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Freitag, 2. August 2019

Feuerqualle Nordsee gefährlich?

Rote Quallen in der Nordsee sind unangenehm. Das Berühren ihrer Tentakel schmerzt. Die Feuerquallen sind nicht gefährlich, aber das Schlimmste, was einem Schwimmer an der Nordseeküste begegnet. Die Nesseln der Feuerqualle brennen. Sie lassen sich behandeln mit Essig oder Salzwasser. Keinesfalls mit Süßwasser oder Alkohol. Bei starken Schmerzen und erst Recht bei allergischen Reaktionen sollte die Badeaufsicht oder ein Arzt aufgesucht werden.

Büsum. Die ersten Tage des Junis 2019 liegen hinter uns, der sich zum heißesten Juni seit Beginn der Aufzeichnungen entwickeln würde. Wir Baden wie jedes Jahr zu Pfingsten an. Dank Osterparadox und spätem Pfingsten findet unser traditionelles Nordseeanbaden ungewöhnlich spät statt. Die Nordsee hat kuschelige 15 Grad Wassertemperatur erreicht. Im Gegensatz zu manch anderem Jahr sind wir nicht alleine.

Jellyfish North Iceland
Die Feuerqualle ist hübsch. Aber besser mit Abstand bewundern. Bild: Cyanea capillata in North Iceland waters von: Smiley.toerist Lizenz: Creative Commons Attribution-Share Alike 4.0 International license.

An der frisch renovierten Büsumer Perlebucht trauen sich weitere Touristen ins Meer. Ganze Kleinfamilien laufen die Amphitheater-ähnlichen Stufen hinunter. Jetzt, etwa eine halbe Stunde vor dem Hochwasser, sehen wir sogar einzelne mutiger ältere Männer und jüngere Frauen im Wasser schwimmen.

Die Quallendichte ist erheblich. Zu Beginn des Sommers, am Anfang ihres Lebens, sind die ersten blauen Nesselquallen so groß wie 2-Euro-Stücke. Dennoch laufe ich Slalom an diesen vorbei. Laufe einige Schritte rückwärts. „Pass auf!“, ruft Madame, "Feuerqualle". Inmitten ihrer harmlosen blauen Cousins hat sich eine rote Qualle verirrt. Ebenfalls nur so klein wie ein 2-Euro-Stück. Aber deutlich unangenehmer. Ich verharre. Ich warte. Nach einigen Minute hat die Strömung der See mir einen quallenfreien Weg in das tiefere Wasser freigetrieben.

Ich schwimmen die ersten Züge. Genieße die Wellen, die Sonne, die Sicht auf das Meer bis zum Horizont. Der salzige Geschmack auf den Lieben zeigt mir, dass ich zu Hause angekommen bin. Die selbst bei Sonne und Windstille stets vorhandenen Strömungen zeigen: „Hier ist kein Teich. Hier ist erst recht kein Becken. Hier ist richtiges Meer.“ Das beste Schwimmen des Jahres.

Und dennoch, den Gedanken an die Feuerqualle werde ich nicht mehr los. Auch mit vielen Jahren Abstand sind die Erinnerungen an unser gelegentliches Zusammentreffen damals nicht verschwunden: Rötung und Quaddeln. Von Schwindeln und Kopfschmerz blieb ich immer verschont. Der Schmerz beeindruckte mich nachhaltig.

Cyanea capillata IMG 5657 ersvika
Nicht in das Wasser gehen: Feuerquallen-Schwarm. Bild:  Cyanea capillata (EN: Lion's Mane Jellyfish. NO: Rød brennmanet), in the bay at Ersvika, Hurum (Buskerud county, Norway) von: Bjoertvedt Lizenz: Creative Commons Attribution-Share Alike 4.0 International license.

