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Mittwoch, 27. Oktober 2010

Die offene Wikipedia und ihre Feinde

Wikipedia, das wissen nicht nur Southpark und sein mutmaßliches Alter ego Eric Goldman, hat ein Problem: Den Verlust der Offenheit, die Wikipedia groß gemacht hat. Das gilt nicht nur für die Offenheit der eigentlichen Enzyklopädie, d. i. der Artikel, die nach und nach durch technische, teilweise notwendige Finessen wie Sperren oder Sichtungen eingeschränkt wurde, sondern auch und vor allem für die Sozialstruktur. Die Wikipedianer begrüßen Neulinge meist mit Löschanträgen und Textbausteinen, die Außenwelt wird, sobald sie sich – ob in Form von wissenschaftlichen Konferenzen, von Blogbeiträgen oder gar von neuangemeldeten Benutzern, die in der Wikipedia ihre Meinung kundtun – zunächst misstrauisch beäugt und schließlich verhöhnt, angegriffen, rausgeworfen. Für die bereits anerkannten Wikipedianer gilt Walter Kempowskis Wort über die bundesrepublikanische Gesellschaft: „Ein Schritt vom Wege, und Sie sind erledigt.“ In den Worten des großen Iberty-Schreibrechterteilers: „Wikipedia ist ein paranoider arroganter Haufen geworden, der nicht mehr auf Leute zugeht sondern Angst vor jeder Veränderung hat und mit Liebe im eigenen Saft schmort. Scheint wohl jeder Community irgendwann zu passieren, ist insofern nicht überraschend aber dennoch bedauerlich. Ich kann niemand verdenken sich das in der Freizeit nicht freiwillig anzutun. [...] ich vergass: unglaublich intolerant.“

Woher kommt diese Xenophobie und Intoleranz? Ich versuche es mal mit einer „ideengeschichtlichen“ Antwort, geleitet von einer provokanten These: Einer der ärgsten Feinde der offenen Wikipedia ist das Konsens-Prinzip. (Bei der unten skizzierten Entwicklung spielen natürlich auch andere Faktoren eine wichtige Rolle, ich konzentriere mich aber hier auf die Rolle des Konsensprinzips. Wer das zu weit hergeholt oder zu einseitig findet, darf gerne seine eigene Ideengeschichte schreiben :-).)

Wikipedia definiert „Konsens“ wie folgt:

Der Konsens (Betonung auf der zweiten Silbe; lat. consentire = übereinstimmen) bedeutet die Übereinstimmung von Menschen − meist innerhalb einer Gruppe − hinsichtlich einer gewissen Thematik ohne verdeckten oder offenen Widerspruch.

Ohne verdeckten oder offenen Widerspruch. Interessant wäre sicherlich, auf welchem Wege dieses Prinzip Eingang in die (deutsche) Wikipedia fand, dafür müsste ich aber vermutlich wochenlang Wikiarchäologie betreiben, und am Ende sagt mir Elian, das war alles ganz anders. Von daher gehe ich gleich zu der Frage über, was das Konsensprinzip mit der Wikipedia angestellt hat. Fakt ist: Konsens im eigentlichen Sinne funktioniert nur in kleinen Gruppen. Solange die Wikipedia noch aus 20 Leuten bestand, die sich mehr oder weniger einig waren und sich darüber hinaus nur schwer in die Quere kommen konnten, weil die weiten Felder des menschlichen Wissens weitgehend unbeackert waren, konnte man für alle akzeptable Entscheidungen treffen. Nun hatte man Wikipedia aber als ein offenes System konzipiert, an dem wikiprinzipiell jeder teilnehmen durfte (sic Präteritum). Die Zahl der Mitarbeiter stieg rasch an, und damit geriet der bisher erreichte Konsens unter den Benutzern zunehmend in Gefahr – denn mit der Zahl der Mitarbeiter stieg auch deren Heterogenität im Denken und Handeln.

