Langsam dachte ich, ich gewöhne mich an den Garten und seine
Lage in der Brandenburger Trockensteppe. Ich legte meine persönlichen
Vorstellungen von Farn, Bambus, Schilf etc. ad acta. Denn meine Vorstellungen
wie Landschaft und damit auch kleinräumig gestaltete Landschaft – aka Garten –
aussehen sollte, entstanden in der norddeutschen Tiefebene, teilweise nahe der Nordsee
im Land von Regen und Nebel, bei Höchsttemperaturen von 22 Grad und dem ein- oder anderen Entwässerungsgraben
direkt an der Straße.
Aber dort bin ich nicht mehr: Hier ist Brandenburg! Mehrere Jahre knallende Sonne, wenig Regen, mitteldurchlässiger Boden. Lavendel statt Farn, Wilde Möhren statt Schilf, Sanddorn statt Hundsrosen.
Aber dort bin ich nicht mehr: Hier ist Brandenburg! Mehrere Jahre knallende Sonne, wenig Regen, mitteldurchlässiger Boden. Lavendel statt Farn, Wilde Möhren statt Schilf, Sanddorn statt Hundsrosen.
Hummeln im Lavendel, Erdwespen in den Lehmhügeln, Zuzügler
aus dem Süden wie die Große Holzbiene im Garten. Meine wagemutigeren
Überlegungen gingen mittlerweile eher in Richtung Pomeranze als in Richtung
Farn. So langsam hatte ich mich an die leicht mediterrane Anmutung gewöhnt,
Grabwespen, Sandwespen, Grashüpfer, Eidechsen und Zikaden in mein Herz
geschlossen. Semitrockensteppe hat etwas für sich.
Und dann 2017: Dauerregen. Starkregen. Dauerregen. Dauernder
Starkregen und starker Dauerregen.
Das Feld gegenüber trug bis in den September hinein noch Weizen, mindestens drei Ernteversuche haben die Bauern zwischendurch abgebrochen, weil immer noch alles unter Wasser stand. Tiefe Furchen im Schlamm, in deren Wasserlachen die Mücken brüteten zeugten von den erfolglosen Ernteversuchen. Aus unserem – nach unten offenen - Miniaturkeller lief der See von Juni bis September nicht wieder ab.
Die Rosen waren nicht mehr kurz vor der Durstgrenze, sondern zeigten erstaunlichen feuchteinduzierten Pilzbefall. Nacktschnecken und Mücken stapelten sich. Was da einst eine mediterrane Trockensteppe zu werden drohte, hat sich im Sommer 2017 zum schwül-nassen Feuchtgebiet mit Spontanseebildung entwickelt.
Das Feld gegenüber trug bis in den September hinein noch Weizen, mindestens drei Ernteversuche haben die Bauern zwischendurch abgebrochen, weil immer noch alles unter Wasser stand. Tiefe Furchen im Schlamm, in deren Wasserlachen die Mücken brüteten zeugten von den erfolglosen Ernteversuchen. Aus unserem – nach unten offenen - Miniaturkeller lief der See von Juni bis September nicht wieder ab.
Die Rosen waren nicht mehr kurz vor der Durstgrenze, sondern zeigten erstaunlichen feuchteinduzierten Pilzbefall. Nacktschnecken und Mücken stapelten sich. Was da einst eine mediterrane Trockensteppe zu werden drohte, hat sich im Sommer 2017 zum schwül-nassen Feuchtgebiet mit Spontanseebildung entwickelt.
Es gibt Hoffnung.
Im Juli am Kaffeetisch. Madame und ich sinnierten über die
nicht-mehr-existenten Rosenblüten, die wieder einem Dauerstarkregen zum Opfer
gefallen waren, hatten uns gerade erst vom Anblick der 3,5-Zentimeter-Mordfliegeerholt, da krauchte ein Tier die Treppe zur Terrasse hoch: Gelb-schwarz, zu
groß für eine Wespe. Mit leichtem Rotanteil. Hornisse? Die Farben stimmten, die
Größe kam auch ungefähr hin.
Aber etwas stimmte auch nicht, war anders. Selbst für
eine Hornisse war das Tier zu breit. Der Gang irgendwie seltsam. Das Tier drehte noch eine
kurze Runde an der Kaffeetafel vorbei, verschwirrte sich dann ins
Sommerblumenfeld. Doch noch Hornissen hier? Aber nein, irgendwas ist da falsch.
Zum Glück hatten wir ein Foto.
