Bereits die Preußen versuchten seit dem 18. Jahrhundert die Gegend zu entwässern, um sie nutzbar zu machen. Aber erst die DDR konnte dabei ernsthafte Erfolge feiern.
Zentralbild Martin 25.7.1959 Jugendobjekt
Milchstraße Berlin. 43000 ha Wiesen- und Buschland legen Jugendliche für
die landwirtschaftliche Nutzung im Havel-Rienluch trocken. Diese Wiesen
waren bisher zur Viehfütterung nicht zu verwerten, da sie die meiste
Zeit des Jahres unter Wasser standen. 1550 freiwillig arbeitende
Jugendliche reinigen die vorhandenen Gräben und legen neue Gräben an,
damit der Grundwasserspiegel sinkt und das Regen- sowie Schmelzwasser im
Frühjahr abfliessen kann. Damit stehen erhebliche Mengen Futter
zusätzlich zur Verfügung, wodurch die Landwirtschaftsbetriebe dieser
Gegend in der Lage sind, ihre Viehbestände erheblich zu erweitern und
die tierische Produktion zu steigern. UBz: Ein Graben wird gesprengt. Quelle: Bundesarchiv, Bild 183-65843-0003 / CC-BY-SA 3.0 |
Es kam, wie es kommen musste: mittlerweile kämpfen Naturschützer darum, wenigstens Reste des Rhinluchs (nordwestlich von Berlin, zwischen Oranienburg und Neuruppin) in seiner Sumpfigkeit erhalten, einen der deutschen Hauptrastplätze des Kranichzugs, Lebensraum für Rotbauchunke, Adler, Bekassine, Zwergtaucher, Kiebitz und was sonst noch die feuchte Wiese/ den flachen See liebt. Teile der Gegend stehen mittlerweile unter Naturschutz.
Inmitten dieses Gebiets liegt der Kremmener See. Nein, hier liegen dicht an einander die beiden Kremmener Seen. Einige Karten bezeichnen den einen und andere den anderen als Kremmener See. Erst Rückfragen bei der Stadt und zwei längere Gespräche mit den erwähnten Naturschützern verschafften mir die Erkenntnis, wie es soweit kommen konnte.
Die beiden Seen waren bis Mitte des 19. Jahrhunderts ein See. Dann zeigte die Entwässerung erste Folgen, der See verlandete und teilte sich in zwei: das Beetzer Eck - im Nordwesten - mittlerweile fast unzugänglich, weiter am verlanden und auch mit Booten nicht mehr befahrbar und den Kremmener See - gelegen näher an Kremmen, deutlich besser erschlossen und mit Strand und Badestelle.
Die Gemeinde wies noch darauf hin, dass es sich beim Kremmener See nicht um eine EU-Badestelle handelt - sprich, das Gewässer wird nicht regelmäßig auf Schadstoffe überwacht und Badende baden auf eigene Gefahr und eigenes Risiko. Aber dafür ist der See seit 1924 Naturschutzgebiet. Baden im Naturschutzgebiet, das hat was.
Gelände
Es geht ein längeres Stück durch das Nichts – beziehungsweise einen Damm entlang, auf dessen linker und rechter Seite Feuchtwiesen liegen. Diese wurden beim ersten Besuch gleich von mehreren Störchen bevölkert und auch sonst wirkt das ganze wie aus dem Bilderbuch.
Dann ein großer Parkplatz im Wald. Direkt im See liegt auf einem Pfahlbau die SeeLodge, ein Hotelrestaurant. Ein Neubau aus den 1990ern, der die Badeanstalt - ebenfalls ein Pfahlbau - aus den 1920ern ersetzte - wie auch immer sie das hinbekommen habe, einen Neubau mitten in das Gebiet zu setzen.
Das SeeLodge-Gelände selbst ist nur zu Fuß erreichbar. Das Gebäude, wohl von kanadischen Holzhäusern im Outcountry, inspiriert und wirkt wahrlich stilecht und passend in der Gegend. Wir laufen aber erstmal am Restaurant vorbei zum Strand. Dort stehen noch diverse Hütten und Stände, in deren einer sich die Toiletten befinden – dazu später mehr - und aus der anderen heraus Essen und Getränke verkauft werden.
