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Dienstag, 25. Juni 2019

Hallenbad Frankfurt-City. Schwimmen im Stadtbad Mitte.

In Frankfurts Mitte steht ein Geheimbad. Noch innerhalb der Wallanlagen liegt ein öffentliches Hallenbad. Allerdings weiß niemand davon. Denn, was ein öffentliches Bad ist, tarnt sich als Fitnessclub.

Blick auf das Stadtbad von den Wallanlagen aus. Zwei Fahrräder im Vordergrund.
Stadtbad Frankfurt Mitte. Von den Wallanlagen aus ist noch die ursprüngliche Schwimmbadform erkennbar.
 
„Yalla. Meine Cousine hat Nagelstudio wo sie so nach Hause kommt. Hat lauter Russen als Kunden, die die Klappe halten. Yalla, warum soll sie dem Staat sagen?“ Ich sitze vor auf der Bank im kleinen Park vor dem geschlossenen Stadtbad Schöneberg in Berlin und höre die örtlichen Geschäftsnachrichten. Voller Enthusiasmus war ich zur benachbarten Bibliothek gefahren, Carmen Rohrbachs „Solange ich atme“ abholen.

Natürlich schaute ich nicht nach den Öffnungszeiten. Um 10.30 Uhr vormittags wird eine öffentliche Bibliothek ja wohl geöffnet haben. Oder auch nicht. Nun also sitze ich auf der Bank zwischen Bibliothek und Schwimmbad, warte auf eine Bibliothekarin, die mir die Tür öffnet und erkläre im Fünf-Minuten-Takt enttäuschten Familien, dass das Stadtbad Schöneberg bis November 2019 geschlossen sein wird. Und, Yalla, erfahre mehr über nagelpflegende Cousinen und ihr Geschäft als ich je wissen wollte.



Meine Gedanken wandern auf die letzte Parkband neben dem letzten Schwimmbad an dem ich solche Konversationen hörte. Nicht in Berlin sondern in Frankfurt. Es redeten nicht zwei Achtzehnjährigen Jungs mit Basecaps sondern ein Endzwanziger im Anzug, der an mir vorbei durch die Frankfurter Wallanlagen eilte, fast in sein Handy schrie:  „Damit der Drittleser sieht warum wir so viel Volumen brauchen, um Geld zu verdienen“ und verschwand.

Blick vom Hallenbad aus Richtung Wallanlagen. Ein See, Bäume mit herbstlich gefärbtem Laub. Im Hintergrund zwei Wolkenkratzer.
Wallanlagen vom Hallenbad aus



Das Stadtbad Frankfurt Mitte


Das Stadtbad Frankfurt Mitte wurde 1960 als kommunales Bad eröffnet. Sein Bau fiel in die Zeit als in Westdeutschland (und Westberlin) zahlreiche neue Hallenbäder entstanden, die die neue Zeit symbolisieren sollten: voller Luft und Licht, mit schwebenden Formen und einer gefühlten Leichtigkeit (Beispiel in Berlin: Stadtbad Wilmersdorf I).

Hinfort mit den Volksbädern mit den dicken Wänden und kleinen Fenstern! Hinfort mit der wilhelminischen Wucht, die sich noch in zahlreichen vorhandenen Hallenbädern der Zeit zeigte. Herbei mit Weite und Schwerelosigkeit!

Das großzügig geplante Bad entstand an den Frankfurter Wallanlagen. Die Einbettung in den Park, der optische Übergang vom Innen zum Außen gehörte über die Jahrzehnte des Badebetriebs zum Konzept.

Die Kreuzung am Eschenheimer Turm mit Blick aus Richtung Hochstraße. Im Vordergrund ein Taxi.
Zentrale Lage. Eschenheimer Turm, nur eine Boßelkugel-Wurfweite vom Schwimmbad entfernt.


Dann kam die Wende. Die Kommunen orientierten sich um, beschlossen gewinnorientiert zu arbeiten und Hallenbäder als unrentable Reminiszenzen an vergangene Zeiten loszuwerden.

Ganz wollten die Frankfurter Stadtväter sich nicht vom zwischenzeitlich denkmalgeschützten Bad trennen, so dass es zu einer Public-Private-Partnership kam. Der Hilton-Hotelkette fiel das Bad zu und mit ihm das Recht, Teile des Bads abzureißen und ein Hotel um das Bad zu bauen.

Seitenfassade des Hiltons. Ein großer Block Wand mit Hilton und Fitness First Logo.
Der Badbau sollte 1960 Leichtigkeit ausstrahlen, nahezu schweben. In den 1990ern wurde er umgebaut und Teil eines Hotels. Tschüss Leichtigkeit.


Zugleich verpflichtete sich Hilton das Bad für mindestens 45 Stunden in der Woche für die Öffentlichkeit offen zu halten. Einige Jahre betrieb das Hilton das Bad selber, sourcte den Betrieb aber schließlich an die Fitnessclubkette Fitness First aus, die um das Bad herum einen Fitnessclub betreibt.

