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Montag, 27. Februar 2017

Ballettmontag: Branle. Vom Renaissancedorfplatz zum Barockhof

Party! Ü300! Die Party, nicht für alte Menschen, sondern für alte Tänze. Eine Veranstaltung, die  mehrmals im Jahr in einem spektakulären Gemeindesaal irgendwo bei Dahlem stattfindet. Der Verein Maison Voltaire veranstaltet. Kein Tanz ist jünger als 300 Jahre. Wir feiern mit dem besten aus Renaissance, Barock und Country Dances.

Nach langer Zeit waren Madame Poupou und ich wieder anwesend. Wieder mit Liveorchester, dem Tanzmeister Klaus Abromeit und viel Spaß.

Über die Veranstaltung an sich schrieb ich bereits (Iberty : Schritt – Plié – Schritt – Schritt – Schritt – Plié. Menuett im Gemeindehaus) Diesmal will ich mich aber einem einzelnen Tanz widmen: der Branle. Ein Tanz des Grenzen-Überwindens: vermutlich ein Tanz des Volkes, der schließlich seinen Weg an den Hof fand. Ein Renaissancetanz, der bis weit in das Barock hinein populär blieb.

Die Branle hatte ihre populärste Zeit vom Übergang der Renaissance zum Barock und so kommt der Tanz auch bei Ü300 nach den Renaissancetänzen wie Pawane und Gaillarde an die Reihe, aber noch vor dem Menuett.

Anscheinend ruft dieser Übergang dies ein kleines Loch der Aufmerksamkeit hervor. Während ich mich vom letzten Besuch noch an Pawane, Gaillard, Menuett und Country Dances erinnerte, war die Branle komplett meinem Gedächtnis entschwunden. Das hat sie nicht verdient: ein kleiner, netter Renaissancetanz mit Hüpfen, zeitweise allgegenwärtig und der Univeralverwendungstanz überhaupt..

Branle d'Ossau
Alfred Dartiguenave: Branle d'Ossau. Entstanden 1855/ 1856.
Branle d'Ossau



Die Branle im Laufe der Zeit


Die Branle entstammt soweit sich nachvollziehen lässt, dem einfachen Volke. Wie immer, wenn etwas dem einfachen Volke enstammt, verschleiert ein Nebel unvollkommener Überlieferung die Geschichte. Die Encylopedia of World Folk Dance mutmaßt beispielsweise, dass sich die Branle aus noch älteren Kinderspielen im Kreis entwickelte. Vielleicht war Branle (von frz. branler - wackeln /sich hin- und her-wiegen) auch zuerst nur die Bezeichnung für Seitschritte im höfischen Schreittänzen.

Die Encyclopedia Britannica verkündigt von der Höhe ihrer Autoriät herab, dass der Tanz aus dem 12. Jahrhundert stammt, weiß aber auch nicht wie sie darauf kommt, während diverse Tanzgruppenseiten überschaubarer Seriosität gleich ganz verkünden:  "Man vermutet, dass die Reigen- oder Rondentänze, in denen die Tanzenden sich stets auf der Kreislinie rechts herum bewegten ("mitsonnen" , in Harmonie mit den kosmischen Kräften, dem Lauf der Gestirne) die älteste Tanzform der Menschheitsgeschichte darstellen." 

Andere Nachschlagewerke mutmaßen erst gar nicht, sondern konstatieren, dass der Tanz - scheinbar aus dem Nichts - im 16. Jahrhundert das erste mal in geschriebener Form auftauscht. Die erste Erwähnung soll sich in Thoinot Arbeaus Orchésographie aus dem Jahre 1589 finden. Im Jahr 1611 stellte Randle Cotgrave in seinem französisch-englischen Dictionaire nur lakonisch fest, dass es sich bei der Branle um einen Tanz handelte, bei dem viele Männer und Frauen sich einander an der Hand halten und mal im Kreis und mal längsweise aufgestellt miteinander tanzen.

Der Grundschritt der Branle ist sehr simpel: vier links, vier rechts. Die anspruchsvolleren Versionen erreichen ihren Anspruch vor allem, indem gehüpft wird. Gut für sportliches, junges Volk auf dem Dorfe - anstrengend mit meinem Körperbau. 

Aber wie das so ist: darüber was das Volk in der Renaissance machte, gibt es wenige Aufzeichnungen, egal um welche Beschäftigung es sich dabei handelte. Tanzen in Worten oder Zeichnungen zu beschreiben, war in der Renaissance mindestens so schwierig wie heute. Die ersten schriftlichen Überlieferungen kommen aus einer Zeit, in der die Branle schon am Hofe angekommen war.

Die Barockhöfe ließes es sich nicht nehmen, die Branle zu verkomplizieren und symbolisch aufzuladen. So war es am Hof Ludwig XIV. üblich, dass sich die Paare ihrem gesellschaftlichen Rang entsprechend dem Tanz anschlossen und dies auch die Aufstellung für die nachfolgenden Paartänze bildete. Dort hatte sich der Tanz dann ein gutes Stück vom einfaches Kreistanz mit Anfassen hin zu einer zeremoniellen Angelegenheit hin entwickelt.

