedacht, dass die schwimmfreudige Freibadbesucher*in die Gewinner*in von Sars2 sein wird.

Die Problembären haben dafür beschlossen, in unserem Innenhof eine semiprofessionelle Lungerei zu eröffnen. Dort lungern sie schon wie die Profis, trinken Caprisonne, telefonieren. Und Spät abends zählen sie Scheine ab. Ich will nicht wissen, wofür. Nur wurden sie des Nachts von mehreren Nachbarn angebrüllt, dass sie leise sein sollen. Seitdem ist die Lungerei umgezogen.

Denn früh aufstehen muss man, wenn man um 6:15 mit dem Fahrrad die Stunde der Bauarbeiter sehen will. Dort schlappen sie auf dem Weg zur Arbeit oder kommen aus ihren Unterkünften. Seit den Radtouren im Sonnenaufgang, weiss ich, in welchen Schöneberger Häusern die offensichtlichen Massenunterkünfte sind.

Besser ist der Weg zurück. Über den Prellerweg, über die einzig geschützten 50 Meter Radweg, die seit 1990 in Tempelhof-Schöneberg entstanden sind. Und zum Sommerbad am Insulaner. Dessen Anlage ist so schön. Und es ist so leer. Ach, an diesem Freibadsommer werde ich mich den Rest meines Lebens mit Wehmut erinnern.

Auch mit Wehmut erinnerte ich mich an die Firefox-Erweiterung Tab Mix Plus. Für diese immerhin fand ich eine Art Ersatz. Ich bloggte mit dem Fahrrad auf der Datenautobahn: Tab Mix Plus ist zurück.


Freitag, 17. Juli 2020

Strandbad Spree Oberbaumbrücke von Pfuel

Wie langsam sich ein Baggerschiff in Stellung bringen kann. Madame und ich lehnen an der Brüstung der Elsenbrücke. Wir schauen auf die Baustelle in der Spree. Am Berliner Osthafen schützen Spundwände einen Bereich mitten im Fluss. Sie schützen einen Sandhaufen in der Spree. Ein Kahn halbvoll mit Sand liegt neben den Wänden. Ein Baggerschiff liegt längsseits. Baugeräte fahren über den flussliegenden Sand. Am Ufer, direkt neben dem Sandhaufen bestätigen Berge aus zerbrochenem Beton: Hier wird gebaut. Aber in welche Richtung? Aufbau Ost? Abbau Ost?

Wohin bewegt sich der Sand? Baggert das Schiff ihn vom Kahn in die Spundwände? Oder gelangt es vom Fluß auf den Kahn? Freiheit für die Spree! Oder neue Gebäude? Madame und ich schoben unsere Räder über die Brücke von Friedrichshain nach Treptow. Wir waren auf dem Weg zum Badeschiff. Ich hatte Madame versprochen, dass man das Schiff vom Nordufer der Spree aus gut sehen kann. Nun waren wir auf dem Rückweg in den sonnigen Süden Berlins. Nur der Kahn hielt uns auf. Hatte unsere Neugier geweckt. Der langsamste Bagger östlich der Havel machte keinerlei Anstalten sich zu bewegen.

Wir lehnen. Der Schiffsbagger pendelt. Der Kettenbagger fährt unmotiviert über den Sand. Ich bilde mir ein, das Badeschiff zu erahnen. Meine Gedanken schweifen in Richtung ehemaliger Schwimmherrlichkeit an der Spree. Nicht weit entfernt, nahe der Oberbaumbrücke, direkt am Westen, lag die Von-Pfuel’sche Badeanstalt. Über 100 Jahre lang war es das eindrucksvollste Flussbad Berlins.

Vier - zwei ganz, zwei angeschnitten, Zeichnungen von Männern beim Brustschwimmen. Blick von oben.
Aus dem Lehrbuch der Schwimmkunst: für Turner und andere Freunde der Leibesübungen und zur Benutzung in Schul- und Militär-Schwimmanstalten, geschrieben von Hermann Otto Kluge 1870, dem ehemaligen „Turnlehrer bei der Berliner Feuerwehr“ und Carl Euler. Gemeinfrei, da Autoren länger als 70 Jahre tot.


Wildes Klingeln reißt mich aus meinen Gedanken. Fahrradreifen quietschen. „Na Ihr Pfeifen!“ Hinter mir kommt ein Liegerad schlingernd zum Stehen. Am Heck flattert die gelbe Fahne mit roter Aufschrift „Schwimmenberlin.de“. Joe kommt!

Donnerstag, 2. Juli 2020

Klapp die Wikipedia zusammen

Erzeugt Corona Halluzinationen? Seitdem die Spargelzeit vorbei ist, bilde ich mir ein an den Orten meines tägliches Vorbeifahrens wie dem Ikea-Parkplatz neue Spargelhäuschen zu sehen? Oder verkaufen die nur noch Heidelbeeren? Und spätestens 2021 wird ein dunkelblaue Heidelbeerhäuschen geben wie es jetzt schon rote Erdbeerhäuschen gibt?

Das steht alles nicht in Wikipedia. Aber vielleicht die Geschichte der Erdbeer-Verkäuftsstände in Deutschland. Wenn ihr Euch noch drei Wochen bis drei Jahre geduldet, könnt ihr Wikipedia in neuer Ästhetik betrachten. Ich bloggte nebenan: Seitenleiste Wikipedia nötig?

