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Freitag, 4. Mai 2018

Schwimmen Berlin: Strandbad Wannsee

Mein erstes Berliner Bad. Das Strandbad Wannsee war nicht das erste Bad, das ich besuchte, oder auch nur das erste, das ich sah. Aber es war das erste Bad, dessen Namen ich kannte. Denn natürlich hatte ich damals schon den Schlager gehört; den Conny-Froboess-Badehosen-Schlager. Nicht, dass ich sicher wusste, dass dieser Wannsee überhaupt in Berlin lag. Sicher hätte ich keine Ahnung gehabt, dass der See eigentlich eine Bucht der Havel ist – oder dass ich gewusst hätte, was die Havel ist. Und ganz sicher wäre mir nicht im geringsten bewusst gewesen, dass hier eine Architekturikone der Moderne steht. Das Bad verkörpert den radikale Bruch mit dem betulichen Hoffmann-Stil der Berliner Stadt, hin zum Anspruch eine Weltstadt zu sein.

Blick vom Höhenweg auf das Sonnendeck eines der Bauten. Weiter hinten der über einen Steg erreichbare Aussichtturm für die Rettungsschwimmer.


Das Wannseebad – ein Bad zwischen Symbol und echter Badeanstalt. Wenn es auch eher Symbol ist für die 1950er und West-West-Berlin in seiner fröhlichen Sommerfrische als für die 1920er und den gescheiterten Aufbruch. Ein Symbol ist es aber, das zum Glück aber jedes Jahr durch hunderttausende Besucher fest im hier und jetzt verankert wird.



Da müssen wir jetzt gemeinsam durch: wenn ich das Lied schon die ganze Zeit beim Schreiben im Ohr habe, sollt ihr es auch hören:



Wenn der Schwimmbetrieb vom Hallen- ins Freibad wechselt, wird die Nischenbeschäftigung Baden gehen populär. Wenn es dann noch an den Badesee mit Strandkörben geht, reden wir von Massenveranstaltungen. Vielleicht war ich deshalb bisher immer nur im April am Strandbad Wannsee – immerhin ist es in diesem Monat meist das einzig geöffnete Freibad und zudem noch erträglich leer.

Auf der Hochebene


Aber legendär wurde das Bad nicht weil es so früh im Jahr öffnet. Legendär ist wegen der Sommermonate, in denen Berlin ins Grüne flieht. Prägend in Westberlin, wo die Flucht ins Grüne schnell und drastisch an der DDR-Grenze endete. West-Berlin, die Stadt ohne Umland, aus der man einfach nicht ins flache Land entkommen konnte. Der Wannsee musste so für halb Brandenburg substituieren. Aus der Rolle, kamen alle Beteiligten mit vergleichsweise wenig Blessuren heraus.

Mittlerweile ist auch die Sommerflucht ins Umland möglich. Der Verfall des Bades wurde durch eine Generalsanierung mit Hilfe der Stiftung Berliner Denkmalschutz gestoppt. Die Einzelstellung des Wannsees beschränkt sich glücklicherweise auf die Vergangenheit. 

Blick auf den historisierenden Einlass. Der breite Vorplatz soll Automobilisten, mit der S-Bahn kommende und Radfahrer zusammenführen.


Im Jahr 2018 hat der Wannsee nur noch das Problem sämtlicher Berliner Seen und Parks bei gutem Wetter – es gibt zu viele Berliner. Immerhin – die Anlage ist darauf vorbereitet. Ich möchte nicht das Wort "monumental" benutzen, Aber gewaltig ist das von Martin Wagner und Richard Ermisch konzipierte und zwischen 1927 und 1930 gebaute Bad. Das Haus am Eingang, das so sehr versucht nach dem 19. Jahrhundert auszusehen und dabei kleiner tut als es ist. Die Hochebene hinter dem Eingang mit Wegen und einigen Schachbrettern – und dann der Abstieg zum See hin.

Dort steht das eigentliche Badegebäude: ein breiter Riegel modernistischer, für die damalige Zeit schon fast skandalöser Bauten, in lichter klarer Eleganz. Mit Umkleiden, Duschen, einer längeren Passage für Läden und Gastronomie, Räumen für die Rettungsschwimmer – und halt Allem, was ein Strandbad von einer Badestelle unterscheidet. Der Einblick ist auch 90 Jahre nach dem Bau noch spektakulär – und die Tatsache, dass es so in den Abhang hinein versteckt wurde, verstärkt den Eindruck eher noch. Hier steht der legitime Bruder des Stadtbads Mitte.

Gelände


Froboess sang: Ja, wir radeln wie der Wind durch den Grunewald geschwind… fast die spannendste Überraschung eines Wannsee-Besuchs liegt noch weit vor dem Gelände. Es war die Entdeckung, dass Berlin eine echte schöne Fahrradstrecke hat. Etwa ab dem S-Bahnhof Grunewald bis zur Spinnerbrücke: knapp acht Kilometer geradeaus, mit einer einzigen Kreuzung und leichten Steigungen – ein Radfahrparadies. Einzig die Stadtautobahn, die nur durch ein schmales Stück Land mit einigen Sträuchern abgetrennt wird, erinnert daran doch in einer Großstadt zu sein.

Acht Kilometer Strecke geradeaus. Und links kann man das Autobahnschuld sehen.


Das eigentliche Gelände: angeblich das größte Strandbad Europas. Ein Freigelände in zwei Ebenen. Oben auf dem Steilufer mit Eingang, Schachbrettern, Wegen, Wald und etwas Ausblick. Das Eingangsgebäude stammt von 1926 noch einer früheren Gestaltungsphase als der Rest des Bades, wirkt gleichzeitig monumental und betulich und zeigt noch am ehesten wie schwer sich die traditionelle Architektursprache mit den Anforderungen tat, die der Millionenmoloch im 20. Jahrhundert an sie stellte.

Bad an Hanglage.


Dann direkt am Hang der 500 Meter lange Komplex der Badbauten, in welche die Freitreppen eingebaut sind. Die Bauten sind nur lang, sondern auch zwei Stockwerke mit hohen Decken hoch – was allerdings angesichts des Steilufers in ihrem Rücken gar nicht so sehr auffällt. Sehen kann man nur einen kleinen Teil der Planungen Wagners. Bevor die Nazis den Bau stoppten und nie wieder aufnahmen, konnte nur der Nordteil der Anlagen gebaut werden. Es fehlt noch der Südriegel. Auch kam es nie zur Errichtung geplanter Bauten wie Kinderhorte, Übernachtungshäuser, Freilichttheater und medizinische Bäder.

Auf die Gebäude folgt der 1300 Meter lange Strand mit den etwa 300 Strandkörben, dem Steg und der Rutsche im tieferen Wasser. Der Sand am Strand kommt laut Wikipedia (dort ohne weitere Quellenangabe) ursprünglich vom Timmendorfer Strand. Im Norden der Anlage liegt der FKK Bereich.

Umkleiden


Nun kenne ich die Umkleiden aus den Fünfziger-Jahre Bädern Sommerbad Wilmersdorf, dem Insulaner oder dem Sommerbad Mariendorf; Bäder, die alle immerhin dreißig Jahre jünger sind als das Strandbad Wannsee – und allesamt Umkleidekabinen aufweisen, denen man in einem Anfall von großer Nettigkeit historische Patina bescheinigen könnte. Es kostete also Überwindung, mich überhaupt auf den Weg zu den Umkleiden zu machen, und die Kabine zu betreten.

Zzugang zu den Umkleiden auf der oberen Ebene.


Und ich war glücklich. Da sieht man einmal die einfach Berlin Menschen glücklich machen kann. Es bedarf einfach funktionierender, nicht-muffiger Umkleidekabinen. Die Umkleiden waren einfach, halt so Hartplastik. Die ersten beiden getesteten Kabinen hatten Macken (kaputtes Schloss bzw. verzogene Tür) und trotzdem: sie waren relativ neu, sauber, hell und immerhin nicht kurz vor dem Zusammenfallen – ich war mehr als positiv überrascht.

Fast netter fand ich dann die Variante mit historischer Patina. Dort standen die Holz-Dauerkabinen. Ob die wohl noch in Betrieb sind?

Schwimmen


Der Wannsee selbst – ist halt ein Teil der Havel und die gehört in ihrer trägen Grützigkeit jetzt nicht wirklich zu meinen beliebtesten Schwimmgewässern. Kein Vergleich mit den Gewässern an den Zubringern wie dem Kalksee oder dem Kremmener See. Immerhin: der Wannsee bildet eine recht große Bucht, der Haupthavelstrom ist recht weit entfernt. Gerade im Sommer lassen die zahlreichen Segelboote auch leicht ein Gefühl aufkommen, das zwischen Hamburger Alster und Mittelmeer liegt. Die Einrahmung zwischen den leichten Geest-Hügeln der Gegend schadet da nicht.

Zum Hineinspringen


Es mag an meiner April-Badezeit gelegen haben: bei jedem Versuch zu haben, war nicht nur der Sandstrand angenehm, sondern auch das Wasser überraschend klar und einladend. Und ach, es lebe die April-Öffnung: das erste Mal im Jahr im Freien Schwimmen, im See, der leichte Wellenschlag, der Sand unter den Füßen, diese grünliche Farbe des gänzlich chlorfreien Wassers, das leichte Rauschen des Windes, die Strömungen und wechselnden Temperatur im Wasser - und direkt daneben dann Pommes und ein Weizenbier zu kommen. Es gibt weniges, was dieses Gefühl schlagen könnte.

Strand im Es-ist-Frühjahr-nass-und-kalt-Modus 2016. Noch waren nur einige Alibistrandkörbe aufgestellt.


Publikum


Keines, während ich dort war. Das stimmte nicht ganz. Zumindest an dem 25-Grad-April-Tag waren die Strandkörbe ganz ordentlich gefüllt und an der Kaffee/Pommes/Bier-Ausgabe bildete sich bereits eine kurze Schlange. Wie an einem Dienstag um 11 Uhr nicht anders zu erwarten, war der Altersschnitt eher hoch. Wie bei Wassertemperaturen um die 15 Grad zu erwarten, habe ich in der Zeit meines Aufenthalts nur eine weitere Person gesehen, die tatsächlich schwamm – aber doch immerhin ein knappes Dutzend, die zumindest längere Exkursionen zu Fuß in das Wasser unternahmen.

Und dann war da noch Familie Schwan, die zum Glück weit von mir entfernt blieb. Und der einige ältere Herr, der es sich alleine auf der Sonnenterrasse auf einem Kabinengebäude bequem gemacht hatte, und der richtig entrüstet schaute, als ich plötzlich durch die Treppe nach oben stieg und seine traute Einsamkeit zu beenden drohte.


Gastronomie


Es war ein anderer April. Leichter Nieselregen unterstrich die Grauheit des Himmels. Tante B aus dem Ruhrgebiet war zu Besuch. Wir hatten schon das nahe gelegene Brücke-Museum aufgesucht, und irgendwie war es uns gelungen, die Tante trotz 10 Grad und Nieselregens ins Strandbad zu locken. Ans Schwimmen war natürlich nicht zu denken. Aber die Sitzplätze vor der Gastro sind überdacht, und es gab auch Kakao mit Schuss.

Pommes, alkoholfreies Weizen und Buch. Ein perfektes Dreigangmenü für den Strand.


Der Herr hinter der Bedienung sah die leicht verfrorene aber sonst sehr energetische Frau B aus E, deutet die Zeichen richtig, und hat den Schuss ganz kräftig aufgestockt. Das nenne ich Service, und seitdem bin ich Fan. Wobei auch die Freibadpommes nicht nur gut waren, weil es die ersten Freibadpommes des Jahres waren, sondern sie wiesen auch sonst genau die richtige Mischung aus crunchy Kruste und leicht samtenem Innern auf, die gute Pommes brauchen.

Fazit


Ganz unabhängig vom Schwimmen, ist die Anlage alleine schon architekturhistorisch großes Kino – weswegen jeder Berlin-Besucher sie einmal gesehen haben sollte. Die Anreise durch den Grunewald ist mit Fahrrad oder ÖPNV ein Erlebnis für sich und stimmt schon einmal auf die Reise ein. Und ach, der Wannsee ist schon schön und etwas ganz besonderes. Zumindest ein bis zweimal im Jahr sollte jeder Berliner dieses Bad einmal aufsuchen.

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Alle Iberty-Schwimmbadposts liegen unter: Schwimmbäder nah und fern: Rückblick und Ausblick.

Fast genauso bekannt wie das Strandbad Wannsee ist das Prinzenbad.

Martin-Wagner-Architektur in Bestform bietet das Stadtbad Mitte.

In jeder Hinsicht der kleine Bruder des Wannseebads ist das Bad am Plötzensee.

Wie eigentlich immer an dieser Stelle empfehle ich das Standardwerk zum Thema: Bäderbau in Berlin. Architektonische Wasserwelten von 1800 bis heute von Uta Maria Bräuer und Jost Lehne.

Nun aber zum Strandbad selber: Ein Vortrag zum Bad beim 20. Berliner Denkmaltag.

Matthias Oloew, mittlerweile Pressesprecher der Berliner Bäder, hat nicht nur ein Buch zum Prinzenbad geschrieben, sondern auch eines zum Wannsee: Matthias Oloew: 100 Jahre Strandbad Wannsee. Nicolaische Verlagsbuchhandlung, Berlin 2007, 144 S., 55 schwarzweiße und 25 farbige Abbildungen, gebunden, ISBN 978-3-89479-375-3

Noch ein Buch, welches ich nicht las: Dettbarn Reggentin, Jürgen, Strandbad Wannsee. Badegeschichte aus 80 Jahren, Berlin West 1987

Nicht zum Lesen, aber zum Anschauen: ein Video „Strandbad Wannsee“ von 1959:

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