Im 16. und 17. Jahrhundert war die Branle einer der populärsten, wenn nicht der populärste Tanz. Die einfachen Grundschritte erlauben zahlreiche Variantionen, durch den Kreis/Reigentanz gibt es keine Bedingungen für die Zahl oder die Verteilung der Tänzer und je nach Wunsch und körperlichen Fähigkeiten lässt sich das ganze von einem Schleichschritt bis hin zum Hochleistungshüpfen variieren.

Über die Jahrhunderte ist der Tanz quer durch Europa gewandert, hat mehrfach seinen Namen gewechsel (Branle, Bransle, Brando, Brawl, Brantle), es kamen elaborierte oder weniger elaborierte Formen hinzu.

Der Tanz an sich


Die Grundstruktur blieb bis zum Verschwinden der Branle einfach: vier Schritte nach Links, vier Schritte nach Rechts, alle im Kreis - oder in der Reihe - und an der Hand gefasst. Damit sich überhaupt was bewegt, sind die Schritte nach Links größer als die nach Rechts.



Vermutlich, um im Bildausschnitt zu bleiben, sind in dieser Aufnahme Links- und Rechtsschritte gleichgroß. Was man hier aber sehen kann: beim Endschritt stehen die Füße direkt nebeneinander. Beim Zwischenschritt ist das nicht der Fall.

Und dann existieren die Variationen: mal Links/Rechts vertauscht, mal nur zwei Schritte in eine Richtung, mal alles gesprungen, mal mit zusätzlichen Hand oder Körperbewegungen. Und natürlich bietet sich der Wendepunkt: also dort, wo der Tänzer von Rechts nach Links wechselt an, um allerlei Figuren, Sprünge etc. einzubauen. Beim Tanzen in der Reihe kann man auch noch Figuren durch den Raum ziehen. Ähnlich wie beim modernen Nachfolder der Polonaise, nur im Normalfall weniger albern.

Getanzt wurde dies - zumindest in späterer Zeit mit schriftlicher Überlieferung - gerne in Suiten: zum Beispiel erst einige Takte die einfach Branle double, dann die Branle Gay mit Kicks, dann die halbierte Branle simple, wieder was gesprungenes und für Verwegene dann beispielsweise noch die Waschweiberbranle.



Ein Tanz schon fast als kleines Theaterspiel. Auch heute noch gerne aufgeführt bei historischen Tanzgruppen, die für Publikum tanzen. Wobei die Dame und der Herr im Video ausgebildete Ballettänzer sind. Sowohl historisch wie auch heute, sieht es meist etwas anders aus, wenn getanzt wird. 

Als Beispiel noch ein Video, auch weit entfermt von Perfektion, aber näher an der Realität der Real existierenden Branle im 21. Jahrhundert:  Branle, getanzt von Menschen wie Du und ich im Kreis. Statt des Springens haben sich die Tänzer hier auch für eine deutlich simplere Umdrehung entschieden, treten aber dafür mit Kostüm auf:



Generell scheinen double, simple und gay fast immer Bestandteil einer Suite von Branles gewesen zu sein und deren Grundgerüst zu bilden, während die anderen Bestandteile je nach Zeit, Ort und Tänzern variierten. Denn Varianten der Branle gab es reichlich.

 

Varianten

Nun wanderte die Branle über lange Zeit durch halb Europa. Der Grundschritt ist einfach und lässt sich leicht adaptieren. Insbesondere das Links/Rechts-Ende der Bewegung bietet sich an, dort Figuren, Bewegungen und anderes Schmuckwerk einzubauen, um die Sache abwechslungsreicher zu gestalten. Und so kam es dann auch.

Varianten, die sich entwickelten, sind die Einsiedlerbranle (Hand vor der Brust gekreuzt, Verbeugung - wie sich Einsiedler grüßten), die Charlotte (Schritte nach links und rechts gleich groß. am Ende ein Ballen-Zehen-Ballen-Shuffle), die la guerre branle hatte doppeltes Tempo und Paare umarmen sich am Ende, die Pferdebranle imitierte Reitbewegungen, die Branle de Sabots imitierte das Tragen von Holzclogs.

Verwegenere Branles führten noch eine Hebefigur, ein Kuss zwischen Partner oder - Skandal! - das Küssen aller Beteligten ein. Am Hofe fand dann noch die Branle la chandelier statt, bei der die Herren Fackeln trugen (gerne zum Eröffnung eines Balles, beim Einzug) und so weiter und so fort. Schwungvollere Branles wie die gay waren auch für jüngere Tänzer bestimmt, die temperamentvolle branle de Bourgogne für sehr junge Tänzer.

Bis ins 18. Jahrhundert blieb der Tanz, mit Auf und Abs auf den Dorfplätzen und an den Höfen populär. An letzteren dann oft durch das komplexere Menuett ersetzt. Aus der Branle selbst entwickelte sich die Gavotte. Die Branle à mener soll auch angeblich ein Vorgänger des Menuetts sein. Während der Anspruch sich noch mehr im Nebel der Geschichte verliert, sind die Schritte doch erstaunlich ähnlich.

Branle ohne Tanz


Und zum Abschluss: wie jeder Tanz, hat sich auch eine eigenständige Musik zur Branle entwickelt, die natürlich auch ohne Tanz gespielt werden kann. Wenn niemand tanzen muss, geht das ganze auch in schneller und elaborierter:



 

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