Nicht genug: Die Wikipedia wurde durch Usenet-Propaganda und schließlich durch Medienberichte (etwa einen großen Spiegel-Artikel Anfang 2004) immer bekannter, womit auch die tatsächlichen Attacken von außen zunahmen. Vandalismus wurde ein größeres Problem, war aber naturgemäß nie ein wirklicher Streitpunkt – „Ficken ficken ficken soll stehenbleiben, ist doch ein konstruktiver Beitrag“ war und ist keine vertretbare Position. Schwerwiegender wurde das automatisch auftauchende Problem der enzyklopädischen Relevanz. Schon die Frage, ob in einer Internetenzyklopädie, die nicht mehr durch Papierknappheit künstlich begrenzt ist, überhaupt eine Auswahl nach Wichtigkeit getroffen werden muss, wird seither kontrovers diskutiert. Immerhin konnte man sich – aus diversen schwerwiegenden Gründen, etwa dem Persönlichkeitsrecht, aber wohl vor allem dem menschlichen Reflex folgend, Wichtiges von Unwichtigem zu entscheiden – darauf einigen, dass es eine Scheidelinie der „Relevanz“ geben müsse. Wo diese aber liegen soll, ist bis heute Gegenstand der Diskussion (interessant in diesem Zusammenhang vor allem die Entwicklung der Seite Wikipedia:Relevanzkriterien, die im April 2004 angelegt wurde und auf der schon bald eine rege Diskussion einsetzte).

In den ersten Diskussionen bildete sich so ein „Konsens“ heraus – allerdings nicht im eigentlichen Sinne einer Meinung, die von allen übereinstimmend geteilt wird, sondern im Sinne eines Standpunkts, der von der Mehrzahl der etablierten Mitarbeiter aus bestimmten Gründen unterstützt wird. Spätestens hier beginnt eine eigenständige wikipedianische Begriffsgeschichte des Wortes. Praktisch exerziert wurde das anhand der Frage, ob Artikel über einzelne Straßen in die Wikipedia aufgenommen werden sollen. Ulrich Fuchs entwickelte eine recht komplexe frühwikipedianische Enzyklopädietheorie, die Artikel über Straßen und andere „Dinge“ (his words) mehr oder weniger radikal ausschloss. Achim Raschka demontierte Fuchsens Theorie, indem er kurzerhand einen exzellenten Artikel über eine Straße verfasste (die Warschauer Straße in Berlin) – mit dem Ergebnis, dass sich Ulrich Fuchs schließlich aus der Wikipedia zurückzog und ein eigenes Projekt gründete.

Hieraus hätte man die Lehre ziehen können, dass ein „Konsens“ im eigentlichen Sinne in einem großen, heterogenen Projekt nicht möglich ist, weil es immer jemanden gibt, der die dominierende Meinung nicht teilt und sich auch von einer überwältigenden Mehrheit nicht überzeugen lässt. Man hätte sagen können: okay, wir haben eine klare Mehrheit von Leuten mit guten Argumenten, die wollen, dass Straßen eigene Artikel bekommen. Man ließ aber den Begriff „Mehrheit“ lieber weg und fügte stattdessen das Wort „Konsens“ ein. Ein Konsens hatte in dieser Frage aber nicht bestanden, eine „Übereinstimmung von Menschen − meist innerhalb einer Gruppe − hinsichtlich einer gewissen Thematik ohne verdeckten oder offenen Widerspruch“ war nicht zustande gekommen. Die implizite Aussage dahinter: Wer widerspricht, ist nicht Teil der Gruppe.

Auf dieser Basis konnte das gedeihen, was ungefähr seit 2005 die Wikipedia beherrschte: Ein inner circle, der sich meist selbst als Kreis von „verdienten Benutzern“ bezeichnete. Der inner circle hatte in jahrelanger Zusammenarbeit und nicht zuletzt mittels unmittelbarer Kommunikation über den Wikipedia-Chat und auf Stammtischen eine relativ hohe Homogenität und mithin einen Konsens innerhalb der eigenen Gruppe erreicht. Es galt nun, diesen gegen die anstürmende Außenwelt, vor allem gegen die neuen Benutzer, zu verteidigen. Als ich im Sommer 2005 zur Wikipedia kam, war dieser Abwehrkampf in vollem Gange. Beispiel: Der neue Benutzer WikiCare eröffnete eine Seite mit dem Titel Wikipedia:Qualitätssicherung (QS) als Antwort auf die Tatsache, dass Verbesserungswünsche für Artikel immer häufiger auf den sogenannten Löschkandidaten ausgesprochen wurden. Hier sollten fortan Artikel ohne Druck und unter freundlicheren Voraussetzungen verbessert werden. Gute Idee, dachten sich die ebenfalls recht neuen Benutzer Kenwilliams, Thomas S., Tolanor und Wiggum und machten sich – im Gegensatz übrigens zu WikiCare, der nie einen einzigen Artikel verbessert hat – an die Arbeit. Halt, rief da der inner circle in Gestalt der Promis Southpark, Finanzer, Elian, Artikel kann man auch ohne Bausteine überarbeiten, auch ohne Listen, auch ohne Menschen, die diese Listen abarbeiten und schließlich archivieren müssen, und in den gravierenden Fällen kann ein bisschen Druck in Form eines Löschantrags auch nicht schaden. Dass sie damit recht hatten, beweist nicht zuletzt die Tatsache, dass unsere Eingangskontrolleure heute nahezu vollständig verlernt haben, Artikel selbstständig erstzuversorgen, etwa durch Wikifizierungen oder eine zumindest oberflächliche Google-Recherche, und stattdessen lieber gleich einen Baustein setzen, ob das nun ein Schnelllösch-, Lösch- oder QS-Antrag ist.