Eine ähnliche Situation existiert in Berlin in der ehemaligen Zehlendorfer Welle: bei beiden Bädern ist die Erfahrung für den potentiellen Besucher eine ähnliche: die Existenz des Bades ist Geheimwissen.

Weder Hilton noch Fitness First noch die Stadt Frankfurt geben öffentliche Hinweise, dass das Bad geöffnet hat. Um die Öffnungszeiten zu erfahren reicht eine einfache Internetrecherche nicht aus. Tatsächlich war das Beste was ich fand Forumsbeiträge älteren Datums, die sich vor allem darüber beschwerten, dass niemand die Öffnungszeiten findet. Hat man es aber einmal zur richtigen Zeit an den richtigen Ort gebracht, empfängt einen eine professionelle Höflichkeit.

2018 im Herbst hatte das Bad für die Öffentlichkeit wochentags von 6.30 bis 15.30 Uhr geöffnet.

Von außen ist kein Zeichen zu erkennen, dass hier ein Schwimmbad steht. Nun ja, da ist die etwas eigenwillige Form des Daches. Aber auch die wird von der Hilton-Fassadengestaltung überdeckt, die das Gebäude optisch zu einem Teil des Hiltons macht. Die Fenster liegen hoch, sind im unteren Teil nicht wirklich transparent. Wenn man es nicht weiß: Hier gibt es keine Chance, das Schwimmbad zu erkennen.

Es existiert auch keine Aufschrift. Keine Öffnungszeiten, kein Nichts. Von diesem Schwimmbad muss man wissen.

Gebäude


Um zum Bad zu gelangen lief ich in Frankfurt die Hochstraße entlang – eine Straße, die halb wie die schmuddelige Rückseite der Innenstadt wirkt, halb aber auch Teil des Bank-Hochhaus-Areals ist, das hier beginnt. Das Hilton selbst sieht sich natürlich als Teil des letzteren. Hier stehen neben den Taxen schwarze Range Rover und teure BMWs vor der Tür.

Fassade des Hiltons Frankfurt von der Hochstraße aus gesehen.
Hilton-Fassade zur Hochstraße


Die hauseigenen Bar heißt nach dem Investmentbanker Gordon Gekko aus  „Wolf of Wall Street“  „Gekkos“ – immerhin laut American Film Institute die Nummer 24 auf der Liste der Top-50-Filmbösewichte aller Zeiten – der Bankerhumor wirft neben dem Stadtbad Mitte kräftige Wellen.

Das Stadtbad Mitte ist in den Resten seiner Grundstruktur noch erkennbar. Eine Halle mit einem wunderbar geschwungenen 1950er-Dach, die sich mit breiten Fensterfronten in einen Park hinaus öffnet. Teile des ehemaligen Bades allerdings fielen dem Hotel zum Opfer. Die ehemals leichte, schwebende Gesamtanlage wurde durch den massiven Hotelblock zerstört.

Ins Bad gelangt man durch den Eingang „Fitness First“, der versteckt auf den linken Seitenflügel  hindurchführt, sorgsam die Fitnessbesucher von den Hiltonbesuchern trennend. Links dominieren Fahrräder und grellbunte Funktionsjacken. Rechts prägen Valet Parking und Maßanzüge die Atmosphäre..

Eingang zum Fitness First Stadtbad Mitte in der Fassade des Hiltons
Eingangsbereich. Nicht etwa die Drehtür, sondern die kleine Tür links daneben.


Dafür dass Fitness First eigentlich eine Nobel-Fitness-Kette ist, wirkt der Eingangsbereich handgestrickt und selbstgebaut. Vom Tresen aus kann ich Geräte und die Fitnesshalle sehen. Ich bin nicht beeindruckt. Mich erinnert das Ambiente eher an meine alten Schulturnhalle als an andere Fitness Firsts oder Holmes Places oder vergleichbare Clubs. Allerdings sei gesagt, dass 50 Meter weiter die Straße hoch ein weiterer deutlich nobler wirkender Club der Kette ist – wahrscheinlich ist hier nur kleine Außenstelle neben dem Schwimmbad.


Umkleiden/ Duschen


Nach der Begrüßung geht es durch eine Tür zu einer Reihe weißer Kabinen. Wieder staunte ich. Wieder hatte ich eher das Gefühl bei diesen weißen Plastikkabinen in einem öffentlichen Berliner Bad zu sein als im Hilton. Die Duschen lagen auf dem Gang. Vier Duschkabinen, je einzeln mit einem Vorhang blickzuschützen, und unisex. Zuletzt sah ich diese Art Duschvorhänge am öffentlichen Ort als in Berlin-Marzahn die Tür zum Duschbereich kaputt war.

Die Fliesen waren groß und rotbraun und neuerer Art. Keine klassischen Schwimmbadfliesen. Da ich im Urlaub war, nur das nötigste gepackt hatte, und Barfuß lief, kam mir immerhin zupass, dass die Fliesen eine überzeugende Antirutsch-Oberfläche besaßen.

