Was ist es? Wo sind wir? Wo kommen wir her? Wo gehen wir hin? Wikipedia ist 11 Jahre alt, Wikimedia immerhin 8. Zeit, mal ein bisschen inne zu halten, sich zu fragen, was falsch und richtig lief, und vor allem in welche Richtung und warum. Bisher folgten wir ja immer dem Konzept sei mutig, und probierten, was gut, richtig und edel erschien. Die Zukunft war ungewiss, und niemand konnte wissen, welche der vielen seltsamen Ideen der Wikim/pedianer funktioniert. Nun ist es aber vielleicht mal Zeit zu reflektieren. Nach soviel Jahren, existieren ja gewisse Erfahrungswerte. Ich habe mir ja vorgenommen, mich mehr mit den Grundlagen des ganzen Wikim/pedia-Universums auseinanderzusetzen. Warum funktioniert Wikipedia? Wie verändert sie die Welt? Und was ist dieses ominöse Freie Wissen, das sie vertreten soll.
Lamb's Navy
Vor ein paar Tagen befasste ich mich unter der Überschrift Das Wissen ist schon frei (Freies Wissen I) bereits mit den Freien Lizenzen, und ihrer Bedeutung zur Wissensvermittlung. Zusammengefasstes Fazit: Was Texte angeht, werden Freie Lizenzen in ihrer Bedeutung maßlos überschätzt. Wikipedia veränderte die Welt zum Besseren. Das hatte viele Gründe, von denen Freie Lizenzen nur ein sehr randständiger waren.
Lamb's Creek Bridge
Nun sind Freie Lizenzen nicht alles, nicht einmal im Wertekanon der Wikimedianer. Es gibt genug weitere Probleme. Eines davon ist Featuritis, der Anspruch zu viel zu machen, und zu viele Weltprobleme lösen zu wollen. Grundthese: das, was Wikipedianer und Wikimedianer können, und was sie positiv von allen anderen abhebt, ist es eine Onlineenzyklopädie zu schreiben. Das mag jetzt auf den ersten Blick banal klingen, ist aber praktisch gar nicht so einfach.
Und die Aussage erlaubt natürlich auch den Umkehrschluss, darüber was Wikipedianer und WIkimedianer nicht besser können als alles andere, und wo sie über keine besondere Kompetenz verfügen: alles außer eine Online-Enzyklopädie schreiben. Dann allerdings stellt sich die Frage: warum sollten sie es machen? Also jetzt nicht als Hobby, sondern mit großen Aufwand und quasi professionell?
Lamb's Head
Nun muss sich dieses Wissen nicht allein aufs Wikipediamachen konzentrieren. Aber es lohnt vielleicht einmal, nachzusehen, welche Faktoren Wikipedia zu dem Erfolg machten, die sie ist. Und zu schauen, wie man diese Faktoren weiter ausbauen und fördern kann:
• Wissen so organisieren, dass Menschen es wiederfinden. (das ist nicht trivial. Trotz nie wirklich funktionierender technischer Suche, ist Wikipedia die einzige mir bekannte Website, auf der man Informationen nach einer gewissen Zeit tatsächlich wiederfindet.)
• Menschen so zu organisieren, dass die unter tolerablen sozialen Reibungen in der Lage sind, langfristig und konstruktiv Zusammenzuarbeiten.
• Dabei können sie im Großen und Ganzen diejenigen Menschen anziehen, die in der Lage sind, der Enzyklopädie hochwertig qualitativ zuzuarbeiten.
• Wissen aus den Tiefen des wissenschaftlichen Betriebs so aufzubereiten, dass zumindest Gymnasiasten einen Großteil verstehen können.
• Und dabei so zu formulieren, dass zahlreiche Menschen, dieses Texte freiwillig lesen.
• Zu den geheimen Superkräften, deren Wikipedianer sich kaum bewusst sind, gehört es zudem dieses Wissen im Internet so aufzubereiten, dass alle Suchmaschinen es lieben.
Das können Wikip/medianer, und darum sollten sie es machen. Bei allen anderen Aktivitäten, bedarf es schon erheblicher Rechtfertigung, warum ausgerechnet Wikip/media sich dafür zuständig fühlen sollte.
