Die Veranstaltungsreihe KNORKE existiert seit mehr als zehn Jahren. In unregelmäßigen Abständen treffen sich Wikipedianer und Freunde und erkunden unbekanntere und bekanntere Berliner Ecken. Mal geht es nach Reinickendorf (war da überhaupt schon wer?), mal nach Neukölln, die Hermannstraße abbummeln oder auch entlang des Kurfürstendamms unbekannte Ecken entdecken und bekanntes neu sehen. Neugier ist – wie immer bei Wikipedia – leitendes Prinzip, und wie immer tragen viele Teilnehmer vieles an Wissen zusammen – nicht immer zur Freude des Wikipedianers, der das alles vorbereitete und sich nun der ganzen Neben-Fremdenführer erwehren muss.
Eigentlich immer verläuft die Veranstaltung fußläufig. Man treffen sich in einer Berliner Ecke, folge einer großen Straße, umrunde ein Viertel oder auch einen See und schaue alles an, was sie am Weg liegt. In diesem Spätwinter soll es ein Experiment geben: thematische Führung mit U-Bahn und Tram. Ein Thema: Schwimmbäder, diese dafür verteilt über die (Innen-)stadt.
Wir beginnen am Stadtbad Schöneberg, betrachten den 1920er-Jahre-Bau, erfahren warum das Bad nach Hans Rosenthal benannt ist und werfen auch einen Blick in das Becken und sehen den badenden Menschenmengen zu. Wir würdigen vom Hochfoyer aus die 1990er-Umbauten, nehmne die Absperrbänder um die Whirlpools zur Kenntnis, und diskutieren den alten Wannenbädern und den Hygienebedingungen im Berlin des 20. Jahrhunderts nach.
Das doppelte Lottchen
Dann geht es mit Hilfe der U7 zum Stadtbad Charlottenburg. Die Alte Halle ist noch offen, die wilden Fassadenfiguren an den hohen dicken Mauern begeisterten. Die beiden doch arg verschiedenen Fassaden irritieren. Im Innenbereich können wir einen Blick auf die gaslampenartige Schwimmabdbeleuchtung werfen, ebenso wie auf das doch recht kleine Becken.
Welch Gegensatz dann die Charlottenburger Neue Halle bietet. Keine wilden Fassadenfiguren, stattdessen Kieselwaschbeton und neonfarbene Säulen - aber auch ein riesiges 50-Meter-Becken mit Ausblick in den Park. Während in den 1890ern noch verhindert werden musste, dass eine Person in Schwimmkleidung auch nur vage ahnbar gewesen wäre, bauten die Berliner die Bädern in den 1970ern direkt in den Park hinein.
Gespräche drehen sich um die Frage ob Schwimmen jetzt überhaupt Spaß macht - dazu gibt es sehr unterschiedliche Auffassungen in der Gruppe - die Frage wann/wie und ob man überhaupt in Schwimmbädern fotografieren könnte und die Überraschung einiger Teilnehmer, wo in der Innenstadt sich tatsächlich Schwimmbäder befinden. Geschichten von damals aus der Kindheit und dem Schwimmunterricht durften nicht fehlen.
Historien am Hauptbahnhof
Es folgen die U2 und die Stadtbahn. Am Hauptbahnhof gibt es kein Schwimmbad zu sehen - das Stadtbad Tiergarten wäre dann doch zuviel Umweg gewesen - aber wir konnten die ehemalige Brücke am Unterbaum erahnen, an der sich Berlins erstes echtes Freibad befand. Quasi direkt am Hauptbahnhof, beziehungsweise auf dessen Gelände, fand auch die Berliner Hygieneausstellung statt, bei der das erste mal Duschen (kalt, in Metallhütten) für die breite Bevölkerung zur Verfügung standen. Und nicht zuletzt stand auch fußläufig vom heutigen Hauptbahnhof das erste Hallenbad Berlins.
Die Schwimmbadtram
Wieder steigen wir um, diesmal in die M10, die Schwimmbadtram. Die M10 bringt uns nacheinander zum Stadtbad Mitte, dem Volksbad Prenzlauer Berg (Schwimmbad Oderberger Straße) und dann zur Schwimmhalle Ernst-Thälmann-Park.
Das Stadtbad Mitte - ein weiterer Bauhaus-Prachtbau in der Gartenstraße mit 50-Meter-Bahn, einem Glasdach und einem Foyer, das ebenso minimal wie edel war - welch Gegensatz zum kaum älteren Bad in Charlottenburg.
Und welche Gegensatz auch zum nächten Bad auf derm Tour, dem Stadtbad Prenzlauer Berg/Oderberger Straße, dem Ludwig-Hoffmannschen'-Schloßnachbau, heute Hotel und Sprachschule und Veranstlatungsort und so eine Art Schwimmbad und schließlich das 1980er-DDR-Gegenstück zur neuen Halle Charlottenburg.
Leider ist in der Oderberger Straße nicht nur das Schwimmbad gerade kein Schwimmbad sondern ein Eventsaal, sondern auch die Kaminbar ist geschlossen.
So gehen wir zum Italiener nebenan. Direkt an der Kastanienallee ist ja kein Mangel an Gastronomie und versorgen und mit Pizza, Bruschetta und Kaffee aller Herrichtungsvarianten.
So langsam wird es dunkel. Das Ernst-Thälmann-Bad leuchtet warm und einladend inmitten des dunklen, dann mittlerweile recht kalten Parks, durch den wir dann schließlich zur Ringbahn gelangen.
Olympiapalast
Eine letzte Etappe bis zur Landsberger Allee und dort zur Schwimm- und Sprunghalle im Europasportpark. Der Prunkbau der 1990er für die gescheiterte Olympiabewerbung. Das Olympiabecken ist leider zu, aber die Fassade erlaubte einen Blick in das Aufwärm- und Öffentlichkeitsbecken. Gut besucht, dort bewegen sich Schwimmer in hoher Präzision, schon fast ballettartig. Wir können noch einmal der gescheiterten Olympiabewerbung nachspüren und ansehen, wie Repräsentationsachitektur der 1990er aussieht. Im Dunklen, aber immer noch trocken, machten wir uns auf den Weg nach Haus und verteilen uns wieder quer über die Stadt.
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