Donnerstag, 18. Juni 2020

Schwimmen Nordsee Wesselburenerkoog

„Summ-Summ“

„krqiiiiiiiiiiiii“

„Summ-Summ“

„krqiiiiiiiiiiii“

Das sterbensniedliche Alien-Kind fleht auf der Kino-Leinwand hoffnungsvoll. Es versucht, das Raumschiff zum Starten zu bringen. Hilflos versucht es die magischen Knöpfe zu finden, die magischen Worte zu sprechen. Doch es fehlt der Schlüssel. „Summ-Summ“. Nichts passiert. „Krqiiiiiii“ Sein flehendes Summ-Summ auf der Leinwand wird kurz übertönt vom quietschenden Scheibenwischer direkt vor meiner Nase.

Badestelle Wesselburenerkoog bei Nipptide. Nordsee, Wolken am Himmel, das Wasser reicht zum Deichfuß.
Meer, Salzwiese, Himmel.

Im Heider Autokino am Fernsehturm ist in wenigen Minuten ein Regenschauer niedergegangen. Sonne, fünf Tropfen, Sonne. Die Nordseegegend gibt sich Mühe mit dem Nordseewetter. Der Scheibenwischer quietscht sich seinen Weg über die trockene Frontscheibe. Ich bin so vertieft in „Shaun 2 – Ufo-Alarm“, dass ich erst daran denken muss, den Scheibenwischer wieder auszuschalten.

Heide / Dithmarschen, die Metropole im Nordseewind, war Berlin um Wochen voraus. Bereits Mitte Mai hatte die Stadt mit Hilfe der Lokalprominenz Freshtorge und „Holzi“ Holst ein Autokino auf die Beine gestellt. Samstags ergänzt um die Autodisco. Bei der alten Telefon-Post. Kaptain, Madame und ich mussten hin.

Der Kaptain war enttäuscht. Die Lautsprecher zum Ins-Auto-hängen ihrer Jugend ersetzten Kinobetreiber vor Jahrzehnten durch UKW-Sender. Auch versicherten Madame und ich auf wiederholte Nachfragen des Kaptains, dass wir keine wilden Knutschorgien vorhatten. „Aber dafür ist Autokino doch da!“. In des Kaptains Jugend war Autokino spannender.

Der Kaptain ließ sich dadurch besänftigen, dass sie im Kino ihre E-Zigarette („Rum-Traube-Nuss“) paffen durfte. Zudem konnte sie sich durch die Autofenster über den Parkplatz mit Hardy, dem Tuba-Spieler vom Spielmannsug Blau-Weiß unterhalten. Nach dem zweiten Umrangieren hatte ich als Fahrer die Grundlagen der Sichtphysik im Autokino verstanden: Hinten ist besser. Hinten sehe ich mehr als das Dach des eigenen Subarus.



Collage aus zwei Bildern: oben Szenenfotoa su Shaun2-Farmageddon mit Schafen am Stricken und Schachspielen, unten Foto Schafe am Nordseedeich
Shaun-Schafe (oben) und Wesselburenerkoogschafe (unten)

Madame ist von Shaun, wie wir alle, begeistert. „Die Schafe sind so englisch. Sie sind so schafig.“ Da hat sie recht: Die Claymation-Figuren wirken wie Schafe. Auch wenn die echten Viecher am Deich so aussehen, als würden sie herumstehen. Im Innern stricken sie und trinken Tee und spielen Schach. Das vorwitzige Lamm treibt sich mit Außeridischen herum.


Wir können das beurteilen. Wir waren am Deich: Schwimmen in Wesselburenerkoog.

Freitag, 12. Juni 2020

Die unverwüstliche Windows-Kommandozeile

Vorgestern dachte ich kurz, ich hätte meinen ersten wirtschaftlichen Corona-Kollateralschaden entdeckt. Ein leerer Späti, taube Fenster, ein einsamer Zettel klebte im Fenster. Dort würde ich meinen Brief nicht mehr loswerden. Aber denkste: "Aufgrund einer Steuerprüfung und eines schlampigen Anwalts müssen wir den Laden aufgeben. 31. August 2019." In manchen Geschäften bin ich seltener, als ich wahr haben möchte.

Um so mehr freue ich mich, dass der Lucha-Libre-Fuck-Trump-Mexikaner neben dem Job-Center in Tempelhof und Fisch-Möller in Büsum noch aufhaben. Burrito- und Schollennachschub sind gesichert. Irgendwann kommt man doch zur Überzeugung, dass Familienbesuch das derzeit geringe Risiko wert ist und tritt eine sozial distanzierte Reise an die Nordsee an. Die letzten Tage waren so sozial ereignisreich wie nichts seit Anfang März. Sogar im Schwimmbad war ich. Mir gefällt es so leer im Sommerbad am Insulaner.

Aber noch leben wir in Corona. Die Zahl der Neu-Infizierten in Berlin ist so hoch wie zuletzt Ende April. Noch ist das Home Office ein großes Thema. Und es wird zum alles verschlingenden Arbeitsthema, wenn das Internet nicht geht. Ich bloggte auf Fahrrad-Datenautobahn: "Verbunden, kein Internet" - Was tun?