Wie wir an diversen Wikimedia-Vereinen/Chaptern und auch der Wikimedia Foundation in den letzten Jahren gesehen haben, ist bei allen anderen Tätigkeiten eine steile Lernkurve zu bewältigen. Bei allen Tätigkeiten, die nichts mit Online-Enzyklopädie zu tun haben, unterscheiden sich Wikipedianer nicht groß von ihren Mitmenschen. Sie sind auch nicht kompetenter als eine zufällig in der nächsten Uni zusammengesammelte Auswahl wäre. Und natürlich, wenn man mit den Weltbesten in Sachen Online-Enzyklopädie kooperiert, erwarten die von ihren Partnern natürlich auch das weltbeste. Was Wikimedia strukturell nicht leisten kann:
Real Life. Wissen hinterhertragen. Es pädagogisch organisieren. Dafür Lobbying zu betreiben. Stände zu betreuen. Auf Messen zu gehen. Kompetente Ansprechpartner finden. Natürlich sind wir keine Totalversager in den Bereichen, und mittlerweile gibt es ja auch professionelle Hilfe. Aber wenn man in einem Bereich das weltbeste ist, fällt Brot-und-Butter-Arbeit in den anderen Bereichen natürlich viel mehr auf.
Sind wir pädagogisch besser als echte Pädagogen? Keinesfalls. Haben wir besondere Erfahrungen damit, Wissen offline zu vermitteln? Nicht im Geringsten. Gibt es einen besonderen Grund, warum ausgerechnet wir es machen sollten? Keineswegs. Kann es notwendig sein, das zu machen? Vielleicht. Aber dazu in späteren Posts mehr? Ist es die Berufung von Wikip/media? Eher nicht.
Schwarznasenschaaf
Mein Kommentar ist etwas länger geworden, deshalb auf diesem Wege:
AntwortenLöschenhttp://www.finanzer.org/blog/2012/03/23/do-what-you-can-do-eine-replik/
Also, ich habe deinen Blogpost jetzt einige Tage sacken lassen, auch Michails Replik gelesen, der ich weitestgehend zustimme.
AntwortenLöschenDaraus resultiert, dass ich deinem Post nur eingeschränkt zustimmen mag.
Vorweg: Ich halte es für sehr wichtig, dass man seine Wege und Ausrichtungen jederzeit kritisch überprüft um festzustellen, was funktioniert und was nicht.
Daher empfinden ich deinen Post auch als wertvoll, um die eigenen Gedanken zu sortieren.
Dein Ansatz: Wir können Enzyklopädie erstellen, alles andere können wir nicht oder nur durchschnittlich und sollten es daher lassen.
Mit diesem Ansatz vergisst du aber, dass wir auch nicht vom ersten Tag an "Enzyklopädie machen" konnten. Das war und ist ein bisweilen sehr schmerzhafter Lernprozess.
Ich sehe daher nicht, dass wir uns nicht auch in verwandten Bereichen und entwickeln und mit der Zeit auch verdammt gut werden können.
Beispiel OER: Wir stehen hier, zusammen mit den Lehrern, noch ziemlich am Anfang, aber ich halte den Bereich für sehr wichtig, es sind viele Verknüpfungen zur Wikipedia und zum Freien Wissen da. Zusammen mit Pädagogen können wir sicherlich viel für freies Lern-/Lehrmaterial in den nächsten Jahren erreichen.
Beispiel Lobbying für Freie Lizenzen: Auch wenn du sagst, dass "Freie Lizenzen nicht alles" seien, so sind sie doch die rechtliche Basis unserer Arbeit. Wikipedianer haben sich im Laufe der Jahre ein enormes Wissen im Urheberrecht angeeignet. Dieses sollte durchaus genutzt werden, um den Gedanken der Freien Lizenzen auch in die Politik und Gesellschaft zu tragen, wovon schließlich auch wieder Wikipedia profitieren kann.
Fazit: Ich plädiere dafür, in diesen und anderen Bereichen einfach noch besser zur werden als der Durchschnitt, damit schlussendlich das Freie Wissen davon profitieren kann.
So, das ist jetzt vor dem Frühstück länger geworden als ich dachte. Mahlzeit.
Fürs Protokoll: Der vorstehende Kommentar von vor dem Frühstück ist von mir. Keine Ahnung was beim Senden schief gegangen ist. Raimond.
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