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Dienstag, 26. Juli 2011

Plagiate und Sockenpuppe, UK-Version. Johann Hari.

Da die Wiki-Watch-Diskussion in Deutschland gerade eine Ruhepause einlegt, ist das ein guter Grund mal den Blick gen England zu werfen. Johann Hari war bis vor kurzem ein Darling der linksliberalen Presse in Großbritannien. Er gewann mit dem Orwell-Preis für guten Journalismus 2008, hatte eine Kolumne bei der britischen Tageszeitung The Independent ebenso wie bei der Huffington Post, Artikel von ihm erschienen in der New York Times, Le Monde und Ha'aretz. Für jemand, der gerade mal 31 ist, eine eindrucksvolle Leistung. Die aber wohl gerade an ihr Ende kam.

Leider hat sich das vor ein paar Tagen dramatisch geändert. Seit dem 12. Juli ist von seinem Posten bei der Tageszeitung The Independent suspendiert. Und seinem Wikipedia-Artikel ist aus gleich auszuführenden Gründen auch nicht zu trauen.

Zuerste wurde ihm vorgeworfen, Zitate aus den Artikeln anderer ohne Nennung in seine Arbeiten einbaute. Dabei ging es mal um wenige Zeilen, mal um fast vollständige Interviews, etwa mit Noam Chomsky oder der Journalistin Ann Leslie. Hari hat das auch gar nicht erst abgestritten, sondern versucht sich rauszureden, aber als Deutscher hat man ja mittlerweile Erfahrungen mit den üblichen Ausreden erwischter Plagiatoren. Die Vorwürfe schien er halbwegs überstanden zu haben, zumal er wohl überzeugend die tragische Geschichte des tapferen Linken gegen die konservativen Mob gab. Aber dann hat er sich wohl doch um seinen Job wikipediert.

Auch Jonathan Hari hat exzessiv dem Hobby des wikipedierens gefröhnt. Vor allem dessen, dass da heißt: Sprich gut über Dich und schlecht über Andere. Der User David r from meth productions zeigte eine besondere Affinität zu Hari-relevanten Themen in Wikipedia.

Dieser David r hatte die ungute Eigenschaft in Artikel anderer Journalisten - Christina Odone, Francis Wheen, Andrew Roberts und Niall Ferguson - zu schreiben, dass sie homophob sind, gefeuert wurden, und ihnen andere Charakterfehler zuzuschreiben - meist kurz nachdem diese mit Hari in einen Streit geraten waren. IP-Accounts haben in eine ganze Reihe von Artikeln jeweils die zugerechnete Meinung Haris geschrieben, während Haris eigener Artikel - unter fleißiger Mitarbeit von David r - eine einzige Lobeshymne wurde. Wie sich das gehört, bedrohte er Diskussionsgegner auch gerne mal mit einem Rechtsstreit. Und brachte natürlich auch die Geschichte vom tapferen Linken:

Check out his website. Your impugning of his integrity will be used, I suspect, mainly by Zionist groups and anti-environmentalists in their mailing lists to undermine his writing about Palestine and climate change. (The Private Eye attack began after Johann attacked their homophobia). It's frustrating to see a decent guy who works hard for left-wing causes being pulled down by his own side (using right-wing allegations!) because they disagreed with him on one issue.


Andere IP-Konten bearbeiteten vorhin Haris Biographie, und entfernten erst komplett seine Jugend auf einer teuren Privatschule, und, damit gescheitert, versuchten die als zu unelitär und normal wie möglich darzustellen.

Angelich ist David r Klimawissenschaftler, der ein entfernter Bekannter oder enger Freund Haris ist, schreibt allerdings nie über Klimawissenschaft, aber viel über Hari. David Rose, wie er heißen soll, nun hat behauptet ein entfernter Studienfreund von Hari zu sein - weswegen er sich gut bei ihm auskennt - aber natürlich direkt nicht das geringste mit ihm zu tun zu haben. Einem Admin ist allerdings aufgefallen, dass David r eine IP-Adresse direkt beim Independent, Haris Arbeitgeber hat, was der nun wiederum mit Aushilfsjobs da erklärt, die ihm sein guter Freund Hari verschafft hat. Praktischerweise bei einer ganzen Reihe von Medien, immer in der Zeit in der Hari dort war.

In den Kommentaren gibt es dann eine spannende Suche nach David Rose, der sich trotz all der konkreten Informationen nicht finden ließ. Darunter waren doch eigentlich eindeutige Sache wie ein intensiver Forschungsaufenthalt in der Antarktis, über den keine Veröffentlichungen organisieren, oder die Mitgliedschaft in einer 100-Mann kleinen trotzkistischen Partei, in der niemand einen David Rose kennt. Der einzige den sie fanden war ein anderer Journalist selben Namens, der vehement abstritt, näher mit Hari zu tun zu haben. Dafür finden sich unbestätigte Erwähnungen eines David Rose durch Hari bereits Jahre vorher als Haris Webmaster oder in diversen anderen Blogs und Diskussionsforen - wohl auch nicht, ohne dass Rose mehrfach vorgeworfen wurde, er wäre eine Sockenpuppe von Hari.

Und nachdem der Wikipedia-Skandal dann halb durch war, kam der nächste. Er hatte Zitate und Gespräche nicht nur plagiiert, sondern auch gleich frei erfunden. Diesmal allerdings mit Leuten, die sich noch schlechter wehren können. Hilfsbedürfte in der zentralafrikanischen Republik, und zwei unauffindbare und eventuell nicht-existente Briten in Dubai. In beiden Fällen haben die erfundenen Zitate natürlich maßgeblich zur emotionalen Schlagkraft der Geschichten beigetragen, und beide Reportagen waren ausschlaggebend für Journalismuspreise, die Hari gewann.

Und nun: Hari ist bei seiner Zeitung beurlaubt, die Orwell-Preis-Verleiher befinden über die Rücknahme, und sei Ruf als Starjournalist ist wohl endgültig zerstört. Sie fallen reichlich, zur Zeit.

Und en hat einen lobenswwerten neuen Baustein, dessen Adaption nach de ich dringend nahelege: en.wikipedia:Johann Hari

2 Kommentare:

  1. Hach, mal wieder die IP-Adressenfalle. Da fallen alle drauf rein, auch wenn man sich für wenige Euro einen schnuffeligen UMTS-Stick holen könnte, damit eine private IP besäße und dann könnte man gar auch noch mit mehreren, praktisch kostenlosen SIM-Karten die Sockenpuppen perfektionieren. Aber vielleicht bin ich auch einfach zu böse.

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  2. Zumindest in der Hinsicht kann man ihn vielleicht ein bißchen entlasten. Die ganze David r-Geschichte spielt in ihren wesentlichen Teilen vor ein paar Jahren, hat aber erst jetzt an öffentlicher Bedeutung gewonnen.

    Da war es vielleicht noch nicht soweit her mit dem Surfsticks.

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