Hier gibt es nicht nur offene Tabs, sondern auch geschlossene Bücher. Es folgt ein Rundumschlag durch die Lektüre, die sich in letzter Zeit ansammelte.
Noel Behn. The Kremlin Letter. World Books 1968. Das Buch verdanke ich den stets empfehlenswerten Five Books, in diesem Fall glaube ich der Empfehlung von vergessenen Cold-War-Thrillern. Das Buch immerhin ist durch den Film nicht so ganz vergessen. Handlung: eine Gruppe Freelance-Agenten aus den USA wird umfangreich vorbereitet und dann in den Jahren des Nach-Stalinismus nach Moskau geschleust, um einen geheimnisvollen Brief aus höchsten Westkreisen an einen Kreml-Machtaspiranten wieder zu beschaffen. Wie es sich gehört gibt es viel Verrat und verratene Verräter und menschliche Abgründe.
Kurz gelesen nach Mills (s. unten) war dies jedoch irgendwie enttäuschend. Direkt nach dem wirklich schwarzen und bitterem Realismus von Mills, hatte ich zu oft das Gefühl doch in einer James-Bond-artigen Traumwelt zu leben, in der Übermenschen durch die Gegend laufen. Schon nicht ungeschickt, wie sich das Übermenschentum im realen Einsatz immer mehr abnutzt, die Menschen immer menschlicher werden und die Gegend immer grauer und trauriger. Ausnehmend clever konstruiert ist das auch. Aber irgendwie fehlte mir bei all der Cleverness der emotionale Gehalt. Schon am Anfang war ich unfähig, zu einem Charakter eine emotionale Bindung herzustellen, und so saß ich da eher vor. Sicher gute, unterhaltsame, dunkle Lektüre, aber auch sicher nichts für die Insel.
Juli Zeh. Schilf. (Affiliate Link / Werbung) Schöffling & Co. 2007. Neben Mills die zweite dringende Leseempfehlung dieser Seite. Nachdem ich mich schon andauernd auf Juli Zeh berufe, versuche ich jetzt auch langsam, mehr von ihr zu lesen.
Die Hauptfigur von Schilf ist der theoretische Physiker Sebastian, der zu einem Mord erpresst wird. Nebenfiguren sind sein Freund und Rivale Oskar, eine überehrgeizige Kommissarin, ein Kommissar mit tödlichen Kopfschmerzen und die Frage wieviele Universen es gibt, und ob wir in mehreren gleichzeitig sein können.
Gleichzeitig wirklich und unwirklich, intelligent genug aufgebaut, dass ich das Buch eigentlich noch mehrmals lesen müsste, um das in Gänze würdigen zu können, strudelartig hineinziehend. Mehr als einmal bringt es mich dazu, liebgewordene Annahmen zu hinterfragen, und sprachlich ist es wie jedes Juli-Zeh-Buch bisher ein einziges Highlight. Gripping.
Anja Marschall (Hg.): Matjes mild bis makaber. Deich Verlag, Glückstadt. 2009. Ehrlich gesagt, bin da ein leichten Täuschung aufersessen, dachte ich doch, es gäbe zumindest etwas zur Kulturgeschichte im Buch. De facto ist es aber eine reine Sammlung von Kurzgeschichten, in denen irgendwo ein Matjes vorkommen muss. Und obwohl ich ja eigentlich wirklich Fan davon bin, wenn Leute selber etwas machen, und unter die Leute bringen, war ich hier doch relativ enttäuscht. Der Matjes an sich spielt meistens nur eine Nebenrolle, fast immer könnte er problemlos durch Kaffe, Rinderbraten, Kohl wasauchimmer ersetzt werden, ohne dass die Geschichte sich veränderte. Sprachlich ist es meistens sehr beschränkt und die überraschendne Pointen.. Naja.. Leicht geschockt war ich allerdings als ich am Ende las, dass fast alle Kurzgeschichtenautoren eher professionell schreiben. Immerhin: mit Herzblut und so richtig schlecht kann ich solche Bücher nicht finden.