Wichtiger aber ist die Form, in der die QS bekämpft wurde: Nämlich mit dem Hinweis auf einen bestehenden „Konsens“ unter den „verdienten Benutzern“, den man als Neuling nicht einfach so umwerfen könne. Dass „Konsens“ weitgehend gleichbedeutend mit „Meinung des inner circle“ war, konnte einem neuen Benutzer zunächst nicht klar werden. Noch gravierender war die Tatsache, dass sich der inner circle, indem er dieses ominöse Wort für sich reklamierte, nicht als eine Gruppe unter vielen verstand, sondern als rechtmäßige Vertreterin der reinen Wikipedia-Lehre. Alles, worauf ein Neuling glaubte hoffen zu können – dass er an dem, was allgemein „Konsens“ genannt wurde, mitbasteln dürfe, oder dass er vielleicht eine Mehrheit von Benutzern hinter sich versammeln könne oder schon versammelt habe, war in Wahrheit nichtig angesichts der Tatsache, dass er durch die pure Reklamation des Konsens durch den inneren Kreis bereits aus der „eigentlichen“ Wikipedia ausgeschlossen war – was er spätestens merken konnte, wenn er bei einer Adminkandidatur obskure Gegenstimmen wie „Bauchgefühl“, „seltsame Ansichten“ oder „hat zuviele Babels auf der Benutzerseite“ kassierte. Jeder, der auf den Löschkandidaten für „verbessern statt löschen“ votierte oder einfach nur „behalten!“ schrieb, ohne seine Ansicht zu begründen, der bunte Babel-Bausteine auf seiner Benutzerseite sammelte oder Themenstubs einführen wollte, wich von den ungeschriebenen Gesetzen des sogenannten Konsens ab – eine Abweichung, die sofort registriert wurde und ihn zunächst einmal, ohne dass er es merkte, aus der Gemeinschaft der anerkannten, „verdienten“ Wikipedianer ausschloss.

Nun tat aber nicht jeder solchermaßen Ausgeschlossene der Wikipedia den Gefallen, sich einfach zu verkrümeln und einen Fork aufzumachen, um damit den vermeintlichen Konsens zu einem tatsächlichen zu machen. Im Gegenteil blieben die meisten Benutzer und formten ihre eigenen informellen Gruppen oder integrierten sich in das bestehende System. Die Zahl der Benutzer, die den „Konsens“ nicht teilten, stieg sogar bedrohlich an. Hier ist der Ursprung einer besonders beliebten Spielart des „Konsens“ zu suchen: Der Verdammung demokratischer Vorgänge innerhalb der Wikipedia. Die Seite Nimm nicht an Abstimmungen teil fand viel Beifall; die dümmliche Behauptung „Wikipedia ist keine Demokratie, sondern eine Enzyklopädie“, 2006/2007 fast allgegegenwärtig (prominent vertreten etwa in Markus Muellers Mantras: „Hier gibt es keine Demokratie.“), konnte nur in dieser Atmosphäre einer unterschwellig wahrgenommenen Bedrohung der eigenen Hegemonialstellung ihre erstaunliche Karriere antreten. Natürlich kann über Wahrheit und Wissen nicht abgestimmt werden. Dies war aber auch nie Gegenstand der Debatte. Wikipedia ist nicht nur eine Enzyklopädie, sondern auch ein soziales Projekt, dessen Regeln im sozialen Mit- und Gegeneinander festgelegt werden. Dabei können auch demokratische Vorgehensweisen eine Rolle spielen: Wikipedia kann gleichzeitig Enzyklopädie und Demokratie sein – ebenso wie Deutschland gleichzeitig ein Staat und eine Demokratie sein kann.

