Mittwoch, 17. April 2019

Alte Bäder Baerwaldstraße, Oderberger et cetera. Die Schwimmbäder Ludwig Hoffmanns.

Wir laufen durch die Straßen des Weddings. Madame, einige Wikipedianer und ich: auf Stadterkundung durch Berlin. Dr. Fieselschweif stupst mich an:

„Schau mal die Schule! Ein Hoffmann-Bau!“ 

Ich bleibe mäßig interessiert.

Dr. Fieselschweif setzt nach: „Interessierst Du Dich nicht für Architektur?“

Ich nehme mich zusammen. Verkneife mir das

„Ich interessiere mich für Architektur. In Berlin stehen Bauten, vor denen könnte ich auf die Knie sinken. Aber Hoffmann baute langweiligen Historismus.“

Aber ich bleibe nett. Abgesehen von seinem Architekturgeschmack ist Dr. Fieselschweif ein Netter.

Berlin. Der Bär. Das Bad Ludwig Hoffmann. Eine Trias, die zusammengehört. (Hier: das Baerwaldbad)


Sei es, dass Dr. Fieselschweif lang genug stupste. Sei es, dass Hoffmann - als Architekt zum Beispiel des Baerwaldbads oder des Oderberger Bads - beim Thema der Berliner Schwimmbäder unausweichlich ist – irgendwann beschloss ich mein Wissen zu erweitern: Die Verkörperung wohlanständiger Langeweile kann nicht alles sein, was es zu Hoffmann zu wissen gibt. Längere Recherchen und einen geschriebenen Wikipedia-Artikel später weiß ich:



Ludwig Hoffmann besetzte das Amt des Berliner Stadtbaurats von 1896 bis 1924. Damit war er Stadtbaurat in der  Zeit, in der ein Großteil der Berliner Infrastruktur erschaffen wurde. In seiner Ägide entstanden mehr als 300 Einzelbauten in 111 Gesamtanlagen. Neben fünf Schwimmbädern zählen dazu zahlreiche Schulen, Brücken, Feuerwachen, das Virchow-Krankenhaus, die Heilanstalten in Berlin Buch, das Märkische Museum und das (Alte) Stadthaus. Vor seiner Berliner Zeit baute Hoffmann das Reichsgerichtsgebäude in Leipzig.

Hoffmanns Märchenbrunnen im Volkspark Friedrichshain.

Hoffmanns heute beliebtestes Werk ist der Märchenbrunnen im Volkspark Friedrichshain. Zu seinen Lebzeiten der deutschlandweit bekannteste Hoffmann-Bau war das Virchow-Klinikum im Wedding. Immer noch von biederer Wohnanständigkeit, aber das mit Verve.

Schwimmbäder um 1900


Hoffmanns Zeit als Stadtbaurat fiel in die Zeit, als die Städte in Deutschland wuchsen. In den 30 Jahren vor Hoffmanns Amtsantritt stieg die Bevölkerungszahl Berlins von 450.000 auf 1,6 Millionen, bis zum Ersten Weltkrieg dann auf zwei Millionen. Da wir zu Hoffmanns Zeiten noch von Klein-Berlin reden (also Berlin-Mitte, Prenzlauer Berg und Friedrichshain-Kreuzberg, ohne die damals eigenständigen Städte Charlottenburg, Spandau, Steglitz oder Schöneberg oder andere äußere Bezirke) lebten damals mehr Leute in der Berliner Kernstadt als heute.

Alle größeren Städte Deutschlands versuchten, mit den Mengen an Arbeitern zu Recht zu kommen, die innerhalb weniger Jahrzehnte entstanden. Stadtväter in ganz Deutschland standen vor ähnlichen Problemen wie Überbevölkerung, beengten Verhältnissen, Dreck und der Ausbreitung von Krankheiten. Die Arbeiter galten als unruhig und gefährlich. Die engen, übervölkerten Arbeiterquartiere galten als Hort für Krankheiten aller Art. Eine der Antworten, die die Stadtväter auf diese Gefahren fanden, lautete Hygiene. Und die öffentliche Einrichtung zur Förderung der Hygiene war das öffentliche Bad. In seiner besser ausgestatteten Form: das Schwimmbad.

Stadtbad Moabit. Eines der beiden vor-Hoffmann-Bäder.


