Samstag, 6. Januar 2018

In zehn Schwimmbädern durch die Berliner Stadtgeschichte

Berlin: Eine Stadt im historischen Parforceritt vom späten 19. Jahrhundert bis zum Mauerfall. Hier ereignete sich die industrielle Explosion einer Mittelstadt in eine Metropole innerhalb weniger Jahrzehnte. Einst war Berlin Hauptstadt des Kaiserreichs, dann ungeliebte Hauptstadt des NS-Staates, dann zur Hälfte Hauptstadt der DDR und zur Hälfte Schaufenster des Westens. Mittlerweile liegt hier, am Rande des Landes, die gesamtdeutsche Hauptstadt. Kaiserreich, Weimarer Republik, Bonner Republik, DDR und schließlich vereinigtes Deutschland – für sie alle spielte Berlin eine besondere Rolle.



Die Stadt war der Ort, an dem sich diese Staaten architektonisch verwirklichten. Die Stadt, die die Staaten nach ihrem Selbstbild formen wollten. In Berlin wollten alle deutsche Staaten ihr architektonisches Erbe hinterlassen. Sie errichteten dementsprechende Bauten vom Berliner Schloss über die Germania-Phantasien, den Palast der Republik bis hin zurück zum Berliner Schloss. Nun sind solcherart Repräsentationsbauten Bauten ohne klare Funktion. Sie sollen darstellen, nicht dienen.

Während Repräsentationsbauten vor allem zeigen wie ein Staat gesehen werden will, verrät die Betrachtung weniger repräsentativer Alltagsbauten oft mehr darüber, wie der Staat seine Rolle im Alltag der Bürger ausfüllte. Schwimmbäder repräsentieren selten.

Zwar spielen auch hier oft Wünsche der Selbstdarstellung in die Gestaltung des Bades hinein. Stark aber wird die Form durch den Zweck beschränkt. Umkleiden / Duschen / Schwimmhalle und die dazu gehörigen technischen Anlagen sind gesetzt und haben ihre Anforderungen. Jeder aufkeimende Status- und Repräsentationsgedanke im Bau wird sofort durch die Nutzer zerstört: Menschen mit verschiedensten Körpern in eng anliegenden Kleidern und mit drolligen Badekappen. Wie sollen die repräsentativ wirken?

Eine Möglichkeit besteht darin, Bäder nur für schöne Menschen zu bauen - das war das Verfahren des NS-Staats, der seine Bäder nur für Hochleistungssportler und Elitesoldaten baute. Alle anderen deutschen Staaten schlugen sich mit dem Widerspruch aus hochfliegenden Plänen und schnödem Alltag herum.

Dennoch sind Schwimmbäder öffentliche Bauten. Gebaut vom Staat in seiner zur Bauzeit bevorzugten Organisationsform, zeigend wie der Staat sich Gesellschaft gerade vorstellt. Gerade hier zeigen sich die Vorstellungen, die der Staat sich von seinen Einwohnern macht: Wie sie ihre Zeit verbringen sollen und was sie aus dieser Zeit mitnehmen sollen. Von der Reinigungsanstalt für das ungewaschene Proletariat hin zum sportlichen Menschen, dann zum aktiven Menschen, zum bespaßten Menschen und seit neuestem wieder zurück zu sportlicheren bewegungsfreudigeren Bädern.

Viele dieser Bäder sind mittlerweile abgerissen oder geschlossen. Manche stehen noch. Die meisten dieser Bauten lassen sich auch noch als Bad nutzen. Teilweise funktionieren sie noch genau so wie vor ihrer Bauzeit. Immersives Geschichtserleben. Wie behandelten die Bauherren vor Jahrzehnten die Menschen. Wie änderte es sich? Was blieb gleich? 100 Jahre Schwimmbadgeschichte von 1898 bis 1997.