Michael Ende. Jim Knopf und Lukas der Lokomotivführer. (Affiliate Link / Werbung) Thienemann. 2004. Nachdem ich Jahrzehnte nur die Fernsehversion des Buches kannte, wurde mir jetzt endlich mal Buchversion aufgedrängt. Die Geschichte an sich setze ich als bekannt voraus, für spannende Zwischentonsuche empfehle ich die zB die FAZ, für mich war es jetzt eine sehr nette Lektüre, die auch mit Altersabstand nichts von ihrer Faszination verloren hat. Hätte es nicht leicht abwertende Konnotationen, würde ich ja sagen, unglaublich niedlich. Aber tiefer. Einfach zauberhaft.
Archaeonaut 7. Stadt und Kloster Riesa. Archäologie und frühe Geschichte. Landesamr für Archäologie. Dresden 2007. Leider - wie zu viele historische Texte - geschrieben ohne jede Rücksicht auf Leser. Habe mich bis zum Ende durchgequält, aber wenn man nicht eh schon Spezialist für Riesaer Frühgeschichte ist, ist das fast unzumutbar.
Manning O'Brine. Mills. Corgi Books 1969. Das andere Buch von den Five Books. Während es dort vor allem als liebenswerte Schilderung Italiens angepriesen wurde, ist mir dann doch zuerst aufgefallen, dass jeder Deutsche im Buch entweder Nazi oder ausgesprochenes Charakterschwein ist - meistens beides - und außerdem spätestens zwei Seiten nach dem Deutschen-Outing als erschosssen wird.
Das Buch steckt noch tief in den Nachwehen des zweiten Weltkriegs. Mills, die Titelfigur, war ehemals als britischer Agent bei den italienischen Partisanen, ist danach in den Secret Service der Nachkriegszeit gegangen, sein Herz gehört aber weiterhin Italien. Neben seinen Tätigkeiten als britischer Agent sucht er so quasi freiberuflich ehemalige Nazis, und als er einen von denen in einer der eindrucklichsten Anfangsszenen eines Buch umbringt, hat er plötzlich alle wichtigen Geheimdienste auf den Spuren. Die Glauben, dass der Deutsche noch ein Geheimnis hatte, dass nun Mills meistbietend verkaufen will. Mills wiederum liefert sich mit den diversen Geheimdiensten eine Katz- und Mausjagd quer durch Italien. Die Vergangeheit des zweiten Weltkriegs steht übermächtig über dem Buch, die Handlungen sind lebendig, die Szenen ergreifend. Ein kurzes, aber intensives Buch,
Riesaer Geschichten. Ein Bummel entlang der Hauptstraße. Jahreszahlfindichnicht. Das allerdings ist ein liebenswertes Heimatkundebuch, wie ich es gern öfter sehen würde. Die Riesaer Hauptstraße ist, wie unschwer zu erraten, die Hauptstraße in Riesa. Zu fast jedem Haus gibt es eine kurze archivfundierte Geschichte, und sowohl historische wie auch aktuelle Fotos. Wo vorhanden kommen Zeitzeugenberichte dazu, und eine kluge lesenswerte Zitierweise der Quellen. Insgesamt in seiner Gründlichkeit bewundernstwert, beim lesen wird die Straße lebendig, und beim Durchschlendern ist diese Stadt eine andere als vorher. Soviel reicher als vorher, soviel spannender, bewegter.
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Falls die Matjesgeschichten einen schalen Nachgeschmack hinterlassen, empfehle ich wärmstens die kulinarischen Geschichten von Ex-Ravensburger und Seit-langem-Hamburger Blogger Stevan Paul (@nutriculinary), siehe http://nutriculinary.com/das-buch/
AntwortenLöschenDas allerdings sieht wirklich sehr nett aus und sollte hier unbedingt demnächst mal auf dem Nachttisch landen.
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