Samstag, 6. Juni 2020

Schwimmen in Schopfheim, Hallenbad Krone, Wiechs

Der soziologische Springteufel. In meinem Hinterkopf spukt er herum. Gelegentlich springt er heraus. Das Kästchen öffnet sich. Von der Feder nach oben geschleudert, drängt sich das Männchen mit roten Hörnern, langer Nase und spitzem Kinn ins Bewusstsein. Mein soziologischer Springteufel heißt Thomas Voss und lehrt an der Universität Leipzig Mikrosoziologie. Er lehrte dort schon Rational Choice Theorie und Mikrosoziologie als ich in Leipzig studierte. Mein innerer soziologischer Springteufel ist Mikrosoziologe und trägt eine Brille.

So lese ich die Artikel zu den Corona-Verschwörungsdemos. Ich wundere mich kurz „Es ist seltsam, dass die Demos je größer werden, je lockerer die Beschränkungen werden. Das ergibt keinen Sinn.“ Da springt mein innerer Thomas Voss heraus, der Springteufel, direkt in mein Gehirn und wedelt mit dem erhobenen Zeigefinger. „Ha! Das war schon immer so! Revolutionen und Aufstände brechen immer in dem Moment aus, indem der angenommen Missstand sich abschwächt. Das lässt sich per Rational Choice problemlos erklären! Das beweise ich schon seit den späten 1980ern!“

Metall-Türschild der Krone Wiechs. Klassicher Stil aus Metall mit stilisierter Krone. Der Schiftzug in Gold.
Türsschild der Krone Wiechs. Willkommen zur Hallenbad-Wellness. Mit Spätzle.


Da mir die innere Auseinandersetzung mit Rational Choice zu anstrengend ist, wandle ich zu Madame in die Kammer und rede drauflos, während sie versucht, an der Tonspur ihres neuen Screencasts zu basteln. „Weißt du was ich am IKEA-Parkplatz gesehen habe? Ein Radfahrer mit Rückspiegel am Helm. So ein MAMIL, ein MittelAlter-Mann-in-Lycra, mit oranger enger Hose, Rennrad, orangem Helm. Und am Helm ein einem Ausleger ein Rückspiegel. Etwa so groß wie ein 2-Euro-Stück. Das sah bizarr aus. Aber auch cool.“ Madame erblickt ein gefährliches Leuchten in meinen Augen. Ich ergänze: „Wie so ein kleines Horn, das spiegelt.“

Mittwoch, 3. Juni 2020

Die mittelfrühe Wikipedia hatte ein exponentielles Wachstum

Let's-Dance-Zuschauer wissen mehr. So wussten wir bereits seit 2016, dass Attila Hildmann ein echt komischer Mensch mit bizarrem Weltbild ist. Bei dessen Tanzversuchen es so aussah, als würde seine Tanzpartnerin versuchen, ein halbvolles Planschbecken über das Parkett zu schieben. Seine weitere Entwicklung seitdem: nur Folgerichtig.

Anderes blieb rätselhaft: warum macht Vanessa Mai, die vielleicht spektakulärste Teilnehmerin aller Zeiten und in jeder Körperspitze musikalisch, selber so komische Schlagermusik? Sie muss doch hören, was sie beim Singen von sich gibt. Wieso haben Profisportler entweder die Beweglichkeit einer Schrankwand oder wirken so, als wären sie als Salseros auf die Welt gekommen? An der Sportart kann es nicht liegen. So gab es beispielsweise Fußballspieler die jenes und diesen konnten.

Der Handballer Pascal Hens, 2,03 m groß und locker über 100 Kilo schwer, schwebte wie ein junger Gott über das Parkett. Der Fußballer Thomas Häßler, in seiner aktiven Zeit filigraner Technikkönig, wirkte stets als hätte er ausversehen die falsche Studiotür geöffnet. Wäre er gegen die Kulisse gelaufen, hätte es niemand gewundert.

Über die Jahre konnte man sehen wie sich die Tanzstile änderten. Die Salsa der frühen Staffeln ein raumgreifender Showtanz, heute eng getanzt auf wenig Raum, sehr viel mehr Club-like. In den Kulissen, den Gesichtern, lässt sich die Geschichte der Bundesrepublik sehen
 
Diese Staffel 2020 wird historisch werden . Eine Live-Sendung während der Coronakrise. Begonnen noch wie wir die Welt halt kannten. In kurzem Zeitraum ein leeres Studio, riesige Abstände, Trennwände, Videozuschaltungen per Tablet und jetzt zum Schluß wieder leichte Normalisierung.

Historisch wird auch der Drosten-Podcast werden. Die frühe Wikipedia ist dies schon längst. Darüber bloggte ich nebenan auf Fahrrad-Datenautobahn: Wikipedia Manske Polymerase-Kettenreaktion   

Montag, 25. Mai 2020

Edward Snowden: Permanent Record. Auch zum Verschenken für die Verwandtschaft.