Es wird kalt draußen. Der frühe Winter ist eine gute Gelegenheit, sich aktiv Stadt- und Staatsgeschichte zu erarbeiten. Eine kleine Rundreise anhand von 10 Bädern durch die Jahrzehnte Berliner Geschichte, chronologisch geordnet.


Das Älteste: Alte Halle Charlottenburg / Stadtbad Krumme Straße


Berlins ältestes Bad ist so alt, dass es noch nicht in Berlin lag, als es gebaut wurde. Charlottenburg behielt nach dem Bau noch mehrere Jahrzehnte lang den Status als eigenständige Stadt. Die aufstrebende Großstadt Charlottenburg wollte den Berlinern zeigen was Sache ist. Beheizte Hallenbäder waren High-Tech.

Charlottenburg wollte demonstrieren, an der vordersten Front technischer Entwicklung stehen. Die Stadtoberen wollten zeigen, dass die öffentliche Hand in der Lage ist, alle Bedürfnisse zu erfüllen und in glanzvollster Weise den Mensch in ein neues technisches (sauberes, gepflegtes) Zeitalter zu haben. Charlottenburg hatte den Plan das schönste, größte und geschmückteste Bad der Region zu bauen.



Besonders bemerkenswert am Stadtbad Charlottenbug / Alte Halle sind hier die Fassade mit den Wasserlebewesen, das herrschaftliche Foyer, die Lampen und das Glasdach. Typisch für ein Bad der Zeit: ein kleines Becken und eine dicke Wand. Die Fenster so hoch, dass alle Beteiligten in alle Richtungen vor den Blicken der Anderen geschützt sind.

Den Gast empfängt eine repräsentative Eingangshalle. Die Kabinen liegen direkt am Becken. Die Einführung eines eigenen Kabinentrakts erfolgte in Berlin erst in der Weimarer Republik. Wie in allen Bäder der Zeit wurde das Wasser durch ein eigenes Kraftwerk geheizt. Das Bad entstand vor der Erfindung der Chlorreinigung, sodass damals das komplette Wasser noch regelmäßig abgelassen und das ganze Bad gründlich geschrubbt wurde.

Gekrönt wird das Bad von einem Glasdach, von dem man erst nach dem Bau bemerkte, dass man noch mehrere Jahrzehnte benötigte, um es fehlerfrei bauen zu können. Das 1898 gebaute Bad ist so alt, dass es selbst noch vor der ersten großen Schwimmbadmode der Zeit entstand: dem klassischen Volksbad.

Ernsthafte Versuche, das Bad zu schließen gab es beim Neubau des 50-Meter-Bades in den 1970ern nebenan. Beim großen Berliner Bädersterben 2001/2002 stand das Charlottenburger auch lange auf der Liste der zu schließenden Bäder, überlebte erst in letzter Minute.


Das Schönste: Stadtbad Spandau-Nord / Stadtbad Radelandstraße


Das klassische Volksbad entstand in München. Das dortige Müller’sche Volksbad entwickelte sich zum Vorbild für zahlreiche weitere Bäder in Deutschland und so auch Berlin. Während einige dieser Berliner Bäder nicht mehr stehen (Schöneberg/Dennewitzstraße, Wedding), andere  ein Halbleben im Limbo führen (Baerwaldbad), existiert noch das wunderschöne Bad in Spandau zum Ansehen und zum Nutzen. 



Das Stadtbad Spandau-Nord entstand 1911/1912. Auch dieses Gebäude wurde damit außerhalb Berlins gebaut. Auch Spandau war zur Bauzeit noch eigenständieg Stadt. Das Bad hat die klassische runde Decke der Volksschwimmhallen, ebenso wie die Lampen, die abschließbaren und als Schrank nutzbaren Kabinen am Beckenrand (hier noch so nutzbar), die klassizistische Anmutung von außen.