Hoffmanns Zeit als Stadtbaurat fällt in die erste Blüte des deutschen Schwimmbadbaus. Zwischen 1900 und 1918 entstanden in Deutschland mehr Bäder als in den Jahrhunderten zuvor. Insbesondere zwischen 1906 und 1913 eröffneten zahlreiche Bäder. Berlin, schloss sich dem Trend nur schwerlich an, war damals Nachzügler. Die Stadtväter bauten wenig enthusiastisch, sparsam und zwangen Hoffmann immer wieder zum innehalten. 

Um die Jahrhundertwende begannen sich verschiedene Stile und Ausprägungen des Bads zu entwickeln. Der Schwimmbadbau entwickelte sich in diesen Jahren weg vom experimentellen Einzelprojekt hin zum standardisierten Verfahren. Und Hoffmann mittendrin. Prägend war das Müller'sche Volksbad in München  1901, an dem sich weitere Anlagen und auch Hoffmann orientierten.

Nach zwei ersten kleineren bescheidenen Anlagen, die Berlin in Moabit und Friedrichshain noch vor Hoffmann und dem Müller'schen Volksbad errichtet hatte, fiel in Hoffmanns Amtsbeginn  ein groß angelegtes Bäderbauprogramm. In wenigen Jahren wurden die ungewaschenen Proletarier im Wedding (Gerichtstraße), Kreuzberg (Baerwaldstraße und ein zweites Bad in der Dennewitzstraße) und im Prenzlauer Berg (Oderberger Straße) zum Baden geschickt.

Im Ambiente waren diese Bäder größer, in der Gestaltung exaltierter, in der Anmutung wuchtiger und insgesamt monumentaler als die Berliner Bäder zuvor. Wenn Berlin schon keine alte Stadt war, so sollte sie doch wenigstens so aussehen.


Ludwig Hoffmann


Heutige Architekturhistoriker beschreiben Hoffmann als „reichsten und reinsten Ausdruck der offiziellen Bestrebungen seiner Zeit.“  Noch ganz dem Historismus des Kaiserreichs verschrieben orientierte er sich an den Bauten der italienischen Renaissance. Seine Bauten sollten Ruhe ausstrahlen, sich harmonisch in das Stadtbild Alt-Berlins einfügen. Hoffmann baute symmetrisch und setzte auf Bewährtes. In Bezug auf das Bad Oderberger Straße sprach er von einer Art des Baus in „traulich behaglicher Weise“.

Ludwig Hoffmann Ein dynamischer mittelalter Hesse mit Hipsterbart wollte das Kaiserreich sozial befrieden.


Hoffmann wollte die handwerkliche und künstlerische Durchdringung am Bau: Schmuck am Bau setzte er sparsam ein, nur ja nicht zu sehr prunkend oder protzend, aber bis ins Detail durchgearbeitet. Sein Vorbild war noch ganz das klassische Italien, in das er zahlreiche Reisen unternahm. Die Moderne lehnte er in ihrer Form, aber auch in ihrer industrieller Produktionsweise ab. 

Hoffmann entstammte einer nationalliberalen hessischen Beamtenfamilie, verbrachte aber den Großteil seines Lebens in Berlin. Hoffmann studierte dort an der Bauakademie, die ganz der Schinkel-Schule folgte. Gerade in die Zeit seines Abschlusses fiel die Umorientierung der offiziellen Berliner und deutschen Architektur hin vom Klassizismus Schinkels zu einem wuchtigeren Historismus. Der Reichstag, als Prestigebau des Deutschen Reiches, wurde an Paul Wallots Entwurf vergeben, der wuchtiger und massiver war als alle Schinkel-Bauten; eher spätes Rom denn frühes Griechenland.

Hoffmanns Reichsgericht. Aus "Die Gartenlaube"

Hoffmann gewann, ohne je einen Bau geleitet zu haben, die Ausschreibung für den Bau des Reichsgerichts in Leipzig und schwang sich vom Studenten und Hilfsarchitekten zum Bauleiter des wichtigsten Baus des Reiches hervor. Sein erster Entwurf und Wettbewerbsbeitrag, der ihm den Auftrag gesichert hatte, wirkt noch wie eine Kopie des Reichstags, im Laufe des Baus veränderte er sich stark, wirkte immer eleganter.