Das Foto landete in der Wikipedia, wo es eine hilfreiche Bestimmungsseite gibt. Nach 20 Minuten half Autor Kobako („Meine Hobbys: Natur,
Obstbaumveredelung, Bildende Kunst, Computer, Musik“) aus: „No 2. Auf der Terrasse, Hornissenschwebfliege
(Volucella zonaria).“ Okay, Hornissenschwebfliege. Erklärt, warum es wie
eine Hornisse aussah und auch nicht wie eine Hornisse aussah. Kurt Kormanns Buch über "Schwebfliegen und Blasenkopffliegen Mitteleuropas" (Fauna Verlag, 2002) sagt mir dann noch, dass nur Weibchen den gelben Stirnstreifen zwischen den Augen haben. Bei Männchen stoßen die Augen direkt aneinander. Also ein Weibchen.
Aber was ist eine Hornissenschwebfliege?
Aber was ist eine Hornissenschwebfliege?
Hornissenschwebfliege?
Diese Schwebfliege rechnete wie wir mit einem anderen Sommer: „Sie sind in
Mitteleuropa selten, im Süden dagegen häufig“ sagt Wikipedia. Die
Entomologischen Nachrichten sind sich sicher, dass es eine „mediterrane Art“
ist, deren Ausbreitungsgebiet sich deutlich erweitert. Womit sich die Hornissenschwebfliege - auch "Große Waldschwebfliege" oder eindeutig-biologisch Volucella zonaria - der Großen Holzbiene und anderen Arten anschließt, die so langsam nach Norden
ziehen. Tatsächlich sind die Hornissenschwebfliegen im Norden Deutschlands noch sehr selten.
Aus Niedersachsen gab es vor zehn Jahren noch
wissenschaftliche Artikel, die alle Sichtungen der Fliege jemals aufzählten,
ähnliches auch aus Mecklenburg. 2016 erzeugte ein Fund bei Helmstedt dann
mehrere Zeitungsartikel (Beispiel). Wobei die Artikel schlecht recherchiert sind. Zwischen 1970 und 2016 gab es
1994 eine weitere Sichtung des Tiers in Niedersachsen. Aber trotzdem: wir reden hier von einzelnen Sichtungen alle paar Jahre einmal.
Wobei nicht klar zu sein scheint, ob die Fliege
tatsächlich hier überwintert oder erst im Sommer herzieht. Vermutlich aber
überwintert sie mittlerweile. Ausschlaggebend für ihre neu gefundene Liebe zu
Mitteleuropa sind weniger die Sommertemperaturen, sondern der Herbst. Bleibt
der lange genug warm, kann sich die Larve hier voll entwickeln und zur
erwachsenen Fliege werden.
Aber abgesehen davon, dass das Tier funky aussieht als wäre es
von James Brown eingekleidet: Was macht die Fliege denn nun, außer dekorativ
herum zu laufen?
Fliege harmlos
Auch wenn sie eher erschreckend aussieht. Die Volucella zonaria selbst
ernährt sich von Pollen und Nektar. Die Fliegen als solche Leben an Wiesen,
gerne in der Nähe von Waldrändern und saugen Nektar, beispielsweise an
Hartriegeln oder Ligustern. Ganz besonders lieben sie Buddleia davidii, den
Schmetterlingsflieder. Kormann führt in seinem Buch weiter aus: "Baldrian, Dost, Hartriegel, Liguster, Rossminze, bevorzugt blühende Sträucher."
So gerne ist Volucella zonaria allerdings am Schmetterlingsflieder, dass fast alle Sichtungen der Art in untypischen Gegenden (Mecklenburg, Baltikum) die Fliege an einem Schmetterlingsflieder in der Großstadt vorfanden.
So gerne ist Volucella zonaria allerdings am Schmetterlingsflieder, dass fast alle Sichtungen der Art in untypischen Gegenden (Mecklenburg, Baltikum) die Fliege an einem Schmetterlingsflieder in der Großstadt vorfanden.
Aber nur hin- und herfliegen in der Sonne mit den Blümchen?
Die Larven leben das spannendere Leben. Die Larve lebt von toten und sterbenden Wespen und Hornissen, die sie zusammen mit anderen Wespen/Hornissen-Überresten am Boden derer Nester aufsammelt. Leben in einer Höhle umgeben von Wespen oder Hornissen, die zu dem Zeitpunkt noch größer sind als die Larve selbst. Das Leben im Abenteuermodus! Erst im späten Herbst, wenn die Nahrung knapp wird, vergreift sich die Larve auch an lebendigen Wespenlarven. So zumindest die Mehrheitsmeinung.
Die Mindermeinung glaubt, dass sie sich auch schon früher an Wespenlarven vergreift. Aber anscheinend hatte noch niemand Lust über Monate eine Studie am offenen Wespennest durchzuhalten.