Weiterhin vorhanden: Dicke Wände, Fenster nach oben – nicht dass Parkflanierende hinein- oder Schwimmer herausschauen.. Das Bad ist weniger überladen als das etwas ältere Bad in Charlottenburg. Spandau war zu Bauzeiten auch noch eine eigenständige Stadt, aber nicht so repräsentationsbedürftig wie Charlottenburg. Zudem liegt  das Spandauer Bad noch deutlich näher am Originalzustand als das in Charlottenburg.


Die Revolution der Weimarer Republik: Stadtbad Mitte / Stadtbad Gartenstraße


Weimar! Hinaus mit dem alten Muff! Hinaus mit den dicken Mauern, den dunklen Ecken und der bürgerlich-spießigen Behaglichkeit in kleinen Becken. Es ging nicht mehr um Reinlichkeit. Es ging um, es ging um Sonne, Luft und Bewegung. Von allen Berliner Bädern ist dies das programmatische und radikalste im Bruch mit der Vergangenheit.

Berlin ist reich an historischen Bädern, so reich, dass ich mit dem Bad in Neukölln und dem Bad Oderberger Straße gleich zwei Bäder vor 1918 in dieser Liste ignorieren konnte. Aber kein anderes war so prägend, so eindrücklich und ist von solchem historischen Rang wie das Stadtbad Mitte. Bauhistorisch schon fast in einer Liga mit den welterbegeschützten Siedlungen der Moderne in Berlin. Der Baustil änderte sich in den wenigen Jahren zwischen 1918 und 1933 radikal. Weg vom verschnörkelten, dickwandigen, runden hin zu klaren Formen, hellen, großen Wasserflächen und einem deutlich gezeigten Anspruch.

In ganz Deutschland entstanden Bäder dieses Typus. Aber in ganz Deutschland entstanden vor 1933 nur zwei Bäder mit einer 50-Meter-Bahn: in Stuttgart und hier. Keines war so groß und eindrücklich wie das Stadtbad Mitte. Kein Bad in Europa so modern wie das Bad bei seiner Eröffnung.  



Im Stadtbad Mitte "James Simon" liegt eine 50-Meter-Schwimmbahn, damit erst die zweite überdachte 50-Meter-Bahn-Europas. Große Glasfenster an den Wänden, ein Glasdach krönt eine riesige Schwimmhalle.

Verglichen mit den dickwandigen, bauchigen und kleinbeckigen Jugenstilbädern wirkt das Stadtbad Mitte noch heute wie eine Revolution. Wie muss es erst auf die Zeitgenossen gewirkt haben? Die Formen sind klar und übersichtlich. Die Kabinen wurden in extra Räume verbannt, um das Becken übersichtlich zu halten. Edle, moderne Materialien. Dieses Bad sollte die neue Zeit darstellen.  


Nazi-Pracht: Schwimmhalle Finckensteinallee


Ein Bad der Widersprüche. Architektonisch ist die Verwandtschaft zum Stadtbad Mitte klar erkennbar. Allerdings ist hier alles noch etwas größer und gewaltiger. Dieses Bad war ein NS-Bad. Vielleicht sogar das Bad des Nationalsozialismus. Das Kasernengelände Finckensteinallee war Standort der Leibstandarte Adolf Hitler, das Bad dort diente ausschließlich der Leibstandarte.

Jetzt baute nicht mehr die Kommune. Jetzt baute nur noch der Zentralstaat. Und der baute auch nicht für irgendwann sondern für die selbst auserwählte Elite, die dann wenige Jahre später an der Speerspitze industriellen Massenmordes stand. 



Nach deren Untergang fiel es an die US Army und nach einer gründlichen Sanierung schließlich 2014 als Schwimmhalle Finckensteinallee an die Öffentlichkeit. Spätestens die letzte Sanierung hat das Bad dann wieder für Licht, Luft und Weite geöffnet ohne die Geschichte verschweigen zu wollen. Netter Twist: seit der Sanierung ist das Bad offensiv behindertengerecht. Wenn man mich fragt, das Beste was einem Nazi-Bau passieren konnte.