Update 2018: Auf dem Gelände steht noch ein Spielplatz, am Rande liegt ein Beachvolleyballfeld. Immer öfter liegen Kanus oder Kayaks am Ufer, deren Benutzer sich am Café erholen.
Der Sandstrand ist von einer Art Steg aus Beton eingegrenzt, an dessen Außenseite Boote anlegen. Auf dem Steg sind teilweise noch Tische und Stühle.
Baden
Es ist ein Traum. Es. ist ein. Traum. Das Wasser ist nicht wirklich klar, dazu ist es zu schlammig, aber wirkt sauber und angenehm. Der Sandboden ist fest, wenn man etwas weiter in den See läuft, bemerkt man den Hauptzugangswegs (frei) und die nicht so gern benutzten Pfade (Wasserpflanzen).
Das Gefälle ist so, wie man sich das vorstellt - ohne harte Abbruchkante, aber doch merklich vorhanden. Im Wasser selbst taucht ein faszinierender Wechsel aus recht warm und sehr kalt, teilweise mit einem halben Meter unterschied. Sobald das Wetter etwas windiger wird, bilden sich überraschend schnell Wellen. Die sind von Außen immer noch kaum zu bemerken, aus dem Wasser heraus aber durchaus.
Und noch eine Warnung: sobald man die mehr oder weniger aus der Fahrrinne herausschwimmt und links und rechts der Bojen bleibt, trifft man schnell auf Wasserpflanzen. Die wirkten bisher immer eher unangenehm als gefährlich, es fühlt sich zuerst aber unangenehm an.
Sobald man den Steg hinter sich gelassen hat, schwimmt man in einem eindrucksvollen Panorama aus Schilfrändern, Seerosen, einem Wald am Horizont, einem Kanal, der in der Ferne verschwindet und dem ein oder anderen Vogel am Horizont. Manche Tage fliegen die Schwalben so tief, dass man quasi auf Augenhöhe mit ihnen schwimmt. An anderen kreist über dem See der eine oder andere Greifvogel. Diese Vögel stören mich weniger als die Boote - immerhin werden diese meistens mit Muskelkraft betrieben. Ein Motorboot auf dem See bleibt die große Ausnahme.
Würde ich ein Badebilderbuch planen, sähe das genau so aus. Auf dem See ist das ein oder andere kleinere Boot unterwegs - die sind aber so spärlich, dass es eher den landschaftlichen Reiz erhöht als gefährlich zu wirken.
Umkleide, etc.
Ich bin mir nicht sicher, ob es offizielle Umkleiden gibt. Da es sich hier ja auch nicht um eine offizielle Badestelle handelt, habe ich Zweifel. Die Toiletten waren laut dem Kaptain 2016 furchtbar. Nicht benutzen wenn es sich irgendwie vermeiden lässt. Wenn der Kaptain sowas sagt, wird das natürlich nicht mehr hinterfragt, sondern ist so und wird auch in den folgenden Jahren nicht mehr überprüft.
Gastronomie
Es gibt das erwähnte Restaurant.
Publikum
Letztes mal war ein Hochzeitspaar da, dass noch Hochzeitsfotos gemacht hat: Lasziv auf dem Steg, verträumt halb im Wasser und am Ende heftig spritzend ins Wasser laufend. Großes Kino. Am Wochenende hat man eh gute Chancen den Hochzeitsgesellschaften zuzusehen - was fast immer großes Kino verspricht.
Ansonsten Ausflugsgesellschaften, Familien, Radtouren, zunehmend Bootsauflügler. Alle nicht wirklich schick, eher so glückliches Dorf aber insgesamt recht angenehm. Auch bei Schietwetter war immer irgendjemand da, so dass man sich nicht einsam fühlte und auch bei 33 Grad am Wochenende war es noch lange nicht überfüllt.
Preise/Öffnungszeiten
Das Gelände ist öffentlich zugänglich und nicht abgesperrt, also umsonst und immer. Ob die SeeLodge sich beschwert, wenn ihr nachts um zwei wildes Vollmondbaden plant, habe ich bisher noch nicht getestet.