Anlässlich von Corona wurden mir in Berlin-Schöneberg Pop-Up-Radwege versprochen. Dies erfreute mein kleines Herz. Der Innsbrucker Platz beispielsweise ist ein Unfallschwerpunkt, in seiner Mischung aus massiven Autoverkehr (-> Autobahnzubringer), komischer Spurenführung und keinerlei sinnvollen Führung der Radwege liegt hier ein betonierter Radfahralptraum im Süden Schönebergs. Jeder Radweg hier wäre ein Gewinn, egal ob Pop up oder nicht

Corona scheint sich Ende Mai 2020 auf bestem Weg in die "Ach, war was?"-Phase zu begeben, also bis zur nächsten Welle. Die Straßen füllen sich. Selbst volle Busse sehe ich wieder. Nur der Pop-Up-Radweg fehlt. Stattdessen entstanden auf der ganzen Hauptstraße Pop-Up-Baustellen, die die Spurenführung noch katastrophaler machten, von nichts auf gleich Radwege in Bauzäunen enden ließen und Radler aus für die Autofahrer heiterem Himmel mitten auf die Fahrbahn lenkten.

Beständig hingegen bleiben die Baustellen am Südkreuz, deren Wegführung fast Sinn ergibt. Spannend hingegen die Wege-und Schlangenführung vor dem IKEA, die sich stets der aktuellen Coronasituation anpasst. Zum Glück verschwand die Baustelle beim Attilaplatz ohne dass ich an dieser, mit der schlimmsten aller Streckenführungen, einem Schulkind in die Haxen geradelt wäre.

Bisher kam ich immer beim Tempelhofer Hafen an. Dort ließen mir verschiedene Nicht-stattfindende Feste und eine nicht-stattfindende re:publica Zeit zum Bummeln und Lesen. Ein empfehlenswertes Hobby! So spannend. Und was man alles erfährt.

Eine dieser Erfahrungen gebe ich nebenan weiter: Edward Snowden: Permanent Recored. Wie man die Geheimnisse der Geheimdienste öffentlich machen kann und doch ein normaler Mensch bleiben: Fahrrad-Datenautobahn: Edward Snowden, Choplifter und Verschlüsselung.

Freitag, 8. Mai 2020

Der Deckel macht das Barbecue

„Brandenburger Knight Rider“. Ich lehne am Gartenseilpfosten und schaue wie ein Rasentraktor über eine improvisierte Rampe in den weißen Lieferwagen des Rasentraktoreparaturdienstes fährt. Innerlich sehe die Bilder vor mir wie Michael Knight mit K.I.T.T. in den Truck der Foundation für Recht und Verfassung fährt.

K.I.T.T. und der Truck der Foundation in voller Fahrt; in der Ferne die Sirenen der Polizeifahrzeuge, ein Schwenk über die amerikanische Landschaft. Die fahrenden Autos wirbeln den Staub der kalifornischen Wüste auf. Könnte ich mich an die Melodie erinnern, würde ich sie summen. Aber David Hasselhoffs Locken und K.I.T.T.s rote Lichtlaufleiste haben alle Erinnerungen an die Melodie verdrängt. Ich bleibe stumm. Ich horche auf das Röttern, mit dem in Brandenburg der Rasentraktor die Rasentraktorrampe hinauffährt.

Ich höre Schritte. Langsam beginnend steigern sie sich im Tempo zum Sprint. Japsen. Um die Ecke stürmt Dietbert.

„Ist das der Grillbringer? Ich hab‘ den Motor gehört. Mist! Wieder nichts.“ Dietbert wartet auf den Emperor9000-OutdoorBarbecue-Chef „Mit drei Sizzle Zones! Bis zu 1500 Grad! Linksdrehendes Gasgebläse, zwölf Brenner, Deckelüberkreuzhelixbrenner, Chickenrotator de Luxe, vier Hitzezonen pro Quadratdezimeter. Hybridantrieb: Kohle und Gas. Drei Meter Lang. Mit elektronischer Einparkhilfe. Auf dem Monitor kann man ein Schweineballett tanzen lassen.“

Auf das Schweineballett bin ich neidisch.

„Mit Zubehör. Marinierdrohne. Lässt sich per Smartwatch steuern, fliegt durch die Brennkammer und verteilt Marinade aus einer Düse auf das Fleisch.“

Darauf bin ich vielleicht neidisch.

„Aber glaubst Du. Die liefern nicht. Grillbringer hat jetzt extra einen Newsletter geschickt. Wegen Corona! Alle wollen Grills. Und die Chinesen liefern nicht. Keine Angebote, dauert alles länger. Ich hatte mir das so schön vorgestellt. Neben der neuen Tischtennisplatte die Emperor9000. Die Gewürzdrohne saust vorbei. Das Flank Steak Pinata al Texas con Sweet Potatoes on Fire bekommt seine letzte Würzung.“

Ich kann es mir bildlich vorstellen. Zu bildlich.

„Aber sach mal. Du grillst doch auch gerne. Was kann denn Dein Grill?“

„Jo. Der hat ‚nen Deckel“.

Grill, Sonnenstiuhl, Gartendusche und Wiese.
Dazu einen Gin Tonic


„Wie jetzt? Ist das alles? Mit Innenbrenner? Luftverwirbler und Feuchtigkeitsdüsen?“

„Nö. Ein Deckel halt. Mit vier Löchern, damit die Luft rauskommt.“

„Und das ist alles. Kein Zubehör.“

„Naja, ein Liegestuhl. Ein Sonnenhut Und gute Bücher. Alles was es zum Grillen braucht, ist ein Deckel und Geduld.“

Dienstag, 28. April 2020

Heute schon 'nen Zertifikatsfehler gehabt?

