Montag, 8. August 2016

Nachtzug. Die Zukunft, die nicht mehr wird

Was wird aus den Nachtzügen? Die Deutsche Bahn will mit den Zügen nichts mehr zu tun haben. Vielleicht betreibt die ÖBB die Züge für längere Zeit? Vielleicht auch nicht. Nachtzüge – eine Hoffnung auf die bessere Zukunft und Luxus für alle, die sich nicht erfüllte. Die Züge der DB sind fas Geschichte.

Züge als Monument einer Zeit, in der Reisen noch Reisen war, aber die Fernreise durch Europa schon für alle Menschen in Reichweite schien. "Luxus für alle" scheinen sie sagen zu wollen. Das war ihre Vision. War. Vor EasyJet, Geschäftsreisenden im ICE und anderen Zumutungen des 21. Jahrhunderts. Reisen noch als Erlebnis und nicht als schnell zu überbrückendes Ärgernis zwischen zwei Orten.



Verblasste Vision: Individueller Service bei der Bahn. Das gab es mal. Der kleine Luxus in Form eines eigenes Waschbeckens. Ein eigenes Bistro, in dem es bis spät in die Nacht Bier und Chili con Carne gibt.



Ein fast persönlicher Schaffner. Eine Tür zum Abschließen! Erinnerungen an Zeiten in denen ich noch in normalen Abteilen im Regionalzug die Vorhänge zuziehen, die Sitze ausziehen und mich hinlegen konnte. Zeiten vor dem Sitz mit vier Zentimeter Bewegungsspielraum, Zwangsbeleuchtung, Zwangsklimaanlage und all‘ den Zumutungen des Großraumwagens. Übrigens waren das auch noch Zeiten in denen der Speisewagen etwas enthielt, was einer Küche glich. Weg. Rationalisiert. Nur noch überlebend im Metropol und im DB-Nachtzug. Als Reisen noch schön sein sollte und nicht möglichst vorbei sein.

Der Zug


Heiligabend. Zugestiegen 21:56 Uhr, Berlin. Eine halbe Stunde Aufenthalt in Bitterfeld. Einfahrt nach Leipzig Hauptbahnhof, Ausfahrt aus Leipzig Hauptbahnhof und Wiedereinfahrt auf das Nachbargleis. Ein Bistrowärter mit Weihnachtsmannmütze.

Das Bistro nur mit Stehplätzen, aber mit dem Charme einer Eckkneipe. Wer den Film „Kleine Haie“ und dort die gefilmte Autobahnraststätte kennt: es ist so ähnlich. Wer 80er-Jahre Autobanraststätten kennt: es ist so ähnlich. Hier will man noch drei Stunden bleiben und fünf Bier trinken. Kein Vergleich zu den heutigen Bistros, die zu sagen scheinen „Sei willkommen, aber bleibe bitte nicht zu lange.“

Im Abteil. Der Schlüssel eine Art Lochkarte aus Hartplastik. Der Versuch zwei große Menschen und zwei Koffer gleichzeitig in eine enge Doppelkabine zu zwängen. Die Koffer passen unter das Bett. Fast zumindest, Selbst die Schuhe dazu noch irgendwie.

Vergebliche nächtlich Versuche den Klapptisch aufzurichten. Gut, dass niemand unter uns reist, der wäre jetzt knallwach. Endlich einmal alle Lichter löschen und aus dem Abteil in die Nacht sehen – ein Erlebnis, dass mir die deutsche Bahn auch seit zwanzig Jahren vorenthält. Bier vom Bistro und mitgebrachter Rotwein. Der Waschschrank leuchtet rot. Das Nachtlicht glimmert blau.

We are 16 minutes early


Frühstück im Bahnhof mit Blick auf das Bahngleis. Bahnansagen. „We are 16 minutes early. No problem.“ Entspanntes Reisen. Neben uns ein Pärchen aus Asien, dem der Schaffner in aller Ruhe die Schlüsselkarte erklärt. Abschließbare Abteiltüren. Echte Betten.

Sechs Stunden Schlafen am Stück. Luxus pur! Bahnreisen als echte Form des Reisens, nicht als bessere Busfahrt. Wlan im Zug interessiert mich weiterhin gar nicht. Orangensaft und Brioche. Bahnstyle zwar - aber immerhin es zeigt Bemühen. Kaffee sogar trinkbar.  Willkommen beim Europa-Spezial. Die Zukunft der Bahn, die nie Wirklichkeit wurde.

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