Update 2019: Die Umgestaltung und Verschönerung des Geländes hat ihren Preis: 2 Euro um genau zu sein beziehungsweise 50 Cent für Kinder. Es gibt keine Kasse, sondern der ein oder andere fleißige Mensch rennt auf einen zu, wenn man das Gelände betritt. Während ich mit dem Eintritt leben kann und ihn für fair halte, habe ich ein anderes Problem: Es gibt seit Juli 2019 Öffnungszeiten. der See ist nur noch von 10 bis 20 Uhr geöffnet. Montag und Dienstag ist Ruhetag.
Update 2020: Inzwischen haben sich Gemeinde und Betreiber darauf geeinigt, dass zwingend eine Badeaufsicht anwesend sein muss, um Badebetrieb zu ermöglichen. Das ist meistens am Wochenende der Fall, aber nicht immer. Die aktuellen Öffnungszeiten gibt es ausschließlich auf der Facebookseite der Seelodge. Der Eintrittspreis ist auf 3 Euro gestiegen.
Eintrittskarte zum Kremmener See "Preis laut Aushang - derzeit 2 Euro" und Wertbon am Kiosk. |
Update 2021
Die Lage ist kompliziert. Die Badestelle ist geschlossen. Die Badestelle liegt auf dem Grundstück der "Seelodge". Diese ist in Erbpacht an einen privaten Betreiber vergeben und wird vor allem als Event- und Hochzeitslocation genutzt. In den letzten Jahrzehnten lief es so, dass an der Badestelle ein Schild stand "Baden verboten". Das alle lasen, alle ignorierten. Stadt und vorherige Pächter beschlossen, dass sie damit fein raus sind. Sollte jemand ertrinken oder anders zu schaden kommen, wäre die Person selber schuld.
Das war schon immer eine wagemutige Position. Mehrere Gerichtsurteile in den letzten Jahren haben die Position in den letzten unhaltbar gemacht. Wer eine Badestelle betreibt, muss für ihre Sicherheit haften inklusive Badeaufsicht, Entfernen gefährlicher Gegenstände et cetera. Das kostet mehr Geld als sich durch den Betrieb der Badestelle verdienen lässt. Weder Pächter noch Stadt wollen dieses Geld bezahlen und schieben sich gegenseitig den Schwarzen Peter zu.
Die Badestelle ist geschlossen und die Kremmener Bürger sind so entrüstet, dass sich selbst im friedlichen Kremmen schon Demonstration gegen die Schließung ereigneten. Es bleibt spannend. Und wir fahren derweil zum Nymphensee.
Sonstiges
Der Greifvogel. Wie gesagt: See, Natur und Schilf allüberall und über dem See ein größerer Greifvogel (Rohrweihe?), der sich ein paar Fische fing. Großes Kino.
Das Beetzer Eck, also der andere Kremmener See, hat angeblich auch eine Badestelle. Aber nachdem mir die Naturschützer den Weg geschildert hatten (am Ende war es "vor dem Wald links" und dann 1,5 Kilometer laufen) verstand ich auch, warum sie auch meinten, dass es dort selbst bei perfektem Angelwetter nur selten Angler dorthin verschlägt. Dafür soll das Wasser dort sehr klar sein und es ein perfekter Ort sein, wenn man wirklich allein sein möchte..
Fazit
Solange man nicht plant, die Toiletten aufzusuchen: ein See wie im Bilderbuch, Baden wie in den verklärten Erzählungen von Oma mit Greifvogel, Kaffee, Sandstrand und viel viel Natur.
Weiterlesen
Wen es in die Gegend verschlägt und wer trotzdem mal andere Badestellen ausprobieren möchte, den verweise ich an die Übersicht über die Badeseen im Ländchen Glien.
Mehr zur Gegend an sich: Flugsanddünen
Die hautnahe und auf ihre eigene Art bewegende Schilderung der ganzen Rhinluch-Entwässerung lieferte Franz Fümann in seinem Ruppiner Tagebuch ab: "Aber wen, um Himmels willen, interessiert das? Wen geht überhaupt Neuruppin etwas an?".
Alle Iberty-Posts zu Badestellen, Freibädern und Hallenbädern: Schwimmbäder nah und fern: Rückblick und Ausblick.
Alles zu dieser Gegend: Kleintierzoo.
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