Der „Konsens“, der einen Komplex von übereinstimmenden Meinungen einer bestimmten Gruppe bezeichnete, der „Core-Community“, war also keineswegs immer von vernünftigen Überlegungen, sondern oft auch schlicht von den Interessen dieser Gruppe geleitet: Das Eherne Gesetz der Oligarchie schlug zu. Das Wikipedia-spezifische Konsensprinzip entfaltete dabei eine ganz besondere Dynamik: Weil der „Konsens“ zunehmend als übergeordnete, nicht mehr diskutable Grundwahrheit begriffen wurde, war seine Umsetzung auch den bisher gültigen Regeln nicht mehr unterworfen. Man [d. h. auch ich] fing beispielsweise an, Löschungen von Babelsammlungen bewusst ohne entsprechende Diskussion, sogar ohne Schnelllöschantrag vorzunehmen, weil der angebliche Konsens eben vorsah, dass solche Sammlungen schädlich für eine „ernsthafte Enzyklopädie“ seien. Die Core-Community verstand sich als Streiter für den Konsens, der Neulingen auch gar nicht mehr auseinandergesetzt und erklärt, geschweige denn diskutiert und infrage gestellt zu werden brauchte. Weil diese Neulinge, denen man nichts erklärte, die man stattdessen vor vollendete Tatsachen stellte, nicht so einfach spurten, entwickelte sich ein Korpsgeist in der inneren Community. An diesem Punkt brauchte jemand, der zwar bewusst und ganz offensichtlich gegen Wikipedia-Regeln und -Gepflogenheiten verstoßen hatte – etwa indem er einen angeblich schlechten, aber vielleicht schon seit Jahren so dastehenden Artikel ohne Diskussion löschte – keine Sanktionen mehr zu fürchten. Das Konsens-Korps kam ihm sogleich zuhilfe, indem es einfach behauptete, der jeweilige Kritiker der Aktion habe keine Ahnung – nämlich von was? Vom Konsens.

Trotz oder gerade wegen des sich formierenden Gleichschritts der Korpsmitglieder löst sich die Cor(e)ps Community seit etwa 2007 zunehmend auf. Das hat vor allem zwei Gründe: 1) Trotz der Repressionen konnten sich alternative Denkmodelle zum „offiziellen“, angeblichen Konsens allein wegen der schieren Hartnäckigkeit ihrer Verfechter halten oder sogar durchsetzen: Babels gibt es immer noch, die Qualitätssicherung leider ebenfalls. Radikale Konsenskrieger wie Markus Mueller verabschiedeten sich deshalb frustiert aus der Wikipedia. 2) Auf der anderen Seite des wikipolitischen Spektrums fühlten sich einige der wichtigsten Protagonisten des inner circle desto unwohler, je mehr sich der inner circle radikalisierte. Dass Benutzer ausgegrenzt und gemobbt wurden, wurde eine schwer zu übersehende Tatsache, mit dem Resultat, dass sich eine Reihe von Benutzern – teilweise mit öffentlichen Erklärungen wie Elians „Warum ich nicht mehr mitspiele“ – aus dem bisherigen Bereich der Konsensoligarchie oder sogar aus der Wikipedia verabschiedeten.

Heute besteht die Community aus kleineren Gruppen, die über gemeinsame Interessen oder (meistens) gemeinsame Ansichten zueinander gefunden haben und sich etwa über interne Chatkanäle austauschen. Einen Korpsgeist gibt es innerhalb dieser Gruppen immer noch, dessen Durchsetzung ist aber im Sinne einer „wikipolitischen“ Gesamtausrichtung der Wikipedia erheblich schwerer geworden. Der Begriff Konsens aber hat trotz dieser Veränderungen überlebt – mithilfe einer weiteren Bedeutungsverschiebung. In Ermangelung einer festgefügten Gruppe, die den Konsens festlegen könnte, ist er zu einer Art Rousseauschem volonté générale geworden: Ein vor Urzeiten von Gott, Jimbo oder Kurt Jansson in den Boden gerammter Kultstein, um den nun alle tanzen müssen. Wer aus der Reihe tanzt, wird auch heute noch mit dem impliziten oder expliziten Ausschluss aus der Gemeinschaft der „verdienten Wikipedianer“ bestraft. Leider ist die kultische Deutung des Steins heute nichtmal mehr für den Eingeweihten leicht, sodass es umso unsinniger ist, sich auf ihn zu berufen.

