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Donnerstag, 7. Oktober 2010

Miniaturrezension: Neal Stephenson - Anathem

Uffz. Um drei Wörter mehr loszuwerden: hätte ich dieses Buch in einem Philosophie-Hauptseminar zu lesen bekommen, wäre ich überrascht gewesen wie unterhaltsam es gewesen wäre. Da es allerdings als Roman mit dem dicken Aufkleber "No. 1 US-Bestseller" in den Haushalt kam, war ich eher perplex wie dünn die Tarnung als Science-Fiction-Roman ist bei einem Buch, das in Herz, Seele, Substanz und dem Großteil des Textes eine philosophische Diskussion ist. Borges allerdings, an den ich mehrfach beim lesen denken musste, handelt derartige Themen in freundlichen 30 Seiten ab, wofür Stephenson knapp 900 Seiten braucht. Uffz. Dabei mobilisiert er restlos meine noch vorhandenen Wissensfragmente aus den diversen philosophischen Multiversums-Theorien, und den Relativismus-Debatten, steigt tief in die "Plato-Leibniz-Husserl-Gödel lineage" und ist in der Gegenwartsphilosophie auf dem Stand, auf dem zumindest ich vor ein paar Jahren auch war. Nur kamen in den Philosophietexten weniger Explosionen vor und die Orte sind weniger anschaulich beschrieben. Dennoch: die Romanfragmente herauszufischen ist ein hartes Brot, die philosophische Diskussion ist eigentlich zu komplex, um sie nebenbei in den Halbstunden vor dem Einschlafen wirklich so gut aufnehmen zu können, wie sie es verdienen. Jetzt allerdings stellt sich die Entscheidung: noch mal die innere Einstellung richtig kalibrieren und mit Notizzettel, Stift und Lesezeichen an das Buch gehen, oder gleich Stephensons umfangreiche Referenzliste abarbeiten. Selten hab ich ein Buch erlebt, dass einen so ermuntert, mal wieder richtig ernstlich zu denken. 

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