Suchmaschinenoptimierende Amerikaner
Die erste Studie, die ich vorstellen will, ist nicht wirklich wissenschaftlicher, und auch nicht wirklich eine Studie, aber aufschlußreich. Die stammt von unseren speziellen Freunden, den Suchmaschinenoptimierern - genauer SEOMOZ -, und untersucht Links, die auf Wikipedia zeigen.
In The Wikipedia Model werten sie aus, wie Wikipedia im Netz verlinkt ist. So stehen beispielsweise 40% der Links auf Wikipedia für sich allein im Text, etwa ein Drittel ist direkt von der Startseite einer Website, und 40% der Links befinden sich auf Websites, die mehr als 10-mal Wikipedia verlinken. Das alles und noch ein paar schöne Grafikem gibt es beim Link. Das Modell Wikipedia bezeichnen sie dann als Idealwert, und verkaufen Software, die andere Websites danach bemisst. Gerade gekaufte (Werbe-)Links zeigen durchaus andere Muster, und die SEOMOZ-These ist zumindest, dass Google die erkennt, und deshalb aussortiert. Wenn man sich hingegen als Wikipedia tarnt..
Wenn also da nichr 30% sondern 70% der Links von der Startseite kommen, ist das ein Fehler, ebenso, wenn die Links immer in Clustern auftauchen, und fast nie allein stehen etc. Und am Ende sieht es für Google so aus, wie eine legitime informative Website. Als SEO und so natürlich echt total evil, aber doch sehr clever.
Australische Popkulturfreunde
Inhaltlich spannender allerdings ist Vivienne Wallers Veröffentlichung: The search queries that took Australian Internet users to Wikipedia. Deren Titel ist ja relativ direkt, und genau darum geht es: Waller hat Suchmaschinenanfragen auf Wikipedia ausgewertet, und nach Themen gewichtet. Dazu hat sie erstmals nicht nur die beliebtesten 100 Artikel oder so genommen, sondern den ganzen Long Tail. Und für einen Teil der Anfragen dann auch noch bestimmt, wer - also welche soziale Gruppe - nach eine, Thema sucht.
Um es kurz zu machen: die meisten Leute suchen nach Populärkultur - während nur knapp 10% der englischen Wikipedia den Themenbereich behandeln, landet knapp die Hälfte der Suchanfragen dort. Und die Popsuchenden sind jünger, und stammen aus wohlhabenderen Schichten als die anderen.
Etwas ausführlicher: Waller benutzte Daten, die ihr der australische Traffic-Analyst Hitweis für die vier Wochen vor dem 25. April 2009 zur Verfügung stellte. Daraus nahm sie ein Sample von 1800 Abfragen (ich finde nicht heraus, wie genau), und hat die näher untersucht.
Einmal hat sie sie nach Sachgebieten codiert, die in 52 Themengebieten landeten, die wiederum zu 12 Oberthemen zusammengefasst wurden: Popular culture // Cultural practice (sport, religion, cultural practice not elsewhere classified) // Computing/Web // Health // History // Science // Place/building // Contemporary issues // Book/author // High culture // Other // Unknown. Wobei ich Fernsehsport ja zu Popular Culture packen würde, aber nun ja..
Über 50 Prozent suchten nach Popkultur oder Cultural Practice, wobei ein Drittel bei Cultural Practice jener beschreibene Fernsehsport war, und knapp 10% sich auf Alltagswissen etc. konzentrierten. Danach kommen dann Naturwissenschaften und Gesundheit mit je 7% der Anfragen, danach Geschichte mit 6&, alles andere liegt noch deutlich drunter,
Darüberhinaus benutzte Waller Daten von Hitwise, die Leute in soziale Gruppen einteilen - bzw. die aus der Ortslage der Abfrage die soziale Gruppe bestimmen. Individuell natürlich immer schwierig, statistisch würde den Weg aber durchaus für gangbar halten:
Comparing the representation of any particular lifestyle group in the Australian online population with their representation in visits to Wikipedia, it can be seen that the distribution of visits to Wikipedia approximates the actual distribution of the online population.. However, the data indicates that amongst visitors to Wikipedia there was a slight over-representation of people who were better-off and had higher educational attainment and a slight under-representation of people who were socially or economically disadvantaged and who lived in rural or suburban fringe areas.
Und zuletzt kann man das ganze natürlich auch noch quervergleichen. Die besonderen Popfans kommen aus urbanen Zentren mit großer Vielfalt, und vielen Gebildeten, aber mäßigem Einkommen, die großen Popverächter haben niedrigen Einkommen, und wohnen in ländlichen Gebieten. Generell: je mehr Stadt und je mehr Bildung, desto Pop.
Low density area, low income.
Die priviligierste Gruppe von allen, wealthy areas of educated professional households, allerdings hat sich eher für Naturwissenschaften interessiert.
Wobei das Leserinteresse stark davon abweicht, was in der Wikipedia zu finden ist:
According to Halavais and Lackaff 's (2008) study of the coverage of Wikipedia articles, the topics with the greatest number of articles on Wikipedia were general history and science, (each with approximately 13% of all articles) followed by geography, social science and literatures. Together, these five subjects account for 57% of articles. The analysis presented here suggests a very different pattern of use, whereby those five subjects accounted for 28% of visits. While articles about music, including popular music, account for 7% of Wikipedia articles, queries about popular music accounted for double that proportion (14%) of visits.
Auch noch auffallend: während Studien, die von den beliebtesten Artikeln ausgehen, etwa 10% Sex-Interesse finden, sind es bei der Studie nur 1%. Was für mich dafür spricht, dass die Sexinteressierten einfach sehr einfallslos in der Themenwahl sind, und immer bei denselben fünf Artikeln landen.
Oder einfach: wenn Wikipedia tatsächlich nicht nur Selbstzweck sein möchte, sondern für Leser, dann braucht selbst die englische einfach mehr Popkultur.
Am Rande: die Studie klingt ja auch spannend: Other research provides evidence to suggest that the likelihood of trusting Wikipedia as a credible source depends on the user's knowledge of the topic. Lim (2009) found that users who are new to a topic are likely to underestimate the quality of the relevant Wikipedia article. This may lead to reluctance to use Wikipedia for more important topics. Muss mal nach Lim, S. (2009). How and why do college students use Wikipedia? Journal of the American Society for Information Science and Technology, 60(11), 2189-2202. suchen.