Das Konsensprinzip ist eine zutiefst autoritäre Ideologie. Es schafft einen großen Graben zwischen denen, die dem vermeintlichen „Konsens“ folgen und folglich als „verdiente Autoren“ zu gelten haben und denen, die der Meinung der Corps Community nicht folgen wollen und folglich „Trolle und Deppen“ oder „Störer“ sein müssen. Die Rede von „Trollen“, „Störern“, „Projektschädlingen“ zeigt, wie tief das Konsensprinzip – die Unfähigkeit, abweichende Meinungen zu ertragen, weil nicht sein kann, was nicht sein darf – Einzug ins Denken der Wikipedianer gehalten hat. Der antidemokratische Ruf nach „Reinheit“ und „Sauberkeit“, das Verlangen, dass „endlich mal aufgeräumt“ werden müsse, begegnet in vielen Diskussionsbeiträgen. Die Geburt des wikipedianischen Autoritarismus aus dem Geiste des Konsensprinzips wäre zu verhindern gewesen, wenn man sich von Anfang an auf einen demokratischen Meinungspluralismus verständigt hätte. Eine Abweichung von dem, was ein kleiner Kreis von Wikipedianern als „Konsens“ definiert hat, hat nicht automatisch den Untergang der Wikipedia zur Folge. Im Gegenteil ergänzt sie das ohnehin heterogene Meinungsspektrum um einen weiteren Standpunkt, dem sich wiederum neue Benutzer anschließen können. Und die brauchen wir, um die fehlenden 100 Millionen Einträge irgendwann doch noch schreiben und die 700 000 schlechten oder suboptimalen Artikel weiter verbessern zu können.

27 Kommentare:

  1. wer den beitrag bis zuende liest, kriegt beim nächsten stammtisch, auf dem er mir zufällig begegnet, ein bier ausgegeben ;-)

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  2. Fertiggelesen. Das Bier wird notiert.

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  3. Woow. Für den Schreibwettbewerb bist Du aber zu spät :-) Können wir ja tauchen: du mir ein Bier, ich Dir einen Futschi.

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  4. gegentheorie: in wirklichkeit vertreibt die dauernde obsessive nabelschau genausoviele leute wie der umgangston und all das.

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  5. Zumindest kein schlechter Erklärungsversuch - ich nehme so ein Bier.

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  6. Noch ein Bier für mich - allerdings versuche ich erstmal gar nciht, alles zu zerpflücken, was da so behauptet wird. Schön übrigens, dass Achim Raschka in dem Text ein Guter gegen den Konsens (Straßenbeispiel) und southpark und elian Böse (QS-Beispiel) sind - gefällt mir ;O)

    Achya, beim nächsten mal eine höhere Schlagzahl aber bitte weniger Text ;O)

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  7. „Die 700 000 schlechten oder suboptimalen Artikel“? Laut Hauptseite sind es 1.140.000. ;-)

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  8. Snotty: Steuere gegen! Steuere gegen! Aber um mal ganz langsam mit dem Aufdröseln anzufangen: meine Erinnerung an "Wikipedia-Konsens" ist ja: höchsden frühen tens drei Leute einigen sich, und die 15 sind nicht wirklich interessiert und sagen "ihr macht das schon, wie vertrauen euch."

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  9. achja, das lesen muss übrigens durch einen konsistenten diskussionsbeitrag zum blogpost bewiesen werden ;)

    achim: die straßendiskussion ist zwar durchaus ein positiv-beispiel, aber insgesamt bewegst du dich da ja so ziemlich in dem, was man "konsens" bzw. (und um diese umbenennung ging es mir eigentlich hauptsächlich) besser "mehrheitsmeinung", nennen könnte.

    southpark: was ja jetzt nicht unbedingt gegen eine der behauptungen des beitrags spricht.

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  10. Interessant an der Sache, daß mit dem Bier mal wieder der "innere Kreis" der "verdienten Mitarbeit" angefüttert wird.

    Wie so oft eine in Teilen durchaus stimmige Darstellung der "Mißstände" die daran krankt, daß keine Lösungen geboten werden. Was nutzt es, in einer offenen Wunde zu bohren? Wir wissen, daß sie da ist. Auf der anderen Seite bestreite ich ausdrücklich den Autorenschwund, der mal wieder unterschwellig proagiert wird.

    Ich verzichte im übrigen auf das Bier.

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  11. lösungen: konsensprinzip abschaffen, mehr demokratie wagen (u. a. durch mehr echte abstimmungen), abweichende meinungen tolerieren, vielleicht sogar gut finden und sich ernsthaft darauf einlassen, reinheitsvorstellungen wie http://de.wikipedia.org/w/index.php?title=Benutzer:Marcus_Cyron&diff=55833965&oldid=55594892 über bord werfen. noch fragen? ;)

    zum autorenschwund: ob der nun vorhanden ist oder nicht (es gibt da ja durchaus ein paar ernstzunehmende statistiken) - so oder so brauchen wir immer neue autoren. die frage, wie wir für die attraktiver werden können, ist immer aktuell.