Die Knoblauchrauke ist voll die It-Pflanze. Mir bis vorgestern unbekannt, stolperte ich an einem Tag in drei verschiedenen Blogs über sie: nie als Hauptdarsteller, immer am Rande, immer im Sinne von "Ach, und nebenbei. WIR haben hier Knoblauchrauken."

Über unseren Garten flogen keine Knoblauchrauken. Aber die ersten Störche. 

In den letzten Wochen meckerte ich, dass Journalisten der großen Onlinemagazine ein eigentümliches "wir" (gelangweilt im Home Office) und "sie" (Krankenschwestern, Lastwagenfahrer et cetera) konstruieren. Artikel im "Wir"-Tonfall handeln von Office-Workern und deren Problemen nicht mehr ausgehen zu können. Sie beschreiben Normalität und Alltag. Artikel im "sie" Tonfall handeln von zum Beispiel von Krankenschwerstern, Menschen im Lebensmittelhandel oder Lastfahrern. Immer im Tonfall großer Dramatik geschrieben. Sie vermittelten das Gefühl, dass diese Menschen "fremd" sind, in einer anderen Welt leben als die Home-Office Menschen und sie nicht dazu gehören. Endlich erhörte mich die New York Times. In ihrer schönen Serie "wie verbringst du den Sonntag" (eine Art Alltagsblog auf hohem Nivea) porträtierten sie eine New Yorker Krankenschwester der Notaufnahme: Wenn alles komplett irr ist und man doch versucht ein normales Leben zu leben: How a Triage Nurse Spends Her Sundays

Der Weg zu meinem Nicht-Home-Office führt mich per Luftlinie quer durch IKEA. Das bedeutet im Normalfall morgens um 6: einmal quer mit dem Fahrrad über den IKEA-Parkplatz, denn es außer den zwei White Vans mit laufendem Motor ist der Parkplatz leer. Nachmittags bedeutet es im Normalfall: ich fahre außenrum: vielzuviel Gewusel. Die letzten Wochen war alles anders. Auch Nachmittags konnte ich über IKEA strampeln, sehen wie der Parkplatz komplett leer war. Dann langsam eine erste Online-Abholmöglichkeit sich bot, diese sich vermehrte. Heute war der erste Tag an dem ich den Parkplatz wieder mied, denn es war zuviel Gewusel. Welche Auswirkungen das Gewusel genau hat: die Exponentialdiagramme der Infiziertenzahlen werden es zeigen.

Noch aber verbringt ein Großteil der Menschheit die Zeit im Home Office. Noch könnt ihr auf Fahrrad-Datenautobahn Small-Talk-für-Homeoffice-Fortgeschrittene lesen: Digitales Zertifikat Erklärung 

Samstag, 18. April 2020

Wespen lange Beine gefährlich?

Wespen mit langen Beinen sind Hippiewesten. Sie sind vollkommen ungefährlich. Sie sehen dekorativ aus und fressen Stechmücken. Ihr und Feldwespen mit den langen Beinen: Macht Liebe und Friede inmitten der Blumen.

Die Wespe schaut gnatschig. Sie stampft mit den Beinen auf und läuft einen Umweg. Wieder habe ich es gewagt, mich mit Kaffee auf unsere Terrassenstufen zu setzen. Unter deren Bohlen wohnen die Wespen. Der Ein- und Ausstieg verläuft durch die Stufen. Oder nicht. Wenn ein Mensch darauf sitzt, funktioniert der Eingang nicht. Die Wespe wirkt planlos.

Die Frühlingssonne hat die Tiere aus dem Bau gelockt. Gelb-orange Beine und Fühler glänzen im Licht der Sonne, wenn sie ein- und ausfliegen. Die Wespen bereiten sich auf den Sommer vor. Ziehen im Flug lässig ihre Beine hinter sich her. Sie haben keine Angst vor mir – es sind Wespen. Im Gegensatz zu den bekannten Marmeladenwesten bleibt sie friedlich. Ich bin versucht, eine Wespe zu streicheln.

Nahaufnahme Hausfeld-Wespe auf Terrasse.
Bild: Gallische Feldwespe (Polistes dominula) raspelt Holzfasern zum Nestbau (aufgenommen in Stuttgart) Von: Pjt56 Lizenz: Creative Commons Attribution-Share Alike 4.0 International


Die Feldwespen, Polistinae, sind mit den bekannten „Echten Wespen“ so eng verwandt wie mit den Solitärwespen. Sie sehen den Echten Wespen ähnlich. Ähnlich wie die Marmeladenwespen bilden Sie Kolonien. Diese umfassen nicht viele hunderte oder tausende Mitglieder, sondern 30 bis 40 Wespen.

Den Feldwespen ist es möglich auf engem Raum mehrere Kolonien zu bevölkern. Neben den Bauten unter den Terrassenbohlen siedeln sich bei uns Feldwespen unter dem Dachüberhang an. Dort können wir das offene Nest sehen. Das kaum größer wird als ein Tennisball. Platz brauchen 40 Wespen nicht. Die Wespe mit den langen Beinen ist die Gallische Feldwespe, Polistes Dominula, in den letzten Jahren auch „Haus-Feldwespe.“ Sie ist erkennbar durch die lässig baumelnden Beine im Flug, die gelb-orange gefärbt sind. Während der Trivialname „Gallische Feldwespe“ sich in den Jahrhunderten verliert, erschließt sich der Name Haus-Feldwespe einfach. Die Wespen mögen menschliche Häuser.

