Michael Seemann hat in seinem spannenden Blog ein paar "Ein paar bange Gedanken zu Wikileaks" geäußert. Die Gedanken, die dem Post zugrunde liegen, werden soweit ich beobachten kann, in größeren Teilen der Bewegtennetzwelt geteilt und sind deshalb ein paar Worte wert. Ich hoffe mal, ich verkürze nicht allzusehr, wenn ich versuche, die ganze Argumentation auf ein paar Kernthesen einzudampfen:
"Wir sind es gewohnt, fröhlich und krachend auf der Welle des Kontrollverlusts durch die Institutionen zu surfen (wir brauchen keinen Marsch). Massenmedien, Film und Musik-Produktion, Expertokratien und die Kommunikationshoheiten der großen Konzerne werden nieder gewalzt. ... Und die Welle rollt immer weiter und begräbt dabei immer neue “Eliten” unter sich. Und nun also das Militär, die Geheimdienste..."
"... So sehr ich diese ganze Entwicklung begrüße, stelle ich mir manchmal die bange Frage nach der Konterrevolution. Wie lange werden die Institutionen, die Eliten und andere Verantwortliche sich den Kontrollverlust noch bieten lassen? ... Okay, man braucht natürlich eine kleine verschwörungsrtheoretische Macke, um solche Gedanken zu hegen. In einem tatsächlich vorbildlich demokratischen Rechststaat wäre das natürlich alles kein Problem. "
Ich denke mal nach einem Politikstudium hegt man im allgemeinen keinen allzu großen Glauben mehr an einen vorbildlichen Staat und ich bin da eher unverdächtigt. Trotzdem glaube ich über- und unterschätzt der Post die Machteliten. Einerseits überschätzt er die Eliten, weil er ihnen die Konterrevolution zutraut - was nicht nur gravierende Kollateralschäden mit sich brächte, sondern auch ein koordiniertes Vorgehen aller Eliten erforderte. Und das wiederum ginge nur, wenn keine derjenigen was durch die technischen Änderungen zu gewinnen hätte.
Und das wiederum unterschätzt die Machteliten, weil es ihnen unterstellt aus den neuen technischen Möglichkeiten keinen Vorteil ziehen zu können. Und wo sind die weggespülten? Ich sehe sie nicht. Die Musikindustrie mag geschrumpft sein, aber Sony und Universal existieren noch und ihnen geht's gut, ist Apple mit iTunes großartig anders als BMG? Geht es der Filmindustrie schlecht? Haben Industrien, die enger im Machtzentrum stehen - Militär, Finanzen, Infrastruktur - nicht in den letzten Jahren einen unglaublichen Aufschwung und Konzentrationsprozess genommen. Ich sehe die Welle, aber ich sehe niemanden davongespültes.
Ist dezentralisierung nicht immer einhergegangen mit schlechter Kommunikation und unsicheren Transportwegen? War es je einfacher zentral, geradezu global, gehör zu finden als jetzt? Kann man leichter im letzten Winkel der Welt Macht ausüben als mit zentraler Koordination in Echtzeit?
Keine Kommentare:
Kommentar veröffentlichen