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  12. ich will auch ein bier.

    gelungener text, den ich auch noch ein zweites mal lesen werde.

    um den text auch für außenstehende nachvollziehbar zu machen, würde ich noch um einige fußnoten, z.b. zu begriffen wie "qualitätssicherung", "babel", "eingangskontrolle" oder "fork" bitten.

    ein satz wie "Babels gibt es immer noch, die Qualitätssicherung leider ebenfalls." ist ohne insiderkenntnisse kaum zu dechriffrieren.

    denn ich hoffe, dass der text nicht nur als persönlichkeitstest gemeint ist, der darüber auskunft gibt ob man nun dem inner circle angehört oder nicht.

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  13. @Poupou: Jeder, der zweimal auf einem Stammtisch war, gehört zum "inner circle" :-)

    @Tolanor: Und sie (die Wikipedia) bewegt sich doch! Ich zumindest stelle fest, dass es immer wieder Veränderungen gibt, die es dem Inner-Circle-Konsens nach nicht geben würde.

    "Echte Abstimmungen" wären ein interessante Alternative (jedoch nur mit Lösung des Sockenpuppen-Problems).

    Ich habe sogar die Kommentare gelesen - krieg ich zwei Bier?

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  14. Wie southpark weiter oben schrieb: "höchstens drei Leute einigen sich, und die 15 sind nicht wirklich interessiert und sagen "ihr macht das schon, wie vertrauen euch.""

    Wenn es so liefe wäre es ja schon fast Ideal. Das Problem in meinen Augen ist die mangelnde Demut vieler Wikipedianer in Bezug auf ihre Fähigkeiten und Kenntnisse. Viele versuchen sich zu produzieren und bei Dingen mitzureden, bei denen sie keine ausreichenden Fähigkeiten und Kenntnisse haben. Nur weil ich ein Aquarium zu Hause stehen habe, heisst das noch lange nicht, dass ich ausreichende Kenntnisse habe, um z. B. im Biobereich in Bezug auf Artikelanforderungen, Namenskonventionen etc. sinnvoll mitreden zu können.

    Wenn jemand mit seiner Meinung nicht durchkommt, heisst es dann, dass Wikipedia einen inner circle hat. Daneben führen die vielen sich wiederholenden Diskussionen auch zu Ermüdungserscheinungen bei den Autoren. Dann sind entsprechende Abgrenzungsversuche nur verständlich, da man irgendwann keine Lust oder Kraft mehr zu solchen Diskussionen hat. Ich habe es schon mehrfach erlebt, dass diejenigen die sich an irgendwelchen Dingen stoßen und ggf. Konflikte, Aktionen etc. anzetteln, schnell wieder in Versenkung verschwinden und sich um die von ihnen aufgeworfenen Probleme in keinster Weise kümmern oder verantwortlich fühlen.

    Es ist deshalb schwierig, grundsätzliche Änderungen vorzunehmen, da sich hier jeder einzelne an die eigene Nase fassen müsste und überlegen, ob er überhaupt fähig ist eine entsprechende Diskussion zu führen. Es wäre schon mal ein sinnvoller Ansatz wenn sich so mancher fragen würde, ob er zu diesem oder jenem Problem unbedingt seinen Senf dazugeben muss.

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  15. poux: der beitrag ist halt bisher eher an wikipedianer gerichtet, d.h. nicht notwendigerweise an mitglieder des "inner circle", aber eben schon an jene, die einige interne codes entschlüsseln und wikipedianische anspielungen verstehen können. ein beitrag für außenstehende sähe zwangsläufig etwas anders aus. ein paar erläuterungen kann ich natürlich trotzdem ergänzen.

    yeo: ja, in der tat bewegt sich da einiges. wie ich in den letzten drei absätzen andeuten wollte, ist die communitystruktur seit einigen jahren nicht mehr so festgefahren wie zu zeiten des babelkriegs. der inner circle hat durch erosion an den rändern an einfluss verloren, den er dennoch nach wie vor zu behalten sucht. das konsensprinzip verliert mangels einer durchsetzungsstarken gruppe, die den konsens vertreten und notfalls mit scharfen waffen verteidigen kann (wie eben im babelkrieg), an boden, bleibt aber trotzdem noch präsent.