Donnerstag, 9. April 2020

These: Server. Antithese: PC. Synthese: Virtueller PC.

Können wir bitte die Gelegenheit nutzen, den Profifußball loszuwerden? Ich weiß, es ist nicht das vordringlichste aller Probleme, aber die Gelegenheit ist günstig. Und ein wenig Hoffnung am Ende des Tunnels muss ja bleiben. Wenigstens in einer Hinsicht sollte die Welt nach Corona besser sein als die Welt vor Corona. Die Umstände legen den Profifußball in seiner ganzen abgehobenen Arroganz und Weltabgewandtheit wie er ist. Die Gelegenheit ist günstig.

Das ist nur ein Rant am Rande. Es ist Zeit für Frohe Ostern. Der Freitag der Einkehr, der Sonntag des Feierns. Ich wünsche auch Boeuf Bourgignon, Ginger Chicken und Tarte Tatin. Ich wünsche Frische Luft, liebevolle Anverwandte und die Erkenntnis, dass persönliche Nähe auch aus der Ferne funktioniert.

Und ich wünsche keine Langweile. Für diejenigen, die jetzt schon die Arbeit vermissen. Und für diejenigen, die sich gerne auch über die Feiertage intensiv mit ihrer Bürotechnik auseinandersetzen wollen, verfasste ich auf Fahrrad-Datenautobahn einen Text: Die Kulturgeschichte des Virtual Desktops. Es geht um VDI, HVD und andere schöne Konzepte,

Montag, 30. März 2020

Schwimmen im alten Heidbergbad Braunschweig

Leere Straßen konnte Braunschweig bereits im Jahr 2018. Eine breite Hauptstraße, gekreuzt von einer anderen Hauptstraße. Über die eine Überführung mit einer weiteren Hauptstraße führt. Inmitten dessen schlängelt sich eine Straßenbahnlinie. Die Frühlingssonne brannte mit neu gefundener Kraft auf den Beton. Ich schlenderte nach der Jules-Vernes-Veranstaltung durch die Gegend, wähne mich in einer BRD-Zeitreise. Hatte vor 20 Minuten ein 1970er/1990er-Bad verlassen. Noch erholte ich mich vom Anblick des öffentlichen Gebäudes nebenan.

Sportbad Heidberg. Glasfront des Sportbad-Teils mit emporstrebendem Dach.
Sportbad Heidberg


Von meinem Aussichtspunkt auf einem kleinen Hügel aus, wirkte es wie ein Gefängnis. Vermutlich war es eine Gesamtschule. Das angemalte Stück Berliner Mauer an der Grundstücksgrenze hätte zu beidem gepasst. Menschenleere Betongegend.

Schule Heidberg, gesehen vom Hügel nebenan. Sie ist leer.
Ist es ein Gefängns? Ist es eine Schule? Es ist in Heidberg.


Ich brachte mich zurück von den Randbetrachungen. Des Schwimmens wegen war ich gekommen. Des Schwimmens wegen im Heidbergbad.

Bei vielen Themen, über die ich im Frühjahr 2020 schreiben könnte, frage ich mich derzeit: Gibt es das in einem halben Jahr noch? Wird es relevant sein? Hier fällt mir die Antwort leichter: Das Braunschweiger Heidbergbad wird in einem halben Jahr nicht mehr existieren. Es existierte schon 2019 nicht mehr.

Mittwoch, 25. März 2020

Warten auf das VPN

Während ihr darauf wartet, dass die Verbindung ins Intranet endlich ohne Verzögerung zustandekommt, könnt ihr bei Madame Poupou nachlesen, wie das mit dem Sauerteig funktioniert. Oder ihr macht etwas sinnvolles und fragt Euch: "VPN was ist das?". Mehr dazu steht auf Fahrrad-Datenautobahn: VPN im Home Office – wie funktioniert das?

Donnerstag, 19. März 2020

Veggie Wellington - das Rezept

Zeigt Geschmack Charaktereigenschaften? Ist erdiger Geschmack tough und stamdfest? Wenn ich mir erdigen Geschmack vorstelle, Beete, Pastinaken, Rüben, Kürbis, Nüsse, Kastanien, denke ich an einen Fantasy-Zwerg in voller Rüstung mit langem Vollbart, gekreuzten Armen und einem Blick, der Unheil verspricht.

Vegetarisches Wellington auf Schneid- und Servierbrett (southpark's cutting edge)
Hallo, ich bin ein Veggie Wellington


Mit Wucht, die der Geschmack aus seiner festen Verwurzlung zieht. Etwas unbeweglich vielleicht. Aber das ist in Zeiten von Social Distancing ja eine gute Maxime. Nicht frühlingshaft mit Eis davonschweben, sondern entschlossen mit Kürbis, Pilzen und roter Beete zu Hause bleiben.

Vegetarisches Wellington: Der erdige Tiefschlag in der Mitte, saftig, damit er die Kehle hinabgleitet. Umspielt vom crunchy-sanften Blätterteig. Emporgehoben vom frisch schmeckenden Spinat. Das ist Veggie Wellington. Inspiriert vom Beef Wellington. Inzwischen ein fester Bestandteil der britischen Festtags- und Sonntagsküche.