Durch den Bau des Reichsgerichts wurde Kaiser Wilhelm II. zum Hoffmann-Anhänger, durch Hoffmanns Augenmerk auf Sozialbauten wurden es die Sozialdemokraten. Während seiner gesamten Amtszeit gelang ihm das Kunststück ein breites Bündnis vom Kaiser zur Berliner SPD-Fraktion in der Stadtverordnetenversammlung an seiner Seite zu haben.


Hoffmanns Bäder


Hoffmann baute in Berlin vier Hallenbäder, alle am Anfang seiner Zeit als Stadtbaumeister und ein Strandbad ganz am Ende. Das Baerwaldbad gilt als einer seiner ersten wichtigen Berliner Bauten. Und folgend seiner Strategie des ökonomischen Historismus folgen die Bäder demselben Grundriss und folgen sich im Inneren sehr, während die nach Außen verschiedene Fassaden zeigen.

Hoffmann musste damit leben, dass die privaten Badbetreiber mit Hilfe der liberalen Fraktion im Stadtparlament stets versuchten das Berliner Badprogramm einzuschränken. Hoffmann stand unter Kostendruck. Im Vergleich zu Bädern der Zeit – Müller'sches Volksbad, Stadtbad Steglitz, Stadtbad Neukölln, Herschelbad in Mannheim, waren die Bäder schlicht. 

Ehemals Stadtbad Prenzlauer Berg.


Zur Straße wandte sich in allen Bädern ein Eingangsbereich zu, der die gesamte Straßenfront abdeckte. Mal breit wie in der Baerwaldstraße, mal sehr schmal wie in der Dennewitzstraße. Die Schwimmhallen waren in Querbauten Richtung Hof untergebracht.  Das ganze Bad war achssymmetrisch.

Geschlechtergetrennte Wannenbäder brachte Hoffmann seitlich der Schwimmhallen an. Hoffmann trennte sich von den – vorher verbreiteten – Oberlichtern im Schwimmbadbau, da diese im Betrieb immer wieder technische und hygienische Probleme aufwiesen. An dessen Stelle ließ er kirchenartige Kuppelbauten errichten, die durch hoch angebrachte Fenster erleuchtet wurden.

Insgesamt baute Hoffmann vier Hallenbäder von denen noch zwei stehen. In der Kreuzberger Baerwaldstraße (1901 eröffnet), in der Oderberger Straße, Prenzlauer Berg (1902), in der Dennewitzstraße am Gleisdreieck (1902). Etwas später folgte das Stadtbad Wedding (1907). Am Ende seiner Amtszeit folgte das Strandbad Wannsee.

Verschwundene Bäder

 

Dennewitzstraße


Während das Baerwaldbad immer noch steht – wenn auch in den letzten Jahren mit schwieriger Geschichte du gerade mal wieder komplett geschlossen – ist sein Bad in der Kreuzberg/Schöneberger deutlich unbekannter und vergessener.

Das Bad in der Dennewitzstraße, auf dem Gelände des heutigen Parks Gleisdreieck, war eingezwängt zwischen Bahngelände und Hochbahn (heute U1, U2).  Das Grundstück war das engste der Berliner Badgrundstücke. Hoffmann war hier am stärksten gezwungen von seinem Grundmuster abzuweichen. So verzichtete Hoffmann auf Lichthöfe im Inneren des Bades. Die Beleuchtung erfolgte durch ein großes Fenster im Obergeschoss, das zur Straße hin gerichtet war.


Berlin, Schoeneberg, Dennewitzstrasse 24A, Wohnhaus
Dieses Wohnhaus stand an der Straße. Durch es führte der Zugang zum Bad Dennewitzstraße im selben Stil. Bild: Wohnhaus Dennewitzstraße 24A in Berlin-Schöneberg. Das Haus wurde 1899 nach einem Entwurf von Ludwig Hoffmann erbaut. Fotograf: r Jörg Zägel Lizenz: Creative-Commons-Lizenz „Namensnennung – Weitergabe unter gleichen Bedingungen 3.0 nicht portiert“
Trotzdem gelang es Hoffmann die Fassade herrschaftlich wirken zu lassen. In keinem seiner anderen Bäder war auch von außen so deutlich die Trennung von Erdgeschoss und Obergeschoss erkennbar.
Das Bad, stehend inmitten großer Bahnanlagen, wurde im Zweiten Weltkrieg zerstört. Es steht einzig noch das Wohnhaus durch das einst der Zugang zum Bad erfolgte.