Die Larven leben das spannendere Leben. Die Larve lebt von toten und sterbenden Wespen und Hornissen, die sie zusammen mit anderen Wespen/Hornissen-Überresten am Boden derer Nester aufsammelt. Leben in einer Höhle umgeben von Wespen oder Hornissen, die zu dem Zeitpunkt noch größer sind als die Larve selbst. Das Leben im Abenteuermodus! Erst im späten Herbst, wenn die Nahrung knapp wird, vergreift sich die Larve auch an lebendigen Wespenlarven. So zumindest die Mehrheitsmeinung.
Die Mindermeinung glaubt, dass sie sich auch schon früher an Wespenlarven vergreift. Aber anscheinend hatte noch niemand Lust über Monate eine Studie am offenen Wespennest durchzuhalten.
Die Larve der Fliege selbst ist mit 20 Millimetern ähnlich
lang wie die Fliege, theoretisch gelblichweiss, praktisch aber immer von
Erdteilchen bedeckt, sodass sie braun aussieht. Die Fliege hat in der Färbung die Farben einer Wespe.
Ja, wenn ich meine Eier in einem Hornissennest unterbringen will, schadet es wohl nicht, auszusehen wie eine Hornisse. Wobei tatsächlich unklar ist, wie genau Volucella zonaria in das Nest hineinkommt. Auch wenn die Farbgebung stimmt: Wespen sollte auffallen, wenn ein Tier ankommt, das doppelt so breit ist wie eine Wespe, sich anders bewegt und vermutlich auch anders riecht. Die Existenz von einem Flügelpaar (Fliege) statt derer zwei (Wespe) könnte ebenso auffallen wie die anderen Augen.
Ja, wenn ich meine Eier in einem Hornissennest unterbringen will, schadet es wohl nicht, auszusehen wie eine Hornisse. Wobei tatsächlich unklar ist, wie genau Volucella zonaria in das Nest hineinkommt. Auch wenn die Farbgebung stimmt: Wespen sollte auffallen, wenn ein Tier ankommt, das doppelt so breit ist wie eine Wespe, sich anders bewegt und vermutlich auch anders riecht. Die Existenz von einem Flügelpaar (Fliege) statt derer zwei (Wespe) könnte ebenso auffallen wie die anderen Augen.
Vielleicht verströmt die Fliege die richtigen Pheromone?
Vielleicht haben Wespen irgendwann beschlossen, „die tun nichts“ und lassen sie
rein, weil die Fliegenlarven ja letztlich nur als Aufräumkommando im Wespennest dienen. Wenn man
Wespen doch fragen könnte.
Fliege nach Norden
Wie quasi alle Tiere über die ich in den letzten Jahren
schrieb, zieht auch dieses gerade langsam im Laufe der letzten Jahre und
Jahrzehnte nach Norden. Die Entomologischen Nachrichten und Berichte von
2000/2001 halten „wiederholte Funde“ in Brandenburg und Sachsen noch für
berichtenswert, ebenso wie ein(!) aktueller Nachweis aus Rostock. Wie die Tiere
an sich im Norden gerne in Städten gefunden werden – ist es dort doch immer
einige Grad wärmer als auf dem Lande drumherum.
So war Volucella zonaria beispielsweise im Vereinigten Königreich bis zum
Zweiten Weltkrieg komplett unbekannt, zumindest in Südengland – in Gärten und
Parks ist sie mittlerweile häufiger. Wobei sie auch dort bis in die 2000er nur
im äußersten Süden der Insel und in London vorzufinden war, seit etwa 2000
diese Wärmeinseln verlässt und bis auf die Höhe von Manchester und Cheshire
vordringt.
In Deutschland wurde die Hornissenschwebfliege wieder aus der Liste bedrohter Arten
gestrichen, nicht weil es nicht bedroht wurde, sondern weil bei den Biologen
und Naturschützern in der Beziehung noch fröhlich das 19. Jahrhundert lebt, wo
nur „ursprüngliches“ und „schon-immer-dagewesenes“ Wert hat und Schutz genießt
und sich ebenjene Naturschützer mittlerweile einigten, dass die Fliege
ursprünglich ganz aus dem Süden kommt, also in Deutschland auch nicht geschützt
werden muss.
Zu nass?
Und das war es dann erst einmal seit dem Juli. Am Kaffeetisch tauchten nur noch - dieses Jahr deutlich passender zu sein scheinende - Sumpfschwebfliegen auf, sowie die Wespen, von denen wir dem Nachbarn immer noch unterstellen irgendwo ein Nest versteckt zu haben. Bis dann eines Tages im September, wir die letzten Spätsommertage genießend, uns wunderten, dass da eine Wespe gar nicht todesmutig angeflogen kam, sondern zu Fuß die Treppe erklomm.