Über die Hintergründe des Gerichts schrieb ich an anderem Ort. Es folgt das Rezept:

Zeit


Koch-, Ruhe- und Backzeit: 2 bis 2,5 Stunden

Zusätzliche Arbeitszeit: Größere Mengen an Kürbis, Roter Beete und Zwiebeln in kleine Stücke schneiden. Die Rolle zusammensetzen. Alles andere kann geschehen, während andernorts etwas kocht oder bäckt. Eine halbe Stunde.

Beim ersten Versuch Zeit einplanen, um Youtube-Videos zu sehen, die das Zusammensetzen erklären.

Zutaten

Dienstag, 17. März 2020

Was ist Vegetarisches Wellington?

„Dänemark hat eine Landgrenze zu nur einem anderen Staat. Welcher ist es?“, schreit es mir ins Ohr. Ich zucke zusammen. Träumte ich gerade friedlich im Londoner Gastro-Pub von Pilzkroketten und Lammschulter, trötete mir nun ein Lautsprecher ins Ohr. „Frage 2: Welcher englische Fußballclub hat den Spitznamen Tractor Boys?“, brüllte mich der Lautsprecher an. Das Pubquiz in einem der Seitenräume im The Grove hatte begonnen.

„Frage 3: Angenommen es gibt eine weltweite Pandemie und sie sitzen zu Hause fest. Was machen Sie?“ Eine mögliche Antwort wäre „kochen“ gewesen. Aber die Frage stellte er nicht. Noch war es Ende Februar. Die ersten Fälle von Covid-19 waren zwar in Norditalien ausgebrochen. Aber das fühlte sich weit entfernt an. Im Londoner Außenbezirk Ealing saßen die Menschen bei Craft Beer und Mac ‚n‘ Cheese zusammen. Nur gestört vom Rauschen des Lautsprechers.

Ein Veggie Wellington aus Schneidebrett. Im Hintergrund die Küche.
Das ist Veggie Wellington


Unsere Gedanken kreisten um die Kronkorken-Installation im British Museum. Wir priesen die Tabletten-Installation im British Museum. Wir waren peinlich berührt, dass wir die Benin-Brozen in Berlin nie gesehen hatten. Wir unterhielten uns über seltene Orchideen. Wir fragten uns, warum die großen Londonern Museen und Parks „Volunteer Guides“ haben. Es sind ehrenamtliche Führer. Die leiten Besucher mit Wissen und Begeisterung im Auftrag des Museums durch die Sammlung.

Oder genauer: Wir fragten uns, warum es diese in Deutschland nicht gibt. Der Botanische Garten Berlin. Die Museumsinsel. Es gibt tausende pensionierte Studienräte, die mit viel Engagement und Wissen durch deren Sammlungen führen würden. Warum dürfen sie nicht?

Sunday Roast im Gastropub


„Fra..“. Der Kellner sprintete aus unserem Raum um die Ecke. Er musste dem Quizmaster die Bedienung des Mikrofons erklären. Der Lautsprecher verstummte. Ich träumte wieder von Pilzkroketten. Mein Blick wanderte über die Angebotstafel mit Poached Egg und Lachs, auf den Küchen-Pass, den wir sehen konnte. „Das sieht gut aus. Was ist das?“ Eine Teigrolle, eine bordeauxrote Füllung mit Farbtupfern. Appetitlich, neugierig machend.


Samstag, 7. März 2020

Nerven-Zerrüttungs-Plattform Twitter

Eine der besten Entscheidungen des neuen Jahres war es, Twitter einzuschränken. Zum wie und warum schrieb ich mehr auf Fahrrad-Datenautobahn: Wie Twitter in den Wahnsinn treibt.

Freitag, 21. Februar 2020

Schwimmhalle Weinstraße Friedrichshain - verschwunden

Der Aldi. Das Handy. Der Blick. Staunend schaue ich über den Supermarktplatz. Dann wieder auf das Handy. Ich betrachte mein E-Mail-Programm. Das Friedrichshain-Kreuzberg-Museum teilt mir mit:

Sehr geehrter Herr Franke,
die Adresse Weinstr. 9 als auch die Schwimmhalle an diesem Ort existiert noch. Siehe  internet über Öffnungszeiten usw.

Nun war ich schon in der Weinstraße, hatte dort vergeblich nach einem Bad gesucht. Aber ich kann mich irren. Immerhin hatte ich mich an das Museum gewandt, da ich auf seine Kompetenz vertraute. Wieder radle ich aus Schöneberg Richtung Volkspark Friedrichshain und durchstreife dessen südliche Randbebauung.

Ich stehe in der Weinstraße, dort wo das Schwimmbad einst war – und sehe einen Aldi. Sein Parkplatz spärlich gefüllt, der Aldi-Bau ein Standardbau in einem Dunkelbraun, das kein Mensch je brauchte. Kein Schwimmbad, nicht einmal ein umgenutzter Schwimmbadbau.

Blick gegen die Sonne auf den Aldi in der Weinstraße Berlin-Friedrichshain. Der Parkplatz ist leer.
Weinstraße 9. Ein Parkplatz. Ein Aldi. Kein Schwimmbad.


Das Bad bleibt wie vom Erdboden verschluckt. Meine über lange Jahre Wikipedia antrainierten Internet-Recherchefähigkeiten erbrachten nichts zu „Öffnungszeiten“ usw. Das Bad ohne Spuren, ohne Hinweis. So unauffällig und spurlos verschwand es, dass das Friedrichshain-Kreuzberg-Museum knapp 20 Jahre später nicht bemerkt hat, dass die Schwimmhalle nicht mehr steht.