Stadtbad Wedding


Das letzte und das prächtigste Bad Hoffmanns entstand mit 75 Metern Fassade im Wedding. Das 1908 gebaute Bad war Hoffmanns einziges Bad mit zwei Schwimmhallen, einer kleinen für Frauen und einer großen Halle für Männer – in den anderen Bädern musste sich beide Geschlechter eine Halle teilen – natürlich zu unterschiedlichen Zeiten! Den späten Hoffmann erkannte der Badbetrachter an der Backsteinfassade. Den Hoffmann aller Zeiten erkannte man den sparsamen aber geschickt eingesetzten Dekorationen an der Fassade.

Stadtbad Wedding. Entwurf von Hoffmann.


Die Raumaufteilung war dieselbe wie in den anderen Bädern: eine breite Fassade, in der Eingangsräume und einige Wannen sowie Wohnräume für das Personal untergebracht waren. Neu: das Wasserreservoir oberhalb des eigentlichen Schwimmbads in einem großen Dachaufsatz. Untypisch für Hoffmann, der eigentlich in Berlin die Abkehr vom Ziegel propagierte, war hier der verwendete rote Ziegel und, deutlich typischer für ihn, Muschelkalk – der allerdings nur spärlich und deutlich akzentuiert zum Einsatz kommt. 

Im Krieg wurde das Bad teilzerstört. Gerade der Fassadenteil war weg, wurde durch einen Neubau ersetzt, der wenig mit Hoffmanns Stil zu tun hatte. Filmfreunde kennen das Stadtbad Wedding vielleicht aus dieser Nachkriegszeit, weil der Film „die Halbstarken“ dort gedreht wurde. Im Jahr 2002 schließlich starb das Bad im allgemeinen Berliner Bädersterben.

Einige Jahre vermochten es noch Partyveranstalter, den Berlinern weis zu machen, dass kommerzielle Parties förderungswürdige Kultur sind, wenn man nur auch ein paar Künstlern Obdach bietet. Schließlich machte das Amt dieser Nutzung ein Ende, da der Brandschutz nicht eingehalten wurde. Ende 2016 wurde das Bad abgerissen.


Das erste Strandbad Wannsee


Hoffmanns unbekanntestes Bad ist vermutlich gleichzeitig das bekannteste Bad. Das Strandbad Wannsee ist weltberühmt selbst außerhalb Berlins, Hoffmanns Anteil kennen nur wenige. Denn hier blieb sein Bau nicht lange. Das Baden im großen Wannsee wurde um die Jahrhundertwende offiziell erlaubt. Schnell entdeckten die Berliner die Badestelle für sich und überrannten die kaum vorhandenen Sanitäranlagen. Bereits 1915 hatte Martin Wagner ein Konzept für das Bad vorgelegt, dessen Verwirklichung an Krieg und Inflationszeit scheiterte.

Bundesarchiv Bild 102-05217, Berlin, Freibad Wannsee als Eisbahn
Hoffmanns Strandbad Wannsee mit Holzbauten. Bild: Bundesarchiv, Bild 102-05217 / CC-BY-SA 3.0

Am Ende seiner Amtszeit 1924 gestaltete Hoffmann als seinen letzten Bau erste Holzbauten als Umkleidekabinen. Diese waren bewusst einfach in Holz und mit Reetdächern gehalten, folgten offensichtlich nicht dem klassisch italienisch inspirierten Historismus, sondern wandten sich in Richtung Heimatstil. Allerdings blieben auch diese auf den ersten Blick bescheidenen Bauten nicht lange. Martin Wagner, inzwischen Hoffmanns Nachfolger als Baustadtrat, kam auf seine alten Planungen von 1915 zurück und gestaltete das Bad bereits kurz nach seinem Antritt in ein „modernes Weltstadtbad“ um, das in seiner Anmutung gar nichts mehr von bescheidenen Holzhäusern Hoffmann’scher Prägung hat.

Vorhandene Bäder

 

Baerwaldbad

Hoffmanns  erstes Bad – und einer seiner frühesten Berliner Bauten - entstand von 1896 bis 1901 in der Baerwaldstraße – unweit der Spree. An einem freien grünen Platz hatte Hoffmann eine riesige Fassade zur Verfügung, die er mit imposantem Steinbau nutzte. Die Baerwaldstraße war und ist eine breite Allee. Das Bad also sollte repräsentativ und prächtig nach Außen wirken. 

