Aber von Anfang an. "Knorke" - wie hier schon mehrfach geschrieben - ist eine nette informelle Veranstaltungsreihe, bei der sich Wikipedianer und Wikipedianerinnen unregelmäßig treffen, um bekannte und vor allem unbekanntere Berliner Gegenden abzulaufen, anzuschauen, zu erkunden und zu erforschen. Das allererste dieser Knorkes fand vor 10 Jahren statt und ging durch die Hermannstraße - so die Legende. Das Knorke war ein wichtiger Beitrag zum Entstehung des Hermannstraßen-Artikeln. Zu einer Zeit, zu der es heftig umstritten war, ob überhaupt Artikel zu Straßen in Wikipedia stehen sollten, schlug der Hermannstraßen-Artikel eine diskursive Bresche: man kann nicht nur Artikel über Straßen schreiben, sondern man kann sogar sehr gute und interessante Artikel über eine Straße schreiben. Dieses erste Knorke legte Grundlagen für die spätere Wikipedia.
Wie es sich für ein kleines Jubiläum gehört, wollten wir der Ursprünge gedenken und noch einmal - wie damals im Dezember 2005 - die Hermannstraße in Neukölln entlanglaufen.
Hallo, Neukölln!
Nachdem Krankheit und Wetter in letzter Sekunde fünf der neun angekündigten Teilnehmenden am Erscheinen gehindert hatte, trafen wir letzten vier uns im kräftigen Nieselregen/schwächelnden Starkregen vor der Tür des Handwerkerstübchens. Über den KNORKisten hing die große Hertha-Fahne, denn sonntag war Spieltag und das Handwerkerstübchen überträgt. Ein Knorkist fehlte unentschuldigt. Aber nachdem er auch nach dem akademischen Viertelstündchen nicht auftauchte, begann Veteran Lienhard mit einführenden Worten über Rollbergsiedlung, Hermannstraße und Schillerkiez und dem Ur-Knorke 2005.
Dann ging es - wie es die historische Tradition will - entlang der Allerstraße durch den Schillerkiez Richtung Tempelhof. So richtig aufgehübscht sieht die Gegend entgegen aller Gerüchte auch 10 Jahre später noch nicht aus. Immerhin kamen wir - neben Futschi-Sonderangeboten, Eckkneipen und vielen Anarchie-A's auch an dem ein oder anderen Streetwearstore, der ein oder anderen Kitesurfschule und einem "Korean Soul Food" mit "Pop Up Kitchen" vorbei.
Damals ging der Weg Richtung Flughafen, diesmal ging es Richtung Tempelhofer Park. Trotz Schließung des Flughafens und Eröffnung des Parks in den letzten zehn Jahren hat allerdings die Genezarethkirche an der Schillerpromenade bis heute ihre Turmspitze nicht zurückerhalten, die ihr einst der landenden Flugzeuge wegen gekappt wurde.
Gekappte Kirche. Bild: Cafe im Anbau der Genezarethkirche Von: Bodo Kubrak Lizenz: Public Domain
Weiter nach Süden auf dem Parkgelände. Erinnerungen wurden wach. Damals bei der WM 2006 als die Nacht durch bis morgens zum acht die Privatjets der Fußballgranden starteten und landetetn, Flugzeuge am Küchenfenster. Flugzeuge sichtbar aus der Badewanne. Und die diversen Volksbegehren.
Nach der Besichtigung von "Gebäude 113" und der Frage wo sich hier wohl die anderen 112 Gebäude verstecken, ging die Route bis zum Werner-Seelenbinder-Sportpark. Dort konnten wir nicht nur aus der Ferne ein Eishockeyspiel beobachten, sondern uns standen - im Gegensatz zum Dezember 2005 - auch die Tore des Sportgeländes offen. So konnten wir Werner Seelenbinder in seiner ziemlich unprätentiösen und gut versteckten Gedenkstätte einen Besuch abstatten. Nachdem wir die kurze, ruhmlose Fußball-Bundesligazeit von Tasmania Neukölln gewürdigt hatten, ging es wieder Richtung Hermannstraße.
Durch die Warthestraße wandelten wir, immer noch im Regen, - entlang eines 80er(?)-Jahre Spielplatzes und künstlerisch verschönter Grünfläche - durch eine ruhige, tendenziell ganz nett wirkende Wohngegend. An der Hermannstraße waren dann diverse Friedhöfe. Der 2005 aufgesuchte Gedenkstein für die Zwangsarbeiter-der-evangelischen-und-katholischen-Kirchengemeinden-im-Zweiten-Weltkrieg ist mittlerweile zwei Friedhöfe die Straße weiter hoch gezogen. Ergänzt wird der Gedenkstein durch einen vermutlich informativen - sonntags aber geschlossenen - Infopavillon. Nicht versetzt wurden die Flutlichter für die Anflugschneise zum Tempelhof-Airport mitten durch den Kirchhof V der Jerusalems- und Neuen Kirche - fast noch eigentümlicher als der abgesäbelte Kirchturm aus dem Schillerkiez.
Kunst in Kreisform. Knorkisten bewundern.
Da der Regen immer noch regnete, verzogen wir uns nach etwa 20 Metern auf der Hermannstraße in ein recht nettes und schickes Cafe (bestimmt nach 2005 eröffnet) zu Bagel, Milchkaffee und Bananenkuchen, um aus dem anwesenden Zeitzeugen die schriftlich nicht mehr dokumentierte damalige Route herauszubekommen. Und siehe da: "Weiter ging es nicht". Hier war es dann zu Ende. Er meinte noch: Die Straße ist ja auch recht langweilig, da gibt es nichts zu sehen. Der Ex-Knorkist verabschiedete sich also hier, die anderen gingen noch ein Stück die Hermannstraße hinauf. Letzlich waren allerdings durch den Regen so ausgelaugt, dass die erste Chance nutzten, in den nächsten Bus direkt nach Hause zu springen. Und damit war dies bereits der zweite Hermannstraßen-Knorke, der die Hermannstraße weitgehend ignorierte.
Soviel zum legendären Ur-KNORKE an der Hermannstraße! Es hat nie stattgefunden! Die Wikipedia-Geschichte muss neu geschrieben werden. Der Artikel gelöscht. Immerhin war es ein schöner, kleiner Schillerkiez-KNORKE mit Wikipedia-historischen Anwandlunge. Wir sehen uns da wieder 2025!
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