Seiten

Samstag, 11. September 2010

Der Hai - Kurzreview einer romanhaften wahren Geschichte


Gerade habe ich meine (jetzt letzte) aktuelle Buchlektüre beendet: "Der Hai" von Michael Capuzzo, im Original mit dem wunderbaren Titel "Close to Shore: A True Story of Terror in an Age of Innocence" erschienen. Dabei handelt es sich allerdings nicht einfach nur um einen Roman sondern vielmehr um eine romanhafte Aufarbeitung der Haiangriffe an der Küste von New Jersey von 1916, denen auch die deutschsprachige Wikipedia dank der Arbeit der Autorin BS Thurner Hof einen ausführlichen Artikel widmet. Für die Horror- und Thrillerfans unter den Lesern: Auch Steven Spielbergs "Der weiße Hai" (wie auch dessen Romanvorlage von Peter Benchley, die ich mir gerade bei ZVAB bestellt habe) basieren auf dieser Story.


Das Buch liest sich sehr flüssig und spannend mit wechselnder Perspektive (Menschen, Hai) - vor allem ist es jedoch aufgrund der sehr guten Darstellung der Menschen in den USA zur Zeit des industriellen Aufbruchs, der Wahrnehmung des fernen ersten Weltkriegs in Europa und vor allem der Diskussionen um Bademoden zu emfehlen:

"Die schockierendste Entwicklung war direkt am Wasser zu beobachten, denn die steigenden Säume der Badekostüme waren zur Frontlinie des viktorianischen Establishments geworden. Im Sommer 1916 brach eine regelrechte Kulturrevolution um die statthafte Darbietung weiblicher Formen aus - die alles verhüllenden viktorianischen Badekostüme, eine Kombination aus Beinkleid und Rock, wichen geschmeidigen, eng anliegenden Badeanzügen. Das moderne amerikanische Image, diese Kombination aus Praktischem und Sinnlichem, war geboren."

" 'Diese leidige Angelegenheit der Mode ... erinnert an die Frauen aus den Highlands in ihren winzigen Kilts, welche es den Lüften des Himmels gestatten, frisch und frei geschmeidige Gliedmaßen zu umspielen' hieß es im Bulletin. 'Besonders beliebt scheint diese Mode unter Jungfern mit Grübchen an den Knien zu sein ... Die Bademeister sind entschlossen, sich öffentlich zu beschweren, falls diese Modetorheit anhält. 'Sie zieht zu viele Haie an', erklären sie."

Unter der Überschrift "Die Zwillinge der Finsternis" schildert der Autor das überraschende Auftauchen eines deutschen U-Boots vor der amerikanischen Küste, genau zu der Zeit als auch der Hai auftauchte:


" Die 'Deutschland' hatte die Blockade der Engländer unterlaufen und dann 4000 Seemeilen auf Tauchfahrt zurückgelegt, während die Besatzung französischen Champagner trank, Übersetzungen von Shakespeare und Mark Twain las und eine Auswahl aus Peer Gynt auf dem Phonographen spielte. Obwohl es nur Fracht und keine Waffen bei sich führte, war man in den Vereinigten Staaten von der Anwesenheit eines deutschen Unterseebootes höchst alarmiert - erst im Vorjahr hatte ein U-Boot den Passagierdampfer 'Lusitania' versenkt und 128 Amerikaner getötet. Und so kam es, dass der Weiße Hai und das deutsche U-Boot in vielen Leitartikeln, Karikaturen und Leserbriefen im Laufe des Sommers 1916 als die 'Zwillinge der Finsternis' bezeichnet wurden."

Da zudem noch etliche Wissenssplitter zum Weißen Hai und mehrerer Verwandter, von Nahrungsnetzen im Meer und insbesondere der Atlantikküste der USA sowie spannender Darstellungen der Theorie vom "bösen Hai" mitgeliefert werden, bekommt der Leser eine ziemlich gute Wissensspritze, die sich verpackt in Prosa auch gut im Hirn festsetzen sollte.

Der wissenschaftliche Gehalt der Ausführungen ist über zwei Jahre gut recherchiert und dargestellt, auch wenn die Grundthese des "einen, verhaltensgestörten Hais" nicht mehr dem aktuellen Stand entsprechen sollte. Haie werden nciht als blutgierige Bestien dargestellt; vielmehr wird erklärt, wie es zu Haiangriffen kommen kann - und dies in enger Absprache mit George Burgess, dem Leiter des International Shark Attack File (ISAF) an der University of Florida.


Bilder:
Weißer Hai bei Guadeloupe, Terry Goss, CC-by-sa 3.0 und GFDL
Die 'Deutschland' 1916 in New London, US post card, gemeinfrei

Keine Kommentare:

Kommentar veröffentlichen