Rahmenbedingungen
Die deutsche Wikimania sollte es werden. Die deutsche Variante des internationalen Wikipedia-Treffens. Zumindest was das Wetter am zweiten Tag anging, war sie es auch.
Fand die Wikimania doch dieses Jahr in Haifa bei knapp 30 Grad und 90 Prozent Luftfeuchtigkeit statt. Während das in Haifa halt normales Wetter war, gab sich Nürnberg richtig Mühe. Erstaunlich wie schwül es noch einmal werden konnte. Aber okay, das schwüle Tag war der Tag, bevor Hagel in Sachsen-Anhalt Dächer abgedeckt hat, und Autobahnen unter unwetterbedingten Schlammlawinen versanken.
Das Alte Gewerbemuseum in Nürnberg ist ein Traum in Marmor. Insbesondere der Balkon in den Innenhof war ein Ort stetiger Freude.
Das Catering (fränkisch: Kettering) war für Wikipedia-Veranstaltungen im oberen Viertel, besonders erfreut möchte ich erwähnen, dass es wirklich immer warmen Kaffee gab. Wie überhaupt alles organisatorische, was ich mitbekam, funktioniert hat. Da möchte ich doch allen fleißigen Helfern großen Respekt aussprechen: you were awesome.
Ging es übrigens nur mir so, oder hatten auch andere den Eindruck, dass insbesondere die Fotografen große Anhänger des "fotografiert-mich-nicht"-Schildes waren?
Sehr lustig war das Hotel. Dieses Gebäude hat die deutsche Jugendbewegung anscheinend Anfang des 20. Jahrhunderts tief in den Wald gebaut, was es zum Jugendhotel macht. Der Weg dorthin führte über den Ohrwaschelweg und den Nuschelbergweg. Leider haben böse Menschen in der Zwischenzeit eine Bahnstrecke und die Landebahn vom Flughafen Nürnberg direkt neben das Jugendhotel gebaut.
Die Landbahn sieht spektakulär aus, wenn man Nachts vorbeifährt. Das Zimmer war groß, wenn auch eigenwillig geschnitten. Das Frühstück war für eine Jugendherberge wunderbar. Die richtig guten Features waren aber natürlich der Biergarten, in dem man Nachts noch bis zum Morgengrauen sitzen konnte, und der grandiose Bierautomat. Den haben die Wikicon-Teilnehmer leider bis Samstagnacht komplett ausgeräumt.
Pro-Tipp für die Anfahrt: wenn ihr in praktischen Tragetaschen Elektrozeugs mehrerer Personen für einen mittleren vierstelligen Betrag im Auto habt, geht wenigstens sicher, dass Euer Mitfahrer bei der Pause die Tür abschließt. Immernochdurchatme.
Anwesende Veranstaltungen
Schlimm war es. Kaum ging ich einmal in den Diddl-Club, um Kaffee-Nachschub zu besorgen, schon war es wieder drei Stunden später. Warum müssen Wikip/medianer denn auch unterhaltsam und interessant sein, auch wenn sie gar keinen organisierten Vortrag halten?
Den Besuch einiger Veranstaltungen schaffte ich dennoch. Der Sexipedia-Vortrag war leider doch ein bißchen sehr 2008, aber immerhin mit der kongenialen Idee, ihn passend in einem 35-Grad heißen Raum mit 90% Luftfeuchtigkeit abzuhalten, und dazu Sekt auszuschenken. Das allerdings war sehr stilecht.
Auf mäßige Resonanz stieß das Kneipenquiz - ich fand es und den Quizmaster cool, allerdings ist ein neonüberfluteter halbleerer Kongresssaal keine Kneipe, und man merkte es.
Überraschend spannend war der Manga-Workshop; während ich und die drei anderen Wikipedianer ganz neugierig saßen, ist der Referent ziemlich aus dem Publikum angegangen worden - nicht aber von Wikipedianern, sondern von Generation Silberwissen-Comicexperten, die sich fragten, warum die WP-Comicleute nicht mal beim Erlanger Comictreffen sind, warum sie keine wissenschaftliche Literatur benutzen etc.
Einem Punkt des Vortragenden will ich bei der Gelegenheit inhaltlich widersprechen. Der Vortrag stand unter dem Motto "Mangas sind kein Kinderkram." Zum einen sollte man bei so einem Motto als Gegenbeispiel nicht nur Mangas bringen, deren erwachsenste Variante für die Zielgruppe 16+ geschrieben ist. Zum anderen fehlt gerade Kinderkram dringend in der Wikipedia. Für so gut wie alles, was mit Kindern zu tun hat, haben wir keine oder wirklich schlimme Artikel. Wikipedia braucht dringend eher Kinderkram denn Mangas. (die Mangas dann allerdings dringender als meinetwegen Biathleten oder 150-kb-Beschreibungen deutscher Kirchen..)
