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Montag, 12. Dezember 2011

Ballettmontag: Peer Gynt

Es ist schon manchmal ein Fluch. Da steht man friedlich im frühen Waschbetonbau der Deutschen Oper in Berlin in der Warteschlange für eine Bionade, und hört seinen Mitmenschen zu (zwei F, ein M, 20+, so studentisch halt); und die unterhalten sich, ob der Wikipedia-Artikel zum Stück nun etwas taugt oder nicht.. Weniger irritierend: der agitierte ältere Herr hinter uns, der sich am Ende über "das unglaubliche Friedrichstadtpalastpublikum" aufregte, das ja andauernd applaudiert.

Zumindest applaudierte es zurecht: das Berliner Staatsballett tanzte die Peer-Gynt-Inszenierung von Heinz Spoerli, die ursprünglich aus Zürich stammte. Musikalisch benutzt Spoerli die Grieg-Suite, ergänzt um einzelne neue, deutlich weniger romantische, Stücke von Brett Dean und Mark-Anthony Turnage (man höre und sehe hier)

Die Inszenierung Die Integration des Ibsen-Textes durch Schauspieler und/oder Sänger ist auch überraschend gut gelöst. Die treten neben den Tänzern quasi als Alter Ego auf, und reden auf sich selber ein. Präsent, sichtbar, und doch nicht die Aufmerksamkeit vom Tanz abziehend. Die Bühne minimalistisch aber nicht abschreckend, anfangs eher bieder, dann karg-unheimlich, dann die überzeugendste Wüste, die ich auf einer Bühne bisher gesehen habe.

Wobei die Wüste selbst zum dramaturgischen Instrument wird. Der Sand rieselt, die Tänzer rutschen diesen entlang, sein Rascheln ergänzt die Musik.

Spoerli findet klare Bilder und Ausdrücke für das Dorfleben, für Gynts Wahn, und für die Szenen in der Fremde. Solveig, der Bergkönig, und die Trolle überzeugen ganz besonders. Für den Sprung zwischen den verschiedenen Realitätsebenen hätte es geholfen, wenn wir die Handlung schon vorher präsenter gewesen wäre, aber auch so ließ es sich nachvollziehen - und Bilder und Musik funktionieren auch dann wunderbar, wenn man gerade etwas orientierungslos der Handlung folgt.


Und zum Abschluss: Diskussionspunkt der drei in der Schlange war, ob die romantische Musik Griegs nicht viel zu bieder und schmalzig für so ein zerrissenes, modernes, dramatisches Stück wie den Ibsen-Text ist: nein, nicht, wenn es so inszeniert ist wie hier.

Romantische Musik, dramatische bewegende Szenen mit bedrohlichen Trollen, eine tolle Wüste, und schöner Tanz. Großes Kino. Ne, deutlich mehr.



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