Für die ganz Geschichtsinteressierten. Der große Rest des ehemaligen Kasernengeländes ist mittlerweile vom deutschen Bundesarchiv belegt.


Das letzte Volksbad: Paracelsusbad


Die fünfziger Jahre waren neben den 1970ern das große Jahrzehnt des Westberliner Schwimmbadbaus. In Zeiten der Nachkriegsruinen und zerstörten Infrastruktur sollte den Menschen Gelegenheit gegeben werden, sich zu reinigen und zu bewegen. In der Stadt in der Schwebe für ein wenig Ausgleich sorgen. Die 1950er waren das Jahrzehnt, in dem „Pack die Badehose ein“ ein Hit wurde und der Schwimmbadbau zog nach.



Die Freibäder in Wilmersdorf und Mariendorf entstanden ebenso wie das Prinzenbad in Kreuzberg. Das erste Mal seit der Weimarer Republik bauten die Bezirke Hallenbäder. Das Stadtbad Wilmersdorf I entstand – leicht, im Stil an ein Freibad erinnernd und in seiner Ausrichtung auf das Schwimmen der neuen Zeit zugewandt.

Anders das Paracelsusbad in Reinickendorf: hier baute der Bezirk einen gigantischen freistehenden Schwimmtempel mit Wannenbädern, Duschen und anderen Features. Hier lebte die Idee des klassischen Volksbads der Vorkriegszeit wieder auf. Eine Anstalt umfassender hygienischer Versorgung, prägend für den Stadtteil. In seiner Formgebung etwas aktualisiert aber im Vorbild klar an das Stadtbad Mitte angelegt. In Reinickendorf steht das letzte Volksbad der Stadt.


Die präbrutalistische Maya-Ruine: Sport- und Lehrschwimmhalle Schöneberg


Schwimmen entwickelte sich. Seine Verbreitung begann als Hygienebewegung. Die Weimarer Republik sah dann auch sportliches Schwimmen für die breite Masse vor. Mit dem Kalten Krieg entwickelte sich die Aufteilung in sportliches Bewegen einerseits und Spitzensport andererseits und Fokussierung auf den Leistungssport und auf eigene Stätten für diesen.

Gebaut wurde die Sport- und Lehrschwimmhalle Schöneberg Bad, als der Kalte Krieg fast noch heiß war.  Anders als damals in Westberlin üblich  war der Bauherr nicht ein Bezirk, sondern der Berliner Senat. Denn es sollte das größte, schnellste und modernste Bad der Stadt sein.



Ausgestattet um auch sportliche Großveranstaltungen zu stemmen – und später Austragungsort der Schwimm-WM 1978 – entstanden hier acht überdachte 50-Meter-Bahnen, ein 10-Meter-Turm in der Halle, eine eigene Garderobe, an der die Schwimmer ihre Sachen abgeben konnten und das neuste und modernste was Schwimmbadtechnik damals zu bieten hatte.

Anscheinend ist seitdem nichts mehr passiert. Das Bad wirkt komplett so, als wäre – außer der mittlerweile abgeschafften Kleidergarderobe – alles noch genauso wie am Tag der Eröffnung. Nur ist es fünfzig Jahre alt und wurde stark genutzt. Eine aus der Zeit gefallene Titanic des Schwimmbadbaus.Das beeindruckendste Bad der Stadt.


Der DDR-Typenbau: Schwimmhalle Holzmarktstraße


Schwimmbäder besaßen in der frühen DDR keine hohe Priorität. Während in Westen schon kurz nach Kriegsende neue Öffentlichkeitsbäder, beschränkte sich die ganze DDR darauf alte Volksschwimmhallen und Flussbäder weiter zu betreiben. Die wenigen Neubauten waren Repräsentationsbauten, die vor allem dem Spitzensport dienten.