Spannend Poupous Workshop zu den "exzellenten Benutzern", der zum einen fragte, was wir an Benutzern wollen, zum anderen, wie wir gutes Verhalten belohnen. Das war natürlich ein guter Kulminationspunkt für die Kuschelstimmung, Zitat aus dem Workshop "Streckt mir Eure unbehaarten Körperteile entgegen".
Leichte Kontroversen herrschten darüber, welchen Stellenwert nun die Nicht-Artikelarbeit hat, aber dann doch ziemliche Einigkeit, dass das bisherige System ausschließlich direkte Artikelarbeit zu würdigen, große Lücken aufweist. Wichtige Erkenntnis: den Aton-Orden kriegt auch weiterhin nicht jeder! Wichtiger ungelöster Punkt: wie einfach oder schwer soll es sein, Belohnungen zu kriegen. Reicht ein nettes "gut gemacht" wie das Foundation-Wikilove-Dings vorschlägt, oder muss man sich Orden in jahrelanger Arbeit verdienen?
Sehr anwesende Veranstaltungen
Und dann sind da auch noch meine beiden Talks zu erwähnen. Zu Chiara Ohoven hatte ich ja schon einiges von der Wikimania geschrieben. Hier waren die Anwesenden glaube ich nicht so überrascht, von dem was kann. Dafür war ich umso überraschter von den Anwesenden, die mir eigentlich alle zugestimmt haben. Niemand wurde laut, der Grundaussage stimmten zumindest all diejenigen zu, die sich zu Worte meldeten; langsam begann ich zu zweifeln, wer nun die bizarren Relevanzdiskussionen auf Wikipedia führt. Während die Wikimania vor allem über Ann Dunham diskutierte, war es bei Wikicon der nicht-vorhandene Darth-Vader-Artikel, der zu Diskussionen führte.
Bei meinem Wundern über die seltsame Diskussion war die Rückkehr auf die Wikipedia heilsam: sofort traf man wieder auf das Biotop der freihändigen Relevanzbestimmer, die natürlich niemals etwas so soziales wie die Wikicon besuchen würden, und die auch ansonsten in einer Welt leben, in die anscheinend nur sehr selten etwas Sonne gelangt. How bizarre.
Für mich deutlich spannender war der "was ist ein Autor?"-Talk, (Video) zumal er auch noch einige für mich ungelöste Fragen enthielt. Dieser Talk kam anscheinend auch gut an, die Diskussion war spannend - wobei es natürlich für eine wirklich aufregende Diskussion besser ist mit ein paar schmissigen Thesen zu enden als mit "und hier sind viele Fragen bei denen ich nicht weiterweiß". Aber hey, dazu gibt es kollaboratives diskutieren! Zumindest einige Fragen waren beantwortet, andere klarer gestellt, und ich habe gelernt, nie wieder Ameisen zu dissen.
Presse
Ich erinnere mich ja noch an die Wikimania 2005 als am ersten Tag etwa doppelt so viele Presseleute wie Wikipedianer da waren. Dem war hier zum Glück nicht so. Zudem wirkten die Berichte, soweit ich sie mitverfolgt habe, (hier der Pressespiegel), deutlich kompetenter als auch schon einmal - immerhin nach 10 Jahren Pressearbeit und dem Jubiläums-Rundumschlag scheint zumindest in ein paar Redaktionen angekommen zu sein, wie Wikipedia so grundsätzlich funktioniert.
Schön und spannend war das Interview mit Johannes Laubmeier von der Süddeutschen Zeitung, das auch zu einem lesenswerten Artikel führte. Tatsächlich besonders stolz bin ich auf mein persönliches Zündfunk-Interview mit Ania Mauruschat, die die richtigen Fragen stellte, und das der Zündfunk selbst dann auch noch wirklich hinreißend zusammengeschnitten hat. Soweit ich weiß gibt's leider keine abrufbare Version davon, aber wer neugierig genug ist, kann mir ja mal eine Mail wegen Mitschnitts schreiben.
Abwesende Veranstaltungen
Der Vorteil am Abhängen war immerhin, dass ich aus zweiter Hand von sehr vielen Veranstaltungen erfuhr. Die große Podiumsdiskussion Samstagabend war so, wie der Diskussionen zu sein haben - nette Anekdoten, unterhaltsame Aufbereitung vom Großen und Ganzen, aber auch keine intellektuellen Herausforderungen.
Die fast so große Bildfilter-Podiumsdiskussion muss spannender, und emotionaler gewesen sein, diente aber wohl eher dazu die verhärteten Fronten deutsche Community vs. Foundation deutlich zu machen, denn dazu, wirklich weiter zu kommen.
Für viel Resonanz sorgte der Adminworkshop, der doch viel Gesprächsbedarf und Unsicherheit innerhalb der Admins aufdeckte, und bei dem noch einmal deutlich wurde, wie einzelkämpferisch viele Admins agieren. Kein Wunder - wer in der falschen Situation fragt, wird in der Luft zerrissen.
