Sonntag, 15. Mai 2011
Der Skandal um den Kinderkanal
Seit Dezember verfolge ich sehr interessiert die Ereignisse um den Millionenbetrug beim öffentlich-rechtlichen Kinderkanal. Es geht um mehr als 8 Mio. Euro. Nun wurde also Anklage gegen den ehemaligen Produktionsleiter erhoben, der Prozess soll im Juni beginnen.
Obwohl ich aus den Pressemeldungen schon einiges über den Umfang des Betruges wusste, hat mich das erste Überfliegen des Revisonsberichts (pdf) mit offenen Mund zurückgelassen. Spannend wie ein Krimi titelte auch entsprechend die taz. Obwohl ich die betreffenden Personen und die Abläufe größtenteils kenne, hat mich die Art und Weise doch heftig überrascht. Zusammengefasst kann man sagen: Über Jahre hinweg wurden von verschiedenen Unternehmen Rechnungen gestellt, die keinerlei Grundlage hatten. Zum Teil wurden reine Phantasieleistungen abgerechnet, teilweise Leistungen, die andere Unternehmen erbracht hatten, und teilweise Leistungen von Mitarbeitern aus dem eigenen Haus.
Nach einem aufmerksameren Lesen des Berichts bin ich mir sicher, dass der Betrug auch zumindest noch zwei anderen Mitarbeitern bekannt gewesen sein muss. Bekannt geworden sind bisher Ermittlungen der Staatsanwaltschaft gegen fünf Ki.Ka-Mitarbeiter sowie gegen den Geschäftsführer eines Unternehmens, der mit seiner Selbstanzeige die ganze Geschichte erst ins Rollen brachte. Doch das kann nur die Spitze des Eisberges sein: Zwangsläufigerweise müssen auch bei den anderen beteiligten Unternehmen Personen strafbar gehandelt haben, schließlich schreiben sich die Scheinrechnungen nicht von selbst und die Geldeingänge müssen auch irgendwo verbucht werden. Die jeweiligen Finanzämter dürften sich sicher auch noch dafür interessieren. Vier weitere Unternehmen werden im Prüfbericht bisher erwähnt, ohne ihre Namen zu nennen. Spätestens zur Verhandlung dürften auch diese ans Tageslicht kommen.
Besonders bemerkenswert finde ich die Höhe der Unterschlagungen im Verhältnis zum Gesamtbudget. Bei einem Jahresetat für den ganzen Ki.Ka insgesamt in Höhe von etwa 35 Mio. € etwa eine Million jährlich abzuzweigen ist schon ein beachtlicher Anteil.
Interessant ist auch das mich stark an zu Guttenberg erinnernde Verhalten der Intendanten: MDR-Intendant Reiter feuert erst einmal um sich und verteilt Entlassungen und Abmahnungen an die nächste Leitungsebene, sieht für sein eigenes Verhalten aber offenbar keine Beanstandung. Noch besser steht ZDF-Intendant Schächter da: Obwohl für den Kinderkanal von ARD und ZDF eigentlich zur Hälfte mitverantwortlich, teilt er fleißig gegen den federführenden MDR und den früheren Ki.Ka-Programmgeschäftsführer Beckmann aus. Selbstreflexion gleich Null.
Äußerst ärgerlich ist zum einen nun natürlich der Imageschaden für den Ki.Ka. Hier bin ich aber zuversichtlich, dass sich das nicht weiter auf die Akzeptanz des Senders auswirken wird. Die Leidtragenden sind meiner Ansicht nach die vielen Redakteure und anderen Mitarbeiter des Senders, die von den ganzen Betrügereien nichts wussten und mit noch weniger Geld als sowieso schon budgetiert auskommen mussten.
Das andere große Ärgernis ist für mich die Scheinheiligkeit von Reiter: Seinen mehrfach geäußerten Kommentar, der Ki.Ka sei offenbar bisher mit weniger Geld ausgekommen, also kann man den Etat ja ruhig etwas kürzen, finde ich unter aller Sau. Außerdem ist es ein Affront gegen die Mitarbeiter, die mit vergleichsweise (vor allem im Gegensatz z. B. zum ZDF) lächerlichen finanziellen Mitteln ein derart hochwertiges Programm auf die Beine stellen.
Eigentlich sollte man doch denken, dass nun nach Abdichten des Finanzlecks wieder mehr Geld zur Verfügung steht. Im Gegenteil hat man aber offenbar dem Ki.Ka in diesem Jahr seine sehr beliebte und erfolgreiche Sommertour gestrichen. Komische Welt.
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1 Kommentar:
Bei den benannten Firmen handelt es sich möglicherweise um
Studio888
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Mediapark Adlershof (insolvent)
Via Regia Handelsgesellschaft
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