Cyanea capillata


Die Feuerqualle der Nordsee, biologisch Gelbe Haarqualle und noch biologischer Cyanea capillata kommt im nördlichen Atlantik und seinen Randmeeren vor. Küstennah treffen Badende meist auf kleinere Exemplare. Die Quallen können bis zu 1,50 Meter große Schirme hervorbringen. Die Tentakel werden im Normalfall bis zu 10 Meter lang. Je weiter im Norden und je kälter das Wasser desto größer wachsen die Quallen. In Nord- und Ostsee erreichen Quallen einen Durchmesser von höchstens 40 Zentimeter. Die Tentakel können bei Nordseequallen länger als ein Meter werden.



Die Größte je gefundene Feuerqualle wurde an der Ostküste der USA angetrieben. Dort wurde ein totes Tier angeschwemmt. Sie hatte einen Schirmdurchmesser von 2,30 Meter und Tentakel von 37 Meter Länge. Das ist länger als ein Blauwal. Je nachdem wie man die Frage stellt, lässt sich die Feuerqualle als längstes Tier der Erde bezeichnen.

Lion's mane jellyfish in Gullmarn fjord at Sämstad 6
Nicht berühren. Bild: Lion's mane jellyfish in Gullmarn fjord at Sämstad 6 von: W.carter Lizenz: Creative Commons CC0 1.0 Universal Public Domain Dedication.

Wo ich bei den Superlativen bin: Die Nesseltiere, zu denen die Quallen gehören, gehören mit einem Alter von über 500 Millionen Jahren zu den ältesten Tiergruppen überhaupt. Auch wenn von den weichen Quallen naturgemäß kaum Fossilien erhalten bleiben.

Häufig beobachten wir die Qualle am Ende des Sommers. Die Tiere werden nur ein Jahr alt. Im Spätsommer und Frühherbst haben sie ihr Lebensende erreicht und die maximale Größe gewonnen. Da die Tiere kaum in der Lage sind, aus eigener Kraft die Richtung zu ändern, sind sie auf die Strömungen angewiesen. Je größer die Feuerquallen sind, desto eher werden die Tiere in flache Küstengewässer getrieben in denen sie dann ihr Leben beenden.

Cyanea capillata til venstre de to til høyre Metridium senile
Feuerquellen-Stillleben. Bild: Cyanea capillata til venstre de to til høyre Metridium senile von: Per Harald Olsen / NTNU, Faculty of Natural Sciences and Technology Lizenz: Creative Commons Attribution 2.0 Generic license.

Eng verwandt ist die Gelbe Haarqualle mit der harmloseren Blauen Nesselqualle, die gerne wie hier vor Büsum, mit dieser zusammen vorkommt. In die entferntere Verwandtschaft gehört die harmlose weiße Ohrenqualle - die häufigste Qualle an Nord- und Ostsee.


Das Gift


Das schmerzende Gift der Qualle hält Schwimmer auf Abstand. Die Gelbe Haarqualle weiß dies zu schätzen. Vor allem aber soll es dazu dienen, Opfer zu lähmen. Die Feuerqualle kann die betäubten Tiere mit den Tentakeln an sich ziehen und verspeisen. Einige Tiere, die mit dem Gift klarkommen oder den Tentakeln erfolgreich ausweichen können, nutzen die Quallen als treibenden Schutzschirm. Bestimmt Krabbenarten etwa halten sich im Schutz der giftigen Tentakel auf, da dort kaum Fressfeinde freiwillig hinkommen.

Haarqualle (Cyanea capillata)
Abbildung einer Feuerqualle. Bild: Haarqualle (Cyanea capillata) Zeichnung von Julius Fürst. Aus dem Buch Schleswig-Holstein meerumschlungen in Wort und Bild von Hippolyt Haas, Hermann Krumm u. Fritz Stoltenberg aus dem Jahr 1896. Public Domain.

Das Gift stammt aus den 500 bis 1200 Tentakeln der Qualle. Jedes dieser Tentakel hat Fantastillionen Nesselzellen. In den Zellen sind Nesselfäden gespannt. Werden sie ausgelöst, sorgt der Innendruck von etwa 150 Bar (Vergleich: Autoreifen gut 2 Bar, straff gepumpter Fahrradreifen 6 Bar), dafür dass ein kleiner Pfeil die Haut durchdringt und das Gift unter der Haut verteilt - in fantastilliardenfacher Ausfertigung. Im Gift finden sich verschiedene Proteine, die entweder zellauflösend oder nervenschädigend wirken.