Dabei entstand dann auch die Idee nach einem Admintreffen, um vielleicht mögliche Formen der Kommunikation zu schaffen - der Vorschlag stieß erwartungsgemäß in der Wikipedia auf einigen Gegenwind, da in der Wikipedia die vereinzelten unsicheren Admins der Wikicon ja eher als tief verschworene Gemeinschaft wahrgenommen werden. Drollig sowas.
Die anwesenden Presseleute schienen von WiseWomans Plagiatsworkshop begeistert, für Diskussionen sorgte der Vortrag, bei dem der Referent in der Veranstaltung plötzlich den Raum verließ, gutes hörte ich von der Zedler-Diskussion, widersprüchliches zur Frage, ob Frauen die besseren Enzyklopädisten sind, und wer mal eine pressewirksame Wikipedia-Veranstaltung machen will, dem empfehle ich das Thema Klarnamen und Anonymität.
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Ist es ein Problem, dass uns nicht nur Autoren, sondern auch die Vandalen ausgehen?
"Denkst Du an die Kartoffeln!"
Ein Glückwunsch dem kleinen Xaver, der zeitgleich zur Wikicon zur Welt kam.
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Noch vor der Wikicon war die Wikipedia:Academy
Noch vor der Wikipedia:Academy war die Wikimania. Zum Beispiel die Wikimania 2005 oder die Wikimania 2011.
Siehe auch: Philipp Birkens Bericht von der Wikicon 2011 in Nürnberg.
Was habt ihr eigentlich alle gegen meine Biathleten? Langsam frustriert es!
AntwortenLöschenUnd den Aton-Orden bekommt man weiterhin nach längerer Arbeit. Ja. Aber das war nicht die Aussage. Denn das sind spezielle Dankeschön, zu speziellen Anlässen. Wer sagt denn, daß es nicht auch andere Formen des Dankes geben sollte. Hatte ich auch dargelegt. Ich mache sowas durchaus des öfteren - sehr persönlich. Die Frage die sich mir stellt ist ja, ob wir institutionalisierten Dank für den schnellen Dank brauchen.
Sicher keinen automatischen, und nicht notwendig einen "institutioalisierten", aber bitte doch einen "vereinfachten". Und das wäre ein Like-Button für jede noch so kleine Änderung tatsächlich.
AntwortenLöschenDas ist eine nette Idee.
AntwortenLöschenIch war auch gegen die en-Lösung, weil sie mir zu unpersönlich schien. Habe das heute mal getestet, ist eigentlich ganz nett, gerade so in seiner Beiläufigkeit.
AntwortenLöschenDas größte Lob für einen Fotografen ist wohl, wenn man seine Bilder weiterverwendet. Deshalb Danke! Danke aber auch an all diejenigen, die mir meine Anschleich- und Überraschungsversuche mit der Kamera nicht übelnahmen. Auch wenn mein persönlicher Bericht aus Nürnberg am Ende des Freitags eher negativ ausfiel (lag wohl am selbstverschuldeten Zuspätkommen zum Essen...): Die gesamte Wikicon war eine tolle Veranstaltung - wann ist die Nächste? Nürnberg und sein BZ ist nebenbei gesagt von der Lage im DACH-Raum, Ort und Örtlichkeit so gut, dass man nicht an Alternativen denken sollte.
AntwortenLöschenDie Kartoffel! Noch gar nicht gesehen. Weitgereist...
AntwortenLöschenAlupus,
AntwortenLöschendie Kartoffeln (zumindest einige) haben mittlerweile für einen ebenso farbenfrohen wie leckeren Kartoffelsalat gesorgt.
Marcus,
niemand hat etwas gegen Biathleten. Aber wenn mich jemand fragte, wo der de.wp Artikel fehlen, würde ich sagen, erstmal Kinderkrams, dann lange nichts, dann Mangas, und am Ende Biathleten. Die Biathlonkompetenz der de.wp ist einfach schon weit größer als die Kinderkompetenz.
Und zu den Bapperln: als ich Handball spielte, habe ich jemand mit einem guten Spielzeug auch mal eben schnell ein unpersönliches, standardisiertes Daumen-Hoch gezeigt + er schien trotzdem gefreut zu haben. Das ändert ja nichts an Jahresendwürdigungen. Aber je kleiner und alltäglicher etwas gutes ist, desto schneller und einfacher sollte man es machen können.
Pro-Tipp für die Anfahrt: wenn ihr in praktischen Tragetaschen Elektrozeugs mehrerer Personen für einen mittleren vierstelligen Betrag im Auto habt, geht wenigstens sicher, dass Euer Mitfahrer bei der Pause die Tür abschließt. Immernochdurchatme.
AntwortenLöschenWORD!
Und dann noch die Ausrede "alle anderen Autos, die ich kenne, haben Zentralverrielung!"
Bornierter gehts nicht ...