Ich schiebe mein Fahrrad durch die umliegenden Straßen. Ich entdecke ein Ostalgie-Restaurant, ein christliches Hilfswerk, eine Privatschule und eine Gedenkstätte für das Frauengefängnis Barnimstraße. Ein kleiner Hinweis auf das Ex-Schwimmbad steht dort: An der anderen Seite der Kreuzung steht eine Sporthalle mit VT-Falte, die dem typischen Dach der Ostmoderne.

DDR-Sporthalle in der Weinstraße Friedrichshain.Graffitti-übersäht. Die Merkmale der Ostmoderne im Bau sind zu erkennen.
Sporthalle nahe der Weinstraße. Ein letzter Hinweis.


Ist es das Schwimmbad? Nein. Wurde es gleichzeitig mit diesem gebaut? Vermutlich.

Basketball ist nicht schwimmen. Ich schiebe das Rad nach Norden. Setze mich an Ludwig-Hoffmanns-Märchenbrunnen. Ich sinniere dem Hallenbad hinterher. Anfang der 1970er-Jahre. Das verschwundene Schwimmbad Weinstraße ist nicht eines. Es ist das DDR-Typenbau-Schwimmbad. Das erste Bad des Typs C – des lichtdurchfluteten Barcelona-Typs. Hier wurde er entwickelt, setzte die lange Tradition Friedrichshains als Schwimmbad-Pionier fort. Nie waren die Dachwellen mutiger, nie die Flächen geräumiger. Nie gab es mehr Licht. Nie vermochte es sich ein DDR-Typenbau mehr aus der Grundpiefigkeit seines Staates zu lösen.

In der Weinstraße begann die Geschichte von Typ C. Und es verschwand spurlos. Im Jahr 2000 endete dort der öffentliche Badebetrieb. 2001 schwamm zuletzt ein Vereinssportler im Becken. 2002 wurde die endgültige Schließung offiziell. Zwischen 2002 und 2008 kamen die Abrissbagger.

Chronologie eines Verschwindens

Mittwoch, 12. Februar 2020

Auf der Suche nach Fo350.

Wie ich Tage lang einer eingebetteten Schrift in einem PDF nachjagte. Und entdeckte, dass die Lösung in Scribus liegt. Nachzulesen auf Fahrrad-Datenautobahn: Type3 Schrift Scribus in PDF.

Sonntag, 9. Februar 2020

iPhone für die Eltern?

Tüddelkram oder sinnvoll? Welche Apps braucht es? Gängelung oder liebevolle Vorsorge? Die Familie ist uneins.Die ganze Story steht nebenan: Ein Smartphone für Mama.

Montag, 27. Januar 2020

Schwimmen, plantschen und lesen in der Fontane-Therme Neuruppin

Hchuuuu- platsch- hchuuuuu – platsch. Er erreicht meine Ohren, dieser unverkennbare Sound des Delphin-Schwimmens. Oberkörper aus dem Wasser wuchten, nach vorne durch die Luft werfen – hchuuu – und mit dem ganzen Körper zurück ins Wasser – platsch. Ungläubig senke ich das Buch, rolle mich im Bademantel ein Stück nach links und linse ins Wasser. Hchuuuu – Platsch. Unverkennbar. Eine Frau schwimmt Delphin. Beziehungsweise schwimmt sie den Stil nicht mehr. Nach einer Rollwende krault sie im formvollendeten Freistil davon.

Ich bin überrascht. Und auch wieder nicht. In der Fontane-Therme kann der Besucher im Morgenmantel auf dem Liegestuhl lümmeln, Juan Morenos „1000 Zeilen Lüge“* lesen und an Cocktails denken (ich). Oder die Besucherin kann Delphin schwimmen (sie).

Die Fontane-Therme im Resort Spa Hotel Mark Brandenburg vermarktet sich nicht als Sportbad. Bei Weitem nicht. Das Wort „Sport“ wirkt in diesem Umfeld ähnlich passend wie eine Kettensägen-Schnittschutzhose. Die angestrebte Stimmung ist „Sole-Schwebebecken bei leiser Musik.“

Nachts auf dem Weg zur Fontanetherme. Der Gang zwischen Hotel und Therme ist beleuchtet.
Auf dem Weg zur Fontanetherme.


Aber Sport funktioniert. Das Becken ist tief genug (1.30m) und lang genug (25 Meter), um ernstlich darin zu schwimmen. Dank etwas, dass die Therme „Wohlfühldichte“ nennt und das faktisch einen frühzeitigen Einlassstopp bedeutet, bleibt genug Platz zum schnellen Vorankommen. Zumal die anderen Anwesenden sich auf Seesauna, Bibliothek, Solebecken und Bistro verteilen.

Sonntag, 12. Januar 2020

Museum Europäischer Kulturen, Wikipedia. DDR-Dudelsäcke

Die Wikipedia-Community traf sich im Museum Europäischer Kulturen, um zu Comics auf dem Balkan und zur DDR-Alltagskultur zu forschen. Den Blogpost findet ihr mit "Mit dem Fahrrad auf der Datenautobahn": Wikipedia im MEK forscht zum Dudelsack der DDR.