Das änderte sich seit den späten 1960ern mit den Typbauten: A, B und C, die für die Bewohner konzipiert waren und in vergleichsweise großer Zahl entstanden. Ihren Höhepunkt erreichten diese Bauten in der „Volksschwimmhalle Typ C“, dem luxuriösesten, größten und weitesten dieser Bauten. Für Berlin entwickelt und fast nur dort gebaut, sind die beiden Erstmodelle unverständlicherweise abgerissen (Friedrichshain/ Weinstraße) oder stehen seit Jahren als Ruine herum (Pankow).

Aber das Bad in der Friedrichshainer Holzmarktstraße existiert noch, hat anscheinend noch keine größere Sanierung abbekommen und zeigt sich im Originalzustand. Bauhaus-inspirierte klare Formen, große Fensterflächen, viel Licht, eine funky Decke. Übersichtlich, praktisch und hell. Nie baute die DDR bessere Bäder als diesen Typ. Und doch, das Bad hier – der älteste vorhandene Typ C und dasjenige Bad, das am nächsten am Originalzustand ist - ist von der Schließung bedroht. Ein Grund, es anzusehen so lange es noch steht.


Der Westberliner Typenbau: Kombibad Mariendorf


Die 70er-Jahre waren das Jahrzehnt der funktionalen Typenbäder. Fitness breitete sich in Ost wie West aus und Berlin wollte seinen Einwohnern dazu verhelfen. Nie entstand mehr Wasserfläche. In wenigen Jahren überzog ein System von Typenbauten die Stadt: Charlottenburg, Spandau, Tiergarten, Wedding, Gropiusstadt, Märkisches Viertel und Mariendorf. Jedes Bad mit einem 50 Meter-Becken: welch Luxus. Und zusätzlich ein Extra-Sprungbecken. Wenig sonst.



Kein anderes Berliner Öffentlichkeitsbecken ist so sehr für Sport und Bewegung ausgelegt. Kein anderes Becken wirkte dann seit den 1980ern aus der Zeit gefallen. Noch stehen alle Kombibäder. Aber in Mariendorf – eines der wenigen Bäder, das so aussieht wie, es bei seiner Eröffnung aussieht – warten schon die Abrissbagger.

Was danach kommt – meine je, wir sind in Berlin, wer kann sowas vorher sagen? Noch steht hier eine farbfreudige Mischung, ein riesiges Becken mit guter Wasserqualität, weite Linien und das Gegenbild zum dickgemauerten Volksbad. Hier hat man durch die Fensterflächen immer das Gefühl schon auf dem angrenzenden Freigelände zu sein.


Das Ende der DDR: Schwimmhalle Zingster Straße


Auch wenn die Bäder in der Holzmarktstraße oder im Baumschulenweg weitgehend unverändert sind: Für eine richtige Dosis DDR-Feeling geht es am besten nach Hohenschönhausen. Das dortige Bad, die „Schwimmhalle Zingster Straße“ ist das letzte Bad Berlins, das die DDR Ende der 1980er noch selbst errichtete und eines der wenigen DDR-Bäder, die noch weitgehend im Originalzustand sind. Hier hatte die DDR fast 40 Jahre Zeit ihre Eigenheiten zu entwickeln, die dann in diesem Bad kulminierten.



Hier lebt sie weiter. Genau so sah es hier aus, als hier staatstragende DDR-Bürger 1988 im Unverständnis über die Welt ihre Bahnen zogen. Und, anders als in Friedrichshain, hat es in Hohenschönhausen kaum einen Bevölkerungstausch seit 1990 gegeben. Hier schwimmen noch die Originalbesucher und verbreiten auf ihre unnachahmliche Art eine DDR/Berlin-Unfreundlichkeit wie sie mittlerweile selten geworden ist. Willkommen in der Zeitmaschine.

Das Bad selbst, „Typ 83“ ist der Nachfolger von Typ C. Der einerseits repräsentativer aussehen sollte als Typ C, andererseits offensichtlich mit dem Sparstrumpf im Hinterkopf konstruiert worden ist und an allen Ecken und Enden eingeschränkt und notdürftig wirkt – auch ein passendes Symbol für die späte DDR.