Baerwaldbad (1910)


Das Bad sollte dem Palazzo Thienne in Vicenza ähneln. Auf den ersten Blick zeigt sich eine starke Ähnlichkeit. Auf den zweiten Blick zeigt sich aber auch Hoffmanns Herangehensweise an. Während der Wechsel zwischen großen und kleinen Fenstern im Erdgeschoss im Rahmen eines Renaissancebaus noch akzeptabel gewesen wäre, waren die Luken dazwischen (hinter denen sich die Wannenbäder verbargen) purer Hoffmann – in einem Renaissance-Palazzo nicht vorstellbar. Die Kacheln des Beckens waren glasierte Tonplatten in graugrün.  Während die Fassade monumental war, war es das Bad nicht so sehr. Keine 20 Jahre nach Bau wurde das Baerwaldbad schon wieder erweitert, um dem Besucheransturm gerecht zu werden.

Baerwaldbad (2010er)


Trotz nahe gelegenem Gaswerk überstand die Fassade des Bads den Krieg unversehrt. Beinahe wäre auch dieses Bad dem Berliner Bädersterben der Jahrtausendwende zum Opfer gefallen. Hier schaffte es die Stadt Berlin aber die Verantwortung auf einen kleinen, engagierten Verein abzuschieben – der anscheinend von Anfang an überfordert war. Nachdem dann Schulschwimmen und damit verbundene Gelder aus dem Bad verschwanden, wurde die Lage dramatisch. Das Bad war ab und an offen, öfter geschlossen sei es aus hygienischen Gründen, sei es aus Gründen der Bausicherheit.

Fassade des Baerwaldbads. Weitgehend unverändert.

Seit 2017 ist das Bad ganz zu, der Verein pleite und die Lage dramatisch. Der Bezirk will das Bad zurück, und gleich darauf am liebsten an die Berliner Bäder weitergeben. Die BBB allerdings verspüren keine Lust auf den damit verbundenen Investitionsbedarf. Und genau diejenigen, die noch aus dem Stadtbad Wedding mit Parties ein paar letzte Euro herausgepresst haben, wollen nun dasselbe in Kreuzberg machen. Sie sind derzeit in der Gewalt der Haustürschlüssel. Der Bezirk Friedrichshain-Kreuzberg hat eine Räumungsklage eingereicht.

Oderberger Straße


Das einzige Schwimmbad Ludwig Hoffmanns, das noch als Schwimmbad nutzbar ist, ist das ehemalige Stadtbad Prenzlauer Berg. Ob das Bad in der Oderberger Straße wirklich als öffentliches Hallenbad zählt, kann man streiten.

Mir kommt die Nutzung als Hotelpool und Eventfläche mit öffentlicher Zugangsmöglichkeit im Verhältnis zum öffentlichen Hallenbad vor wie ein Wildtier, das im Zoo überlebt hat. Aber: es hat überlebt. Es ist als Schwimmbad im Betrieb. Ich kann in die U2 steigen, im Prenzlauer Berg wieder aussteigen und mir eine Karte für das Schwimmbad sichern. Das ist besser als in allen anderen Hoffmann-Bädern.

Stadtbad Oderberger Straße im Quartett Schwimmbäder in Berlin.

Die Oderberger Straße ist eine Nebenstraße im Zentrum des schon damals dicht besiedelten Prenzlauer Berges. Verglichen mit Baerwald- oder Gerichtstraße ist sie eng. Die Fassade des Bades an dieser Stelle gleicht eher einer deutschen Renaissance-Burg. Sie sollte Vertrautheit und Bescheidenheit symbolisieren.

Stadtbad Oderberger Straße.


Im Inneren zeichnet sich das Bad dadurch aus, dass die Halle, dem gotischen Einfluss der Fassade folgend, von einem Kreuzgratgewölbe statt des sonst von Hoffmann bevorzugten Tonnengewölbes überdeckt wird.

Hereinspaziert ins einzig offene Hoffmann-Bad.


