Warum ist Wikimedia Deutschland eigentlich ein Verein für Freies Wissen, und keiner für freie kollaborative Zusammenarbeit im Netz?
Wikis und freier Zugang im Netz haben mit dem Erfolg der Wikipedia sehr viel zu tun. Die Wikipedia-Nachnutzung durch freien Lizenzen zur Nachnutzung aber eher wenig. Warum haben die Gründungseltern beschlossen, sich auf den schlechter laufenden Teil des Erfolgsrezepts zu konzentrieren?
18 Kommentare:
Ohne Hintergrund ist mir die Frage unklar.
Weil "Freies Wissen" (außerhalb der Taliban) universell positiv besetzt ist, während "freie kollaborative Zusammenarbeit im Netz" sich eher nach einem Förderantrag für öffentliche Mittel anhört?
Zumindest unsere Leser werden kaum in der Wikipedia nachschlagen, weil ihnen der Entstehungsprozess so gefällt, sondern weil sie ihnen einen Mehrwert bietet. Und viele Autoren werden sich auch in der Pflicht sehen, diesen Mehrwert weiter zu steigern.
Tim,
klar. Freies Wissen hört sich aber auch besser an, als Inhalte unter einer Lizenz, die freie Nutzung und Veränderbarkeit auch für kommerzielle Anwender erlaubt. Das könnte man schon netter formulieren.
Und klar, die Leser schlagen da nach, weil sie etwas finden, was ihnen nutzt. Nur wird dieses etwas durch freie kollaborative Zusammenarbeit erschaffen - nicht dadurch, dass das ganze unter CC-BY-SA steht.
Dirk, du schreibst: "Nur wird dieses etwas durch freie kollaborative Zusammenarbeit erschaffen - nicht dadurch, dass das ganze unter CC-BY-SA steht."
Ich würde schreiben: "Nur wird dieses etwas durch freie kollaborative Zusammenarbeit erschaffen - UND weil das ganze unter CC-BY-SA (+ historisch GFDL) steht."
Die Freiheit des Wissens, d.h. der freie Zugang für Jedermann, inkl. Nachnutzungsmöglichkeitn, ist für mich ein zentraler Bestandteil meiner Motivation, seit über 8 Jahren in der Wikipedia und ihren Schwesterprojekten mitzumachen.
+1 @Raymond.
Aber: Wir schotten uns zu stark gegenüber der restlichen Wikisphäre ab. Die „Anderen Wikis“ sind für uns nur ein Ort, wo die Artikel hinwandern, die bei uns gelöscht worden sind. Anstatt den Nutzen der kollaborativen Zusammenarbeit unter freier Lizenz zu sehen.
Nehmen wir doch nur einmal diese Diskussion der Kollegen vom Portal Essen und Trinken, wo aus rein ideologischen Gründen Links auf qualitativ hochwertige Rezepte nicht geduldet werden. Das Rezeptewiki ist dem Wikibooks-Kochbuch qualitativ und vom Umfang her meilenweit überlegen. Der Fall Wikivoyage ist gleichgelagert.
Das Ressentiment gegenüber anderen Wikis hat zu dieser Beschränkung auf Wikimedia-Projekte geführt. Ich wäre auch sehr dafür, sich endlich zu öffnen, nicht nur was die Eingliederung der übrigen Wikisphäre in Wikipedia angeht, sondern auch was die Zwecksetzung von WMDE betrifft.
@ASchmidt: ++1, siehe hierzu auch meinen Bericht aus 2009 zu einem StadtWiki-Barcamp: http://alexandria.posterous.com/stadt-und-regiowikis
Leider hatte ich dieses Jahr keine Zeit für die Folgeveranstaltung in Brest: http://blog.wikimedia.de/2011/09/20/regiowiki-camp-2011-in-brest-frankreich/
WMDE hatte für Reisekosten auch ein Budget bereitgestellt: http://lists.stadtwiki.info/pipermail/public/2011-August/000046.html
@Raymond: Danke für den Hinweis auf die Stadtwikis, auch ein gutes Beispiel.
Hinzu kommt: Wenn wir die anderen Wikis in WP mehr beachten würden, könnten wir auch unsere Relevanzkriterien besser vertreten: Andere Wikis als Ergänzung -- und umgekehrt: Die Wikipedia als Ergänzung zu den anderen Wikis.