    Liesel: mehr demut wäre sicher wünschenswert, ist aber unrealistisch. geltungssüchtige wie ich werden sich immer verbreiten wollen ;). im ernst: das wikiprinzip erlaubt nunmal auch leuten ohne ahnung die teilnahme. das ist einerseits oft nervtötend und unergiebig, bringt aber andererseits nicht selten neue impulse in die debatte, die vielleicht gar nicht so unbedenkenswert sind, wie man vermuten könnte.

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  16. @YEO

    du hast vollkommen recht. ich dachte auch eher daran, dass dieses blog auch leser hat, die noch nicht einmal den editbutton der wp je gedrückt haben.

    und gerade für solche leute sind texte wie dieser ungemein erhellend. du und ich haben das meiste vermutlich auch ohne tolanor schon so oder ähnlich überlegt und diskutiert

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  17. Sorry Tolanor, aber mit Gramsci, Laclau und Mouffe haste Dich noch nie beschäftigt, hm? Von letzteren beiden sei Dir "Hegemonie und radikale Demokratie" empfohlen. Aus den 80ern, aber m. E. viel zu selten gelesen. Mouffe hat in letzter Zeit sich auch interessante Gedanken zu Agonismus und Antagonismus gemacht. Liebe Grüße Catfisheye

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  18. namedropping ist ja nett, aber interessanter wären sicherlich ein paar hinweise, was genau die herren und damen uns über (wikipedianischen) autoritarismus o. ä. zu sagen haben :-) grüße

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  19. Hallo Tolanor,

    namedropping ist zumindest in diesem Fall der mangelnden Zeit geschuldet. Einerseits finde ich einige Aussagen problematisch oder nicht erhellend, bspw. Feinde/Gegner, Demokratiebegriff etc. Auf der anderen Seite meinte ich, dass die paar Stichworte helfen könnten, vllt. Antworten auf die Fragen zu finden oder ggf. die Fragen etwas anders zu stellen.
    Klar, habe ich so meine Ideen, inwiefern man in Anschluss an die drei was zur Wikipedia sagen könnte, aber das ist nichts was in einen Kommentar passt und leider auch nichts, für dessen präzise Formulierung ich gerade Zeit erübrigen könnte. Vllt. wirfst Du ja dennoch einen Blick in zumindest das eine Buch. Oder ignorierst einfach das Post. ;) Herzlicher Gruß Cat

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  20. Von Arendt bis Weber hätte man da sicher viel Philosophisches, Politologisches, Soziologisches usw. verwenden können. Wenn ich das tatsächlich hätte machen wollen, hätte southpark allerdings bis 2017 auf meinen Beitrag warten müssen :-). Aber danke für den Tip, werde mir den Band gelegentlich mal anschauen. Viele Grüße

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  21. Wenn ein Blick über den dewiki-Tellerrand erlaubt ist: Das neue Buch von Joseph Reagle ("Good Faith Collaboration - The Culture of Wikipedia") widmet dem Thema ein ganzes Kapitel ("The Challenges of Consensus", kurz zusammengefasst in dieser Rezension von Ragesoss). Am Anfang des Buchs tritt die auf die englische Wikipedia "anstürmende Außenwelt" ganz buchstäblich auf, in Form des Neonazi-Forums "Stormfront", das 2005 plante, eine Löschdiskussion durch massenhaftes Abstimmen zu übernehmen. Wie man anhand dieses Beispiels erraten kann, ist Reagle etwas skeptischer gegenüber abstrakten Demokratieforderungen, auch wenn er "Offenheit" als einem zentralem Wert der Wikipedia ebenfalls ein ganzes Kapitel widmet. Er zitiert Mitch Kapor: "Insider every working anarchy, there is an Old Boy Network".

    Zur Ideengeschichte des Konsensprinzips zieht Reagle die IETF und die Quäker heran - vielleicht möchtest du dir ergänzend zu dem oben zitierten Wikipedia-Artikel auch noch [[en:Rough consensus]] ansehen. Damit hat Reagle bereits Sue Gardner (und wohl diverse andere Angestellte der Wikimedia Foundation) zu einem ausgedehnten Studium der Quäker-Konsensverfahren veranlasst, sie besuchte sogar ein Quäker-Wochenendseminar. Allerdings ging es ihr um Wikimedia, nicht um Wikipedia, und die Frage ist halt, wie gut Konsens-Verfahren der Quäker oder der IETF auf Wikipedia skalieren würden - gestellt hat sie ihm Clay Shirky nach einem Vortrag vorletzte Woche (Video, ab 29:30).