Lion's mane jellyfish, or hair jelly, Cyanea capillata, the largest know jellyfish in Newfoundland, Canada. (20769064483)
Unheimliche Qualle? Bild: Lion's mane jellyfish, or hair jelly, Cyanea capillata, the largest know jellyfish in Newfoundland, Canada. von: Derek Keats from Johannesburg, South Africa Lizenz: Creative Commons Attribution 2.0 Generic license.

Die Nesselzellen und Tentakel bleiben noch einige Zeit nach dem Tod der Qualle aktiv. Auch offensichtlich tote Feuerquallen sind gefährlich. Besonders fies sind abgerissene Tentakel, die durch das Meer treiben, immer noch Nesseln und nicht zu sehen sind.

Essig, Sand und Kreditkarten


Die Behandlung der Nesselfäden erfolgt in nichtallergischen Fällen in zwei Schritten. Zuerst gilt es die Tentakel/Nesseln von der Haut zu entfernen, die nicht ausgelöst haben. Danach kann man versuchen das Gift in seiner Wirkung zu mindern.

Lion's mane jellyfish in Gullmarn fjord at Sämstad 11
Cyanea capillata posiert. Bild: Lion's mane jellyfish in Gullmarn fjord at Sämstad 11 von: W.carter. Lizenz: Creative Commons CC0 1.0 Universal Public Domain Dedication.

Zum Entfernen eignen sich das Abspülen mit Meerwasser oder Essig. Das – vorsichtige – Einreiben mit Sand und das Abschaben mit Hilfe einer Kreditkarte, einem Messerrücken oder Ähnlichem. Bitte nur mit leichtem Druck schaben, sonst werden weitere Nesselzellen aktiviert. Die Hautstelle sollte nicht gerieben werden. Das löst weitere Nesselzellen aus.

Nicht empfehlenswert sind Süßwasser oder Alkohol, da dies erst die Nesselzellen auslöst – schlechte Idee. Rasierschaum soll angeblich dafür sorgen, dass sich die Nesselzellen in den Schaum entladen. Ich bin skeptisch.

Das Gift lässt sich mit Hilfe von Hitze bekämpfen. Entweder kann man heißes Wasser um die 45 Grad nutzen oder einen Mückenstich-Hitzestift. Dieser sorgt dafür, dass das Protein im Gift gerinnt, das Gift an Wirkung verliert.

Allerdings sind 45 Grad auf der Haut heiß und unangenehm. Eine Stelle, die eh schon die Symptome einer Verbrennung aufweist mit Hitze behandeln, muss man wollen.
Auf die Dauer hilft Eis, die Stelle zu kühlen und den Schmerz zu lindern. Medikamente wie Antihistaminika oder Cortison können ebenfalls helfen.

Büsum konfliktfrei


Diesmal aber geht es ohne Konflikte aus. Die getönte Schwimmbrille nahm ich mit. Manchmal möchte ich drei Sekunden Zweifeln. Ich möchte  denken es sieht affig aus als Einziger mit Schwimmbrille im Meer zu Baden. Dann aber denke ich „ich bin auch der einzige Anwesende, der beim Schwimmen den Kopf unter Wasser hat, Augen auf Tentakelhöhe“ und es beruhigt.


Quallenfreier: Büsumer Watt.

Ich schwamm nur einige Minuten. Aber die Bewegung, die Nordseeluft, die Sonne und diese Strömung: müde und hungrig begeben wir uns vorbei an Hochhaus und Piratenmeer Büsum auf den Weg zu Fisch-Möller im Hafen von Büsum und Essen eine Scholle.

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Weniger schmerzhaft: die blaue Nesselqualle: Qualle blau Nordsee gefährlich.

Quallenfrei in Büsum: ein Besuch im Wellenbad: Piratenmeer Büsum.

Alles zum Thema Wasser und Schwimmen: Schwimmbäder (und Badestellen und Seen) nah und fern.

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