Auch diesem Bad stand sein Ende bevor. Noch vor der Wende schloss die DDR 1986 das baufällige Bad. Dann stand es lange leer, hatte die übliche Berliner Geschichte aus Verfall, kultureller Zwischennutzung und gescheiterten Wiederbelebungskonzepten. Und dann geschah das Wunder: das Bad mit seinen zahlreichen Nebenräumen wurde Hotel. Die Schwimmhalle blieb als Schwimmhalle erhalten. Und zumindest die Presse liebt das Bad. Schwimmen gehen kann man hier und deshalb war ich auch schon ausführlich dort.


Nach Hoffmann


Nach Hoffmann kam die Moderne. Die setzte nach dem Ersten Weltkrieg architektonisch ein. Hoffmann geriet in den letzten Jahren seiner Aktivität mehrfach mit den Architekten der Moderne aneinander. Diese Konflikte führten dazu, dass Hoffmann lange Jahrzehnte in Berlin vergessen blieb. Die Moderne baute ganz andere Bäder: sinnfällig und vielleicht der Höhepunkt des Berliner Badbaus: das Stadtbad Mitte 1930 gebaut mit seiner 50-Meter-Bahn. In kleiner aber ähnlich: das Stadtbad Schöneberg.

Nach meinen Hoffmann-Recherchen habe ich mein Anstups-Trauma überwunden. Jetzt kann ich wieder mit Dr. Fieselschweif auf Tour gehen. Und wenn es sein muss, ihn eine halbe Stunde mit irrelevanten Details aus Hoffmanns Leben und Werk überquasseln. Mein Liebling wird Hoffmann immer noch nicht - das ist zu gediegen, zu spießig, zu wohlanständig - aber ich kann es besser verstehen. Ich kann ihn und seine zahlreichen Schulen besser würdigen aus dem Kontext seiner Zeit und der Bedingungen. Mich an den je unterschiedlichen Detaillösungen freuen und phantasieren wie und wo jeweils ein Vorbild für den Bau in Italien stehen könnte. 

Weiterlesen


Die Berliner Bäder zum Ansehen: das Schwimmbadquartett.

Die drei Volksbäder Berlins, die nicht von Hoffmann sind in Schwimmbäder in Berlin.


Für weitere historische Bäder Berlins: In 10 Bädern durch die Stadtgeschichte.

Alle Iberty-Schwimmbadposts: Schwimmbäder nah und fern

Auch wenn die Wikipedia oft weiterführendes enthält, möchte ich den Ludwig-Hoffmann-Artikel diesmal besonders empfehlen. Schließlich schrieb ich diesen selber, beim Versuch diesem Baumeister auf die Spuren zu kommen, der so untadelig und so sich-entziehend ist.

Wo ich bei den Klassikern bin: Natürlich geht auch immer: Bäderbauten in Berlin.

Ein kurzer Abschnitt zu Hoffmann findet sich in Claudia Wohlfahrt-Eckarts Dissertation „Das städtische Hallenschwimmbad in Deutschland von 1870 bis 1930.“ Ein von mir durchaus geschätztes Buch, das aber auch die ein oder andere deutliche Lücke oder inhaltliche Fehler aufweist.  Abbildungsnummern stimmen nicht. Zum hierzugehörigen Thema schreibt sie beispielsweise die Baerwaldstraße konsequent als Bärwaldstraße. Das ist verzeihlich, wirkt in seiner Konsequenz allerdings befremdlich – absichtlich falsch geradezu. Noch auffallender allerdings ist, dass in einem Kapitel „Ludwig Hoffmann und die Berliner Bäder“ das Stadtbad Wedding nicht einmal erwähnt wird. Einen Index gibt es auch nicht, aber dafür eine tolle Bildersammlung der frühen deutschen Bäder.

Nachdem Hoffmann quasi mit seinem Ausscheiden aus dem Amt ins Vergessen geriet, erlebte er in den letzten Jahrzehnten eine Mini-Renaissance. Die 1980er widmeten ihm eine Ausstellung zu der auch ein schmales Bändchen erschien: „Ludwig Hoffmann in Berlin. Die Wiederentdeckung eines Architekten.“  Von Hans J. Reinhardt und Wolfgang Schache, erschienen im Transit Verlag

Die umfassendste Quelle zu Hoffmanns Wirken in Berlin: Dörte Döhl: Ludwig Hoffmann: Bauen für Berlin 1896 - 1924. Ernst Wasmuth, Tübingen 2004, ISBN 3-8030-0629-5.

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