Die Wespe war bei näherer Betrachtung auch ziemlich groß. Und lief eher seltsam. Ach! Da war sie. Die Hornissenschwebfliege war doch noch einmal gekommen. Fast an derselben Stelle wie vor zwei Monaten? Dasselbe Tier? Anscheinend wieder ein Weibchen.
Wer weiß, meine Insekten-Beringungs-Technik ist noch nicht ausgereitft. Aber sollte es hier sogar zwei Exemplare geben? Ist es eine kleine Schwebfliege, aufgewachsen im geheimen Wespennest beim Nachbarn? Die Fliege auf jeden Fall hatte, viel Zeit. Erklomm so langsam die Terrasse und schien sich auch noch einmal auf der Südwand sonnen zu wollen.
Während der Sommer eher nicht-mediterran war, ist die entscheidende Jahreszeit für die Fliege der Herbst. Dieser scheint sich für sie ganz erträglich zu machen. Vielleicht bleibt sie hier.
Und damit
Nicht alles, was aussieht wie eine Hornisse ist eine
Hornisse. Gerade bei den schwarz-gelben Tieren lohnt der zweite Blick. Die
bieten die ein oder andere Überraschung. Tiere denken trotz Dauerstarkregen
weiterhin, unser Garten/Kleisttierzoo läge weiter im Süden als er eigentlich
liegt. Und auch wenn ich das generelle Insektensterben nicht in Abrede stellen
würde: Kleinst- und Kleintierbeobachtung auf der Terrasse mit Gin Tonic und dem
Fotoapparat an der Hüfte funktioniert im Ländchen Glien sehr gut.
Weiterlesen
Alle Iberty-Artikel zu unserem Kleisttierzoo finden ich unter: Kleintierzoo - die Sammlung
Allgemein empfehlenswert um die dreihundertmillionen verschiedener Schwebfliegen auseinander zu halten: Kurt Kormann: Schwebfliegen und Blasenkopffliegen Mitteleuropas" (Fauna Verlag, 2002)
Noch nicht eingesehen habe ich, aber zum Thema passend, wären die Aufsätze:
Flügel,
H.-J. und Geiseler,E. (1999): Über einige Beobachtungen von Volucella zonaria
(Poda, 1761) in Berlin (Diptera: Syrphidae). – Studia dipterologica 6: 125 –
127; Halle.
Und
Klausnitzer, B. und H. Klausnitzer: Zum Vorkommen von Volucella zonaria (PODA, 1761) in Sachsen
und Brandenburg (Dipt., Syrphidae), Ent.
Nachr. Ber. 38, 4: 272-273
Für die Buchleser stieß ich auf J. Henry Fabres „The Life of the Fly“ mit einem schön erzählten Abschnitt zur Hornissenschwebfliege im
Wespennest. Fabre, ein flussreicher Insektenforscher des 19. Jahrhunderts und
für seinen packenden Stil gerühmt, erzählt hier das Leben der Fliege mit Begeisterung und detailliert nach. Wie immer im 19. Jahrhundert vermutlich nicht den Standards heutiger Wissenschaft gerecht werdend, aber dafür um so anschaulicher.
Natürlich aber veröffentlichte Fabre auf Französisch nicht auf Englisch. Die Textsammlung "The Life of the Fly" in denen neben dem Kapitel zu Volucella zonaria auch noch diverse andere Fliegenarten in einzelnen Aufsätzen gewürdigt werden, scheint exklusiv auf Englisch erscheinen zu sein. Wie der Übersetzer schreibt:
Natürlich aber veröffentlichte Fabre auf Französisch nicht auf Englisch. Die Textsammlung "The Life of the Fly" in denen neben dem Kapitel zu Volucella zonaria auch noch diverse andere Fliegenarten in einzelnen Aufsätzen gewürdigt werden, scheint exklusiv auf Englisch erscheinen zu sein. Wie der Übersetzer schreibt:
The present volume contains all the essays on flies, or Diptera, from the Souvenirs entomologiques, to which I have added, in order to make the dimensions uniform with those of the other volumes of the series, the purely autobiographical essays comprised in the Souvenirs. These essays, though they have no bearing upon the life of the fly, are among the most interesting that Henri Fabre has written and will, I am persuaded, make a special appeal to the reader.
Wer herausbekommt in welchem Werk genau der Text zu Wiesen und
Volucella im Original einmal stand, und eventuell sogar eine deutsche Übersetzung kennt, bekommt von mir eine Packung Fruchtgummibonboninsekten.
Ein bloggigerer und neuerer Text: Natur auf dem Balkon hat aktuelle (Juli 2017)Fotos einer Fliege auf dem, tada, Schmetterlingsflieder.
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