Schwimmhalle


Und dann, hach, das hier könnte der ultimative Hotelpool sein. 25 Meter lang. 6 Bahnen breit. Im hinteren Teil war das Becken zwei Meter tief. Hier steht ein echtes Schwimmbad und kein als Bad getarnter Pool wie in Zehlendorf oder im Prenzlauer Berg. Hier kann man richtig schwimmen. Hier sind Bahnen abgetrennt. Hier hat die Halle Höhe, das Wasser Tiefe. Es gibt ordentliche Kacheln. Eine ordentliche Überlaufrinne (Wiesbaden, hoch).

Blick aus den Wallanlagen im Herbst auf die zentrale Fensterfront des Stadtbads Mitte
Schwimmhalle von den Wallanlagen aus


Überraschend: die „Tiefe“ von nur einem Meter am vorwärtigen Beckenende, die anfangs bei fahrlässigen Wenden und Pausen meinerseits mehrfach dazu führte, dass ich mir Knie und/oder Zehen am Beckenrand stieß. Und die durch einen Knopf zu bedienenden beiden Massagedüsen, die in diesem offensichtlichen reinen deplaziert wirken. Aber vielleicht wird das Bad anders genutzt, wenn es allein dem Fitnessclub gehört.

Nichtschwimmerbecken existieren nicht mehr. Diese fielen ebenso wie das Sprungbecken dem Teilabriss zum Opfer.

Publikum


Als ich kam waren sechs Bahnen geleint und genau sechs Menschen waren im Becken. Die Männer trugen Badekappen, was deutlich sagt, dass hier sportlicher Ehrgeiz im Vordergrund stand. Zahlreiche Bretter, Paddles und Pull Buoys waren im Wasser oder lagen am Beckenrand. Auch Flossen habe ich gesehen. Ich glaube in der ganzen Zeit, die ich im Stadtbad Mitte war, sind zwischen allen Beteiligten zusammen vielleicht vier Sätze gewechselt worden. Sonst hörte ich nur das Schwapp des Wassers, das Surren der Lüftung.

Wobei ich auch sagen muss: wenn ich „meine“ Berliner Sportbäder in Schöneberg, im SSE oder in Gropiusstadt (SG Neukölln) denke: So richtig geil war das nicht, was die Frankfurter ablieferten. Ordentlich und solide und ehrgeizig schwammen sie, zweifellos besser als ich. Aber der Wow-Faktor, der mich in gewissen Berliner Sportbädern überfällt, in denen ich vor Ehrfurcht spontan auf die Knie fallen möchte – der blieb hier komplett aus.

Gastronomie


Gab’s nicht. Ins „Gekkos“ wollte ich nicht gehen.

Blick von der Querstraße auf das Gekkos im Frankfurter Hilton. Davor ein schwarzer Range Rover.
Willkommen im Gekkos



Öffnungszeiten / Preise


Geöffnet wochentags von 6.30 bis 15.30. An den Preis erinnere ich mich nicht mehr genau. Er lag aber im Vergleich zu anderen Bädern im normalen Bereich. (und deutlich unter dem, was  „Fitnesclub-Tageskarten“ kosten)

Sonstiges


Bis zum Besuch glaubte ich, dass man ab 1,35 Meter Wassertiefe einen Schwimmmeister benötigt. Dem scheint nicht so zu sein. Die Aufsichtsperson hielt sich nur unregelmäßig in der Halle auf. Am Beckenrand hing  ein Schild dass No LIfeguard on Duty sein und Schwimmen auf eigene Gefahr erfolge. 

Fazit


Die Stadt Frankfurt betreibt eine Website auf der alle öffentlichen Bäder in der Stadt gelistet sind: dieses fehlt. Am Rande der City liegt Frankfurts überraschendstes Bad.

Hilton Frankfurt City mit erkennbarer ehemaliger Schwimmbadfassade
Viel Hotel. Ein verstecktes Schwimmbad. Wer es findet, dem winkt Belohnung.
Eigentlich sowie ich es mag: wenn man mal das Hotel nebenan ignoriert sind Club und Becken extrem unprätentiös. Die hoffnungsvolle 50er-Jahren-Architektur ist immerhin in ihren Grundformen noch erkennbar. Und hier wird geschwommen.

Allerdings ist das Bad so versteckt, dass es fast nur Mitglieder eines teuren Fitnessclubs anzieht. Mir wäre das auf die Dauer zu homogen, zu langweilig, zu sehr ginge dem Bad der Charakter eines wirklich öffentlichen Schwimmbades ab. Und etwas mehr Spaß am der Sache dürften alle Beteiligten ausstrahlen.

Weiterlesen


Die Wikipedia bietet einige Zeilen mehr zur Geschichte des Bades.

Auch ein Ex-Schwimmbad, das ein Hotel wurde. Aber sonst in jeder Hinsicht anders: das Stadtbad Prenzlauer Berg.

Alle Iberty-Schwimmbadposts unter: Schwimmbäder nah und fern. Rückblick und Ausblick.

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