Gesamtberliner Höhenflug. SSE, Schwimm- und Sprunghalle im Europapark


Das letzte Kapitel. Berlin war wiedervereinigt und die Stadtoberen beschlossen, es sei eine gute Idee, Olympische Spiele in Berlin stattfinden zu lassen. Zivile Bäder für Normalsterbliche entstanden nicht mehr. Einzig einige zu DDR-Zeiten begonnene Bauten wurden noch fertiggestellt. Aber das neue Berlin wollte sich vom piefigen Nachbarschaftsbad erheben. Fitness war Out, für Spaß sollten die Menschen selber bezahlen, dem Staat ging es um Repräsentation: ein Olympiabad. Das einzige Bad der Stadt seit 1990 und darunter ging es nicht.



 
Das eigentliche Olympiabecken ist Vereinssportlern vorbehalten – und wird von diesen konstant in den Himmel gelobt – Normalsterbliche aber können immerhin von der Tribüne aus mal in die Becken schauen. Für die Öffentlichkeit bleibt das in jeder Hinsicht reduzierte Aufwärmbecken.

Auch wenn die Vergleiche sonst schwierig sind, Gesamtdeutschland hat damit etwas geschafft, was sonst nur die frühe DDR oder das NS-Reich geschafft haben: Schwimmbäder ans Repräsentationsbauten für Hochleistungssport. Kein öffentliches Bad mehr, kein Bad, das sich in Anspruch und Gestaltung an die breite Öffentlichkeit wendet. Und seit 1997 entstand gar kein Bad mehr. 21 Jahre ohne Schwimmbadneubau. Das erste Mal in der Berliner Geschichte seit 1895.

Weiterlesen


Die Liste der schönsten, buntesten und irritiertendsten Bäder Berlins:  Schwimmbäder nah und fern: Die schönsten, irritierendsten und buntesten.

Alle Iberty-Schwimmbadbeschreibungen: Schwimmbäder nah und fern: Rückblick und Ausblick

5 Kommentare:

Anke hat gesagt…

Ich weiß wirklich nicht, wie es sein kann, dass ich erst jetzt, im Januar 2017 diesen Blog entdeckt habe. Aber trotzdem, endlich! Ich habe viele ähnliche Meinung wie Du (Spandau Nord, Finckensteinallee, Paracelsusbad, Leonorenbad sind meine Lieblinge), nur mit dem Stadtbad Tiergarten (für mich immer noch Poststadion, auch wenn es bloß daneben liegt) kann ich wenig anfangen. Im Siemensbad (Siemensstadt) habe ich übrigens schwimmen gelernt. Aber es ist wirklich immer sehr voll. Dafür sind die kleinen Becken am Rande zum Plantschen deutlich wärmer als die im Spreewaldbad! Auch Deine spitzen Bemerkungen zu "berlin und seine Bauten Band 7" haben mich zum Schmunzeln gebracht. Es ist wirklich schlecht gelaunt geschrieben, kommt es mir immer wieder vor, wenn ich drin lese. Jedenfalls habe ich Deine ganze Seite abgesucht und nichts zum Olympiasommerbad gefunden. Habe ich da was übersehen? Darüber würde ich gerne lesen!

dirk franke hat gesagt…

Liebe Anke, die Frage gebe ich mit Deinem Blog an mich selbst zurück - aber dazu schrieb ich gerade bei Dir etwas. Das Poststadion ist eigentümlich. Immer wenn ich aus der Ferne daran denke, denke ich so "hrmpf, ahh, es gibt auch andere". Wenn ich denn aber mal da bin, die eher furchtbare Umkleide überwunden habe und im Becken bin, fühle ich mich pudelwohl. Ein bizarres Bad auf jeden Fall. Das Olympiasommerbad fehlt - wie eine ganze Menge Frei/Sommerbäder noch - ich will ja immer erst zweimal da gewesen sein. Und da im Sommer See und Garten angesagt sind, komme ich weniger in der Stadt herum. Wobei das Olmypiabad ein echter Verlust ist beim Beschreiben. Das eine mal, dass ich dort war, war ein Highlight meiner Berliner Schwimmbadbesuchskarriere.