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  22. Weißte, dann lass ich auch mal meinen Mist da: Konsens erinnert mich zutiefst an Wahlergebnisse der SED (99,7% usw...). Das ist auch der Grund warum ich mit Konsens nichts anfangen kann. Man muss nur einen zweiten User anstacheln, gegen einen Hauptautoren zu argumentieren - dann gibt es keinen Konsens mehr - egal wie viel Sachverstand der Huaptautor und wie wenig die Mitdiskutanten mitbringen. Insofern ist die "Konsensmasche" äußerst hinderlich, weil nicht "sachlich". Grundprinzip einer Enzyklopädie sollte aber Sachlichkeit sein. Wenn ich mich mit jemand anderem verabrede, ein Thema auseinanderzunehmen, wovon ich GAR KEINE Ahnung habe, wird der jeweilige Autor um den Verstand gebracht. Das ist Ziel solcher Aktionen...

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  23. Ich möchte in diesem Zusammenhang auf die PlusPedia hinweisen, die durchaus als eine Alternative der WikiPedia angesehen werdene kann für gefrustete Autoren.

    Schließlich rettet die PlusPedia gelöschte Wikipedia-Artikel und ist zudem eine Enzyklopädie ohne Relevanzkriterien.

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  24. Es gibt natürlich nichts dämlicheres, als das Konsensprinzip als autoritär zu bezeichnen - ist doch das Gegenteil der Fall: Es gibt keine überrollten Minderheiten, ein Beschluss wird nur gefasst, wenn alle ihn teilen können.

    Das erfordert aber auch, den Konsens zu suchen, Kompromisse zu finden, im Zweifel Abseits zu stehen und sich nicht zu beteiligen. Das Konsensprinzip erfordert kurz gesagt Bewusstsein und Sozialverhalten.

    Das Fehlen von Beidem ist das, worüber die Wikipedia-Community stolpert.

    Insbesondere, da es hier nicht einmal um eigene Interessen, sondern Banalitäten bis hin zu Geschmacksfragen geht.

    Gut, in der Schule lernen wir nur, andere mal machen zu lassen und Hierachien zu folgen (Noten, Klassensprecher ...)

    Tatsächlich aber kann, wenn sich alle bemühen, und auch mal selbst ein bißchen Nachgucken, was das Konsensprinzip bedeutet und wo darin der Gewinn für jeden liegt, die Wikipedia ein Stück dessen leisten, was der Auftrag einer Enzyklopädie ist: Aufklärung.

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  25. Wir erleben seit optimistisch geschätzt 5 bis 6 Jahren, dass in einer großen Gemeinschaft wie der Wikipedia die Herstellung eines Konsens de facto unmöglich ist. „Bewusstsein und [richtiges] Sozialverhalten“ gibt es in der Wikipedia, auch wenn beides, da gebe ich Dir sicher recht, nicht weit genug verbreitet ist. Aber die Vorstellung, dass man nur ein bisschen netter zueinander sein müsste, dann würde das mit dem Konsensprinzip schon hinhauen, ist naiv. Schon die Ermittlung von Mehrheiten ist kompliziert und anstrengend – erst recht nervenaufreibend wird es, wenn man einen wirklich einheitlichen Konsens schaffen will. Es gibt immer jemanden, der der Mehrheitsmeinung, und sei sie zu Anfang auch noch so vernünftig, widerspricht – vielleicht aus Prinzip, vielleicht aus Dummheit, vielleicht auch mit guten Argumenten. Und genau hier wird es haarig: Hier muss man entweder den Anspruch auf Konsens aufgeben oder aber den Dissidenten aus der Gemeinschaft ausschließen. Das kann man direkt machen (köpfen, rauswerfen, sperren) oder eben indirekt, indem man den Konsens von der Gruppe löst, in der er angeblich herrscht, und ihn wie Rousseaus volonté générale als unumstößliche Autorität in die Schwebe über den Menschen/Benutzern verpflanzt. (Übrigens kein Wunder, dass in der Wikipedia früher – auch heute noch? – so oft von „gesundem Menschenverstand“ die Rede war, aus dem der erreichte „Konsens“ angeblich zustande gekommen sei.) Faktisch handelt es sich dann eben nicht mehr um einen Konsens, sondern um die Meinung derjenigen, die sich durchgesetzt haben. Warum das keine autoritäre Ideologie sein soll, kannst du mir gerne ausführlicher erklären.

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  26. Mensch, Tolanor, von Dir moechte ich oefter lesen. Auch ohne Bier als Belohnung

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  27. Ist ein Rundgang durch die wikipedianischen Architekturelemente genehm? http://sensiblochamaeleon.blogspot.com/2013/02/zur-situation-von-wikipedia.html

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