Wir sollten die Kriterien für Weblinks ändern.
raymond + aschmidt: wobei ich ja glaube, dass ihr da ziemlich alleine dasteht. ich zum beispiel habe mindestens ein halbes jahr intensives wikipedieren gebraucht, um überhaupt zu verstehen, was "freie enzyklopädie" eigentlich - jedenfalls für die wikipedianer selbst - bedeutet, vorher hatte ich immer gedacht, dass "frei" eben auf das wikiprinzip bezogen ist. und das, würde ich behaupten, denken auch fast alle wikipedia-leser (d.i. die eigentlichen "nutzer"). natürlich ist die freie lizenz eine tolle sache, aber ist sie wirklich die essenz der wikipedia? oder, um zur ursprünglichen wmde-problematik zurückzukommen: ist es in ordnung, mit der begründung "wikipedia braucht geld!" spenden zu sammeln, während man eigentlich "freies wissen" unterstützen will, das nur einen teil, vermutlich nicht einmal den wichtigsten, des wikipedia-konzepts ausmacht?
@Tolanor: Nach §2 III der Satzung ist WMDE ein Chapter der WMF, was bei allen seinen satzungsmäßigen Zielen eine Einschränkung auf die Wikimedia-Projekte mit sich bringt. Wenn wir also über de Wikimedia-Projekte hinausgehen wollen und den Rest der Wikisphäre mit einbeziehen möchten, müssen wir bei den Kriterien für Weblinks ansetzen.
Für mich war Wikipedia von Anfang an Wikiprinzip+Freie Lizenz.
@Aschmidt: Warum sollte das eine Einschränkung mit sich bringen? Mit WissensWert zum Beispiel wurden bewusst eine Reihe von Initiativen für Freies Wissen unterstützt, die keinen direkten Bezug zu Wikimedia haben. Und ich hoffe auch, dass solche Förderungen weiter stattfinden. Es tut ganz gut, mal über den Tellerrand zu schauen und zu berücksichtigen, dass es auch noch andere gibt, die sich für ähnliche Ziele einsetzen. Voneinander und miteinander lernen oder auch profitieren wird nicht durch den Chapter-Status ausgeschlossen.
Der Schwerpunkt liegt auf Wissen, das frei sein soll. Das geht zurück auf den Sinn und Zweck von Enzyklopädien, die gerade darin lagen bzw. liegen, Wissen zu vermitteln, und das möglichst jedem. Aus Sicht des Freien Wissens sind Wikis, Online-Kollaborationen und freie Lizenzen (lediglich) Mittel zum Zweck. Als Lesestoff empfiehlt sich hier auch die Präambel zur Satzung:
» … damit die Arbeit der vergangenen Jahrhunderte nicht nutzlos für die kommenden Jahrhunderte gewesen sei; damit unsere Enkel nicht nur gebildeter, sondern gleichzeitig auch tugendhafter und glücklicher werden, und damit wir nicht sterben, ohne uns um die Menschheit verdient gemacht zu haben.« Denis Diderot
Wissen ist seit jeher ein wesentlicher Faktor für die soziale, kulturelle und wissenschaftliche Entwicklung der Menschheit, und spätestens seitdem wir uns auf dem Weg in eine globale Wissensgesellschaft befinden, wird es auch für den Einzelnen immer bedeutender. Vor diesem Hintergrund wird der freie Zugang zu Wissen zu einem Menschenrecht.
Über Jahrhunderte wurde Wissen von Herrschenden gefangen gehalten und als Machtinstrument missbraucht. Erst mit der Aufklärung wurde es aus dieser Umklammerung befreit - nicht zuletzt durch Denis Diderot und Jean d’Alembert, die mit ihrer Encyclopédie einen wesentlichen Beitrag dazu geleistet haben. Waren es fortan noch die mit der Vervielfältigung verbundenen Kosten, die das Wissen unfrei machten, sind es im digitalen Zeitalter in erster Linie die berechtigten Interessen der Autoren sowie der Inhaber von Verwertungsrechten.
Ziel von Wikimedia Deutschland - Gesellschaft zur Förderung Freien Wissens ist es, Antworten auf die Frage zu finden, wie das Wissen endgültig befreit und damit allen Menschen dauerhaft zugänglich gemacht werden kann.
Keine Frage: Wissen ist toll.
Aber warum fokussiert sich der Verein so sehr auf die Verbreitung (lizenzgenaue Nachnutzung.., können wir bestenfalls mäßig) dieses Wissens, und nicht auf das Zusammentragen (können wir hervorragend). Warum wollen wir den Teil unserer Arbeit in die Welt tragen, bei dem wir selbst noch nicht so richtig raushaben, wie es geht.
@Tolanor: Ich bin seit über 8 Jahren dabei und habe erst im Laufe der Jahre die Bedeutung des Freien Wissens/Freien Lizenz in seinen verschiedenen Facetten verstanden. Sie ist sicherlich nicht die Essenz der Wikipedia, aber ohne Freie Lizenz wäre Wikipedia nicht so groß geworden (IMO).
@Dirk: Um ehrlich zu sein, weiß ich gerade nicht, worauf du hinausmöchtest. Worauf genau sollte sich deiner Meinung nach WMDE konzentrieren?
