Leider hat es ja im Urlaub nicht geregnet, so dass ich im strahlenden Sonnenschein kaum dazu gekommen bin, alle mittransportierten Bücher auch durchzulesen. Glücklicherweise hat es für ein besonderes Kleinod gereicht. Umberto Ecos "Gesammelte Streichholzbriefe" bei dtv. Das Buch stellt Kolumnen zusammen, die unter ebenjenem Titel in den 1990ern in L'Espresso und teilweise auch in der Zeit erschienen.
Die Streichholzbriefe sind allesamt spannend, wirken in der Technik, die Eco als gegeben beschreibt eigentümlich museal, in seinen Visionen und Möglichkeiten scheint mir das Buch aber immer wieder auch der heutigen Debatte noch voraus.
Der spezielle Google-Books-Streifholzbrief, der mich besonders interessiert, trägt den Titel "Das Buch, ein technisch vollendetes Meisterwerk." Eco berichtet von einem Technologiekongress in San Marino 1994 und der darauf folgenden Film-Biennale in Venedig, die sich darum drehten, ob neue Technologien das Buch überflüssig machen würden.
Allein seine Gedanken in die Richtung sind sehr aufschlußreich und aus 16 Jahren Zeitgewinn heraus beurteilt erstaunlich weitsichtig, immerhin sprach man damals noch von "Hypertexten auf Diskette". Andererseits sieht er auch Potenziale. Über den Volltreffer den er gelandet hat - in einem Jahr als beispielsweise ich noch damit beschäftigt war, über in Computerzeitschriften abgedruckte Telefonnummern ein Heidengeld für mäßig interessante Mailboxanrufe auszugeben - verblüffen mich jetzt auch beim zweiten Lesen.
Eco: "Andererseits wäre es überaus praktisch, wenn man vielbändige Enzyklopädien auf CD-Rom hätte ... per CD lassen sich beispielsweise die Artikel über Platon und Aristoteles miteinander vergleichen, ohne daß man sich einen Tennisarm holt, indem man zwei dicke Wälzer auf einmal an den Schreibtisch schleppt."
Weiter im Text:
"Nehmen wir also an, alle Bücher aller großen Bibliotheken würden mit einem Scanner aufgenommen ... Das würde heißen, ihr ganzer Inhalt, samt Typographie und Seitenumbruch würde ich das Gedächtnis eines zentralen Computers eingespeist. Erstes Ergebnis: Diese Bücher würden vor der fatalen Zersetzung des Papiers bewahrt.."
In Ecos Vision geht man in Bibliotheken, wo Hochleistungsdrucker, die automatisch auch Schriften vergrößern, Gotische in Lateinische Schrift umwandeln können etc. Für Papier und Druck bezahlt man, ein Teil des Geldes kommt an Autor und Verlag.
"Ein einziger Raum wird Säle, Regale, Personal und Kontrollen ersetzen. ... [W]er ein vergriffenes oder schwer auffindbares Werk lesen oder nachschlagen will, bekommt das Äquivalent eines Faksimilie-Drucks ins Haus geliefert, ohne sich in Lesesäle bemühen zu müssen. Mithin werden die Bücher nicht verschwinden: Sie werden leichter zugänglich sein."
Chapeau.
1 Kommentar:
Fragt sich, Chapeau vor wem ;-) - vielleicht hat Google seine Geschäftsidee genau daher...
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