Anke hat gesagt…

Im Poststadion hatte ich sowohl mein Schulschwimmen in der Grund- als auch in der Oberschule, vielleicht sind sie langen Minuten des in einer Reihe Wartens, während der Lehrer oder die Lehrerin etwas erklärt der Grund, warum es sich für mich in diesem Bad immer feuchtkalt anfühlt. Auch die Erinnerungen an die Duschen und Umkleiden sind immer mit Frieren verbunden, weil man ja nie gleichzeitig fertig wird und immer warten muss, und dabei ist es kalt, wenn es zugig und feucht ist. An das Sommerbad Poststadion dagegen habe ich die besten Erinnerungen, da nahm mein Reflex Schwimmengehen -> und danach Pommes mit nur Mayonnaise essen (sonst mag ich es lieber rot-weiß, aber nicht nach dem Schwimmen) seinen Ursprung.

Auf das Olympiabad kam ich gerade während des Lesens Deines Blogs, weil Du das Bad in der Fochéstraße vorgestellt hast. In der Finckensteinallee hängt ja noch das Schild "No Running", das mich erst daran erinnert hat, dass die Alliierten ja ihre eigenen Sportstätten hatten. Und das der Briten war meines Wissens (von einem Ruderkameraden) das Olympiabad, bzw. das ganze Areal. Leider habe ich dazu auch bei Wikipedia nichts gefunden https://wikivisually.com/lang-de/wiki/Liste_der_alliierten_Einrichtungen_in_den_West-Sektoren_Berlins . Vielleicht weiß ja die Schwimmbadbloggerin mehr :-). Ganz doll herzliche Grüße!

dirk franke hat gesagt…

Ob das Olympiabad britisch war, könnte ich auf Anhieb nicht sagen. Meine Vermutung wäre nein, aber auch da bin ich unschlüssig. Auf jeden Fall hat die Westberliner Schwimm-WM 1978 größtenteils in dem Bad stattgefunden. Was ein britisches Bad war, war Gatow. Eine Art kleine Schwester der Finckensteinallee: gebaut wie diese von den Nazis. Hier aber nicht für die SS, sondern für die angehenden Offiziere der Luftwaffe - damals ja auch eine Elitetruppe. Und inmitten eines Kasernengeländes.
Den Flughafen und die Kasernen nutzten dann die Briten - zB während der Berlinblockade oder wenn Queen Elizabeth nach Berlin flog - nach der Wende dann die Bundeswehr. Das Schwimmabd war ein Bundeswehr-Bad, das aber Schulen und Vereine nutzen konnten. Die Bundeswehr zog sich nach 2000 zurück, hat noch Teile ihres Kommandos dort. Aber der eigentliche flugplatz ist mittlerweile ein Luftwaffenmuseum, an der Stelle des ehemaligen Bades steht ein privates Krankenhaus - ob das ein kompletter Neubau ist oder Teile der Ex-Anlagen beeinhaltet, konnte ich mich nach den Fotos noch nicht einigen,

schwimmblogberlin hat gesagt…

Hi Anke, hi Dirk

Das Forumbad am Olympiastadion war britisch.
Aber viel mehr weiß ich nicht. Ist so ein bißchen außen vor der gesamte Komplex.
Hab die Suche aber mal wieder angefacht und Tilmann drauf angesetzt. Der trainiert dort ja.


Die Schwimmhalle in der Kaserne wurde von den Briten vor deren Abzug noch saniert und trotzdem aufgegeben. Meh