Donnerstag, 18. August 2016

Badestelle Wedding. Schwimmen im Strandbad Plötzensee.

„Pack, die Badehose ein, nimm dein kleines Schwesterlein und dann nichts wie ab zum Plötzensee.“ Ein Schlager, der nie geschrieben wurde. Hat das kleine Plötzellorca im Wedding mit seinem Sandstrand doch nie richtig das Herz der Berliner gewonnen.



Dabei sind die Voraussetzungen nicht schlecht: Der Plötzensee ist der einzige Berliner See, der noch halbwegs eine Innenstadtlage für sich in Anspruch nehmen kann. Das Strandbad existierte einige Jahrzehnte vor dem Bad am Wannsee, ist in der Tat die älteste öffentlich betriebene Badestelle Berlins. Vor langer Zeit betrieb hier Wilhelm Auerbach - der Erfinder des Auerbachsaltos - ein Wellenbad, angetrieben von einem Schaufelrad im Wasser. Falls jemand Fotos davon kennt: ich bin dankbar.

Aber trotz allem: Über „Weltberühmt im Wedding“ ist der Plötzensee nicht hinausgekommen.


Das hat Gründe. Der Plötzensee ist nicht groß, eher klein, noch mehr ein Weiher denn ein See. Wo am Wannsee die schnittigen Segelboote der Havel am Horizont ihre weißen Segel in der Sonne zeigen, schippern am Plötzensee bestenfalls einige altersschwache Tretboote direkt am Schwimmer vorbei.

Der Wannsee liegt im Grunewald zwischen Yachtclubs und Ausflugslokalen, malerisch umschlossen von Eiszeithügeln. Der Plötzensee liegt im Wedding zwischen Stadtautobahn, Kaserne, JVA und dem Flughafen Tegel. Und das Wasser? Der Betreiber schreibt:

Das Freibad Plötzensee ist eine der EU gemeldete „EU - Badestelle“, was zur Qualitätssicherung unter anderem eine regelmäßige Kontrolle der Wasserqualität einschließt. Hier kann der Plötzensee, der ein natürlicher, eigenständiger See ohne Verbindungen zur Spree oder Havel ist, regelmäßig mit sehr guten Wasserqualitäten überzeugen.

Ein See ohne größeren Zu- oder Abfluss? Langes Rumstehen erhöht eigentlich nie die Wasserqualität eines Gewässers. Der Berliner Kurier von 1997 weiß dann auch:

"Der Plötzensee wird einer der saubersten Seen Berlins", verspricht Bezirksbürgermeister Hans Nisblé (52). Bis zum Jahr 2000 sollen 60000 Kubikmeter schadstoffbelasteter Faulschlamm entnommen und das gesamte Seewasser mehrmals aufbereitet werden.
Ein kleiner See mit stehendem Wasser und vielen Badegästen die es nutzen: die Wasseranlage im See ist schon strukturell prekär.

Trotzdem. Ein See mit Sandstrand, inmitten Berlins und einem spektakulären 1920er-Gebäude.

Gelände


Das erste was ich sah war ein Schild „Haltet Abstand von den Schwänen“. Ich mag sowas. Es zeigt, dass ich nicht im Freibad sondern an einem echten Gewässer bin. Das Eingangshäuschen ist maximal unspektakulär, da machen die Kurtaxhäuschen am Büsumer Strand noch deutlich mehr her. Immerhin hat dei Eintrittskarte Stil: so eine uralte Abreisskarte von der Abreissrolle. Vom Bad ist dort am Eingang auch nichts zu sehen.

Nach einem längeren Weg am großen Wiesen und einem traurig-verlassenen Großspielplatz vorbei geht es zum Strand. Der Strand selbst, mehrere hundert Meter lang, wird rechts und links von zwei Türmchen mit Terrasse eingerahmt, ziemlich mittig das besprochene Hauptgebäude mit Restaurant, Toiletten und Aufenthaltsräumen für das Personal.



Ein schönes Beispiel für 1920er-neue Sachlichkeit: modern, humanistisch, schön. Der Strand liegt an einem Abhang, alles andere – Hauptgebäude - weitere Wiesen, Spielplätze liegt auf der anderen Seite des Hügels.

Was ich störend fand – und da bin ich selbst für Berliner Verhältnisse sehr tolerant/indifferent – war, dass ich doch einige Zeit suchen musste, um einen Platz für mein Handtuch zu finden, an dem noch keine alten Kippen lagen.