Im übrigen halte ich das Argument, etwas nur mäßig zu können, nicht für stichhaltig sondern eher als Ansporn, besser zu werden. Und ja, das müssen wir noch!
"Aber warum fokussiert sich der Verein so sehr auf die Verbreitung (lizenzgenaue Nachnutzung.., können wir bestenfalls mäßig) dieses Wissens, und nicht auf das Zusammentragen (können wir hervorragend)."
Es geht bei der Verbreitung Freien Wissens nicht primär um die lizenzgenaue Nachnutzung. Es geht darum, dass wir eine Welt wollen, wo jeder überall ohne Probleme auf Wissen zugreifen kann, eben damit er gebildeter ist und sich ein besserer Lebensstandard für alle einstellt.
@Izy: Klar, das Thema fällt bei WMDE nicht total unter den Tisch. Wer das behaupten würde, läge falsch. Wir fördern ja jetzt auch ein OSM-Projekt im CPB. Ich würde da auch weiter greifen als Dirk, denn mir geht es nicht nur um den Verein. Die Scheuklappen kommen aus dem Projekt, deshalb mein Beispiel zu den Kriterien für Weblinks und die völlig grundlose Abschottung gegenüber anderen Wikis, die ebenfalls unter freier Lizenz arbeiten, die aber bei uns nicht vorkommen dürfen, selbst wenn wir erkennen, daß sie bessere Inhalte haben als wir. Damit sollten wir aufhören. Und wenn dieser Schritt getan ist, sähe auch das Umfeld, in dem WMDE handelt, schon etwas anders aus. Das wäre ein Beispiel für Kooperation, die ebenso wichtig ist wie die Lizenz.
@sebmol: „Es geht bei der Verbreitung Freien Wissens nicht primär um die lizenzgenaue Nachnutzung. Es geht darum, dass wir eine Welt wollen, wo jeder überall ohne Probleme auf Wissen zugreifen kann, eben damit er gebildeter ist und sich ein besserer Lebensstandard für alle einstellt.“
Zu diesem Ziel können wir aber wirklich nur einen sehr bescheidenen Beitrag leisten, wenn überhaupt. Die Gesellschaft hat sich infolge der Verbesserung der Schulbildung seit den 1970er Jahren ja schon erheblich gewandelt im Vergleich zu früher. Wikimedia-Projekte liefern dazu zwar einen wesentlichen Teil der Inhalte, die heutzutage an unseren Schulen und Unis so im Umlauf sind, sie leisten aber nicht die Bildung selbst. Gelehrt wird immer noch dort, an den Schulen, von Lehrern. Und am Zugang zu Bildung hat das Internet auch so gut wie nichts geändert, wenn man die medienpädagogischen Studien heranzieht. Die Klugen werden klüger – über die anderen möchte ich mich jetzt lieber nicht äußern.
Wir schreiben weitgehend für uns selbst – und für unseresgleichen. Was bisher also fehlt, wären Projekte, die Wikipedia speziell für lernschwache oder „bildungsferne“ Gruppen verstärkt einsetzt. Dort weiß man nämlich von dem Schatz, den wir hier täglich zusammentragen, oft noch gar nichts, sie nutzen ihn jedenfalls sehr viel weniger als wir es tun.
Wenn wir uns hier engagieren würden, nicht nur an den Unis, fände ich das sehr gut. Natürlich können wir das nicht allein, dazu brauchen wir Partner in den Schulen und in der Sozialarbeit. Aber andenken sollten wir das auf jeden Fall. Wir haben gerade einen sehr positiven Bericht im Forum dazu gelesen, das lohnt sich auf jeden Fall.
@Aschmidt: "Wir schreiben weitgehend für uns selbst – und für unseresgleichen. Was bisher also fehlt, wären Projekte, die Wikipedia speziell für lernschwache oder „bildungsferne“ Gruppen verstärkt einsetzt. Dort weiß man nämlich von dem Schatz, den wir hier täglich zusammentragen, oft noch gar nichts, sie nutzen ihn jedenfalls sehr viel weniger als wir es tun."
Da hast du meine volle Zustimmung. Ich denke, wir sollten noch viel mehr dort machen, wo wir bisher nur wenige erreichen.
Wobei bei dem persönlichen Erreichen und Bilden ja ein Problem existiert: wir haben keinerlei besondere Kompetenz dabei, oder Eignung dafür, anderen persönlich Wissen zu vermitteln. Das machen andere Gruppen ja schon seit Jahrzehnten, wenn nicht Jahrhunderten, und ich sehe bisher keinen Anlass dafür Wikip/media für kompetenter oder unterstützungswürdiger in dem Bereich zu halten, als viele viele andere.
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