Seiten

Sonntag, 4. März 2018

Schwimmbad Brandenburg: Wildorado, Wildau

Wildau im Südosten Berlins. Mit knapp 10.000 Einwohnern handelt es sich um die drittgrößte Stadt des Landkreises Dahme-Spreewald. Durch die Nähe zu Berlin expandiert Wildau in den letzten Jahren stark.

Ich befinde mich in einer Art Innenstadt. Vor mir liegen ein großer Supermarkt und ein Dönerstand.  Menschen hasten vom Parkplatz zum Supermarkt. Am Dönerstand stehen zwei junge Männer mit Rottweiler, scherzen mit dem arabischstämmigen Mann im Stand. Nebenan wartet die Bushaltestelle auf Fahrgäste. Dort fahren zwei Linien: eine zum Flughafen Schönefeld, eine zum A10 Center,

Wildau, im Umland Berlins, gefressen vom Giga-Einkaufszentrum A 10 Center. Das nach Gesamtfläche größte Einkaufszentrum der Region Berlin. Mit mehr als 20.000 Besuchern täglich kommen hier mehr als doppelt so viele Menschen nach Wildau wie in der Stadt überhaupt leben. Überwiegend sind dies übrigens Brandenburger.

Mein Versuch in dieser Kleinstadt an einem Samstagnachmittag etwas Leben zu finden, endete an dieser Bushaltestelle bei Döner und Supermarkt. Mit einer türkischen Pizza in der Hand („Dürum alle!“), inmitten von Häuserschluchten, einer leeren Straße und einem überdimensionierten Supermarkt.

Vorher war ich Schwimmen gewesen: dort war es voll. Menschen mit Kindern bis vier Jahren waren in großen Mengen anwesend bis weit nach Berlin hinein. Aber niemand sonst. Ist es ein Spaßbad? Nicht wirklich. Ist es ein kommunales Schwimmbad? Ich bin nicht sicher.



Vielleicht ist es beides, vielleicht keines. Ein wenig ähnelt das Wildorado damit der Stadt Wildau selbst, die auch nicht zu wissen scheint, ob sie ein echter eigener Ort ist, oder so eine Art Shoppingmallstandort für das Südostumland Berlins.

Aber genug zum A10-Center, ich war ja nicht mal da. Ich war schwimmen. Das Wildorado. Sollte ich sagen, es ist unübersichtlich?


Zum Gelände gehört eine Sporthalle (offensichtlich Nachwendesanierter DDR-Bau, von innen nicht gesehen), die alte Schwimmhalle und ein Neubau. Der alte Teil scheint mir ein stark veränderter Typ Bitterfeld zu sein. Der Neubau lachte mich zwar die ganze Zeit ein und wollte mir in Form, Farben und Absicht die Neunziger suggerieren, stammt aber tatsächlich aus dem Jahr 2007.

Der Schwimm-Sport-Komplex liegt an einem großen Parkplatz. Am Parkplatz selber liegen auch noch ein chinesisches Restaurant, ein Küchenstudio und ein erschreckend rumpeliger Supermarkt. Gegenüber liegt das Fußballstadion. Und obwohl das ganze laut Karte noch im Innenstadtbereich Wildaus liegt, fühlt es sich an, wie im Gewerbegebiet, fünf Kilometer hinter der FUN-Disco.

Gebäude


Ursprünglich war das Wildorado ein DDR-Typenbau. Wenn ich nicht vollkommen verwirrt bin, Typ Bitterfeld (in Berlin zum Beispiel auch zu sehen im Baumschulenweg oder im Allende-Viertel) mit dem typischen schrägen Dach, das nach Wellblech aussieht, den fünf Bahnen, der breiten Fensterfront und dem Gang an den Kabinen vorbei.



Dann erfolgt ein Anbau nebenan: mit einem großen Foyer, neuen Kabinen, einer Rutsche, einem großen Nichtschwimmerbecken, einem großen Gastrobereich, Sauna, Wellness etc. Dieser Anbau wirkt sowohl von außen wie auch von Innen wie die Schwimmhalle Ernst-Thälmann-Park im Prenzlauer Berg nach der Sanierung. Ob es hier Zusammenhänge gibt?



Dem Schwimmbadkundler auf der Suche nach dem Ursprungstyp stellen sich Probleme aller Art. Die Gänge wurden teils umgebaut, teils stark neu gebaut. Es gibt zwei verschiedene Umkleidetrakte (einer für Einzelkommende, eine Sammelumkleide) und dann noch einen Außenbereich.

Die Bademeister (gelb) sitzen auf der Grenze zwischen alt (oben) und neu (unten). Ganz oben die Sporthalle. Open Street Map © OpenStreetMap contributors, made available under the terms of the Open Database License (ODbL).


Alles zusammen wirkt leider etwas unzusammenhängend. Einmal ist da der Eingangs-/ Spaßbereich mit begrenzter Wasserfläche, einmal der Schwimmhallenbereich mit Sammelumkleiden, der abgelegen und ungeliebt wirkt. Es wirkt so, als wäre nicht wirklich ein Architekt am Werk gewesen, sondern fleißige Handwerker, die beides halt nebeneinander gesetzt haben, ohne einen inneren Zusammenhang zu schaffen.


Umkleiden / Duschen


Der Einzelbesucher wird durch den Neubau geführt. Unisex-Einzelkabinen, das Modell, bei man zwangsweise durch eine Kabine muss, um zum Schrank zu gelangen. Kunststoff und  vergleichsweise eng, aber bei beiden Besuchen sauber und gut instand. Die Spinde glänzen  mit einer innovativen Abschließmechanik: das Armband steckt am Schrank, man muss einen Chip in das Armband stecken und kann es erst dann samt Chip lösen. Sieht mir fehleranfällig aus, der Chip wirkt verlieranfällig und am Badeingang hängt ein großer Zettel, dass verlorene Chips 50 Euro kosten.



Alles wirkt so ein wenig, wie eine Sammlung von Ideen der 90er, die uns mittlerweile zum Glück verlassen haben. Ich bin nicht überzeugt.

Die Duschen sind genau das sanierte „Berlin 83“-Modell. Ein enger Gang zum Becken, links eine Toilette, rechts wenige Duschen. Immerhin, die Wasser kommt und reichlich aus der Brause. Dafür verunsichert mich die Tür mit Holzmuster, die dorthin führt. Ganz kurz fühle ich mich gar nicht mehr wie in einem Schwimmbad, sondern wie in einem privaten Frühachtzigerjahre-Partykeller. Kleine Duschkabinen mit echten Türen zum Zuschließen erzeugen in mir stets leichte Gefühle der Verunsicherung.

In der alten Schwimmhalle liegen die Sammelumkleiden samt Duschen und WCs. Die wurden gerade erst in den letzten Jahren hergerichtet, wirkten beim kurzen Blick hinein neuer und gepflegter und auch schicker als der Neubauteil. Vielleicht werde ich beim nächsten Besuch eine Schulklasse.

Schwimmhalle


Der Zugang für Einzelbesucher erfolgt im Neubau und dort fällt der Blick auf das Variobecken. Das Schwimmbecken liegt hinter einer Glaswand im anderen Gebäudeteil. Insgesamt gibt es damit ein Schwimmbecken (25 Meter, 5 Bahnen, das klassische DDR-Typschwimmbad-Becken) und ein Variobecken (Nichtschwimmer, warm, deutlich größer als es Nichtschwimmerbecken meist sind), ein Babybecken und einen Auslauf für die Rutsche.




Das Variobecken war überraschend groß, mit variabler Beckentiefe. Als ich am Wochenende dort war – normaler Öffentlichkeitsbetrieb war es auf 130cm Tiefe eingestellt, wie eine Leuchttafel am Rande sagte. Das Wasser Badewannenwarm, durch den ganzen Raum schallte Technomusik. Nebenan endete die Rutsche, von deren spaciger Innenbeleuchtung ich im Becken noch einen Rest wahrnehmen konnte.

In der Woche lief keine Techno-Musik. Deutlich weniger Menschen waren anwesend, das Becken aber genauso tief und warm wie vorher. Tatsächlich ein perfektes Becken, nachdem man sich im Schwimmbecken ausschwamm. Zumindest wenn man einen Zeitpunkt ohne Rumms-Tata erwischt.

Die Halle mit dem echten Schwimmbecken ist durch eine Glaswand mit Durchgang getrennt. Ein Schild weist darauf hin, dass dieser Hallenteil nur von Schwimmern genutzt werden darf und Auftriebshilfen unzulässig sind.  Offensichtlich beginnt hier ein anderes Gebäude. Das Schwimmbecken begann sein Leben als klassischer DDR-Bau. Offensichtlich wurden die Kacheln des Umlaufgangs und der Wände ebenso getauscht wie das Becken durch ein Metallbecken mit hochgelegter Rinne ausgetauscht wurde. Nette Beleuchtungseffekte kamen hinzu – das Variobecken ist in warmen rot-und orangetönen gehalten, das Schwimmbecken in blau und weiß. Die große Fensterfront blieb dieselbe, die Aussicht allerdings begeistert wenig.

Die Startblöcke wurden jedes Mal, als ich anwesend war, genutzt. Einige waren gesperrt, andere dienten Kindern, Nicht-mehr-ganz-Kindern und gar-nicht-Kindern als Plattform für allerlei Sprungversuche.

Publikum


Am Wochenende bestand das Publikum anscheinend aus ganz Wildau und halb Südostberlin. Der große Parkplatz war fast voll, das Spaßbecken ebenfalls, das Schwimmerbecken bot noch gerade so genug Platz zum Schwimmen. Bis die Startblockspringer aus dem Variobecken herüberkamen und einige Bahnen nur noch eingeschränkt beschwimmbar machten.



Wochentags war es immer noch voll. Der Parkplatz war noch voller – ich vermute allerdings, die Menschen wollten zur Sporthalle nebenan – das Schwimmbecken gut gefüllt. Zwei Sportbahnen waren abgesperrt mit je einer handvoll Schwimmer, der freie Bereich war an der Grenze dessen, wo man vorm Slalom noch zum Schwimmen kommt. In einer Bahn fanden Kinderschwimmkurse statt, die natürlich putzig zu betrachten waren. Die Eltern brachten die Kleinen in die Halle, wurden dann aber bis zum Ende des Kurses woanders hin verbannt. Sehr lobenswert.

Gastronomie


Der Bistrotresen reicht vom Freizeitbeckenbereich bis ins Foyer, so dass Besucher in Badeanzug oder Straßenkleidung essen können. Pommes, Flammkuchen das übliche. Die Frau, die mich bediente war supernett, wirkte aber eher wie eine studentische Aushilfe, denn wir jemand, der wirklich weiß, was er macht. Der Kaffee war okay.


Öffnungszeiten/ Preise


7 Euro für 3 Stunden. Um nur Schwimmen zu gehen, empfinde ich das schon als ordentliche Ansage. Es ist allerdings weniger als die Berliner Bäder für ein „Sternebad“ verlangen und mir macht das Bad hier deutlich mehr Spaß.

Fazit


Ein schwieriger Beginn. Formgebung und Anmutung finde ich nicht richtig glücklich. Auch hoffte ich, dass die Menschheit diese Art Kabinentrakt seit den 1990ern überwunden hat. Aber dann: wunderbares Schwimmbecken, wunderbares Variobecken. Und obwohl das Wildoradio bei beiden Besuchen voll war, eine entspannte Stimmung, freundliche gelöste Menschen, die dort arbeiteten. Ein sehr angenehmes Nachbarschaftsbad.

Sonstiges


Zum einen auffallend: insgesamt war sowohl Wochentags wie Wochenends sehr viel Personal im Einsatz. Nicht ganz klar allerdings war mir dessen Aufteilung. Die Karte kaufte ich von einer nassen Frau im Badezweiteiler. Eine Person, die ich für einen Schwimmmeister gehalten hatte, sah ich dann etwas später beim Verkaufen eines Kaffees, eine andere Frau, die länger hinter der Theke gestanden hatte, brach plötzlich zu einer Kontrollrunde durch das Bad auf.

Weiterlesen


Nicht weit weg liegt ein Gegenmodell. Das so-gar-keinen-Spaß-Bad der Schönefelder Welle

Ein echter Typ Bitterfeld, auch umgebaut, aber noch wesentlich näher am Ursprung ist die Schwimmhalle Allendeviertel in Köpenick.

Zu den ganzen Typenbauten der DDR siehe: B, C oder D. Eine Bestimmungshulfe für Volksschwimmhallen.

Alle Iberty-Schwimmbadposts liegen unter: Schwimmbäder nah und fern: Rückblick und Ausblick.

Keine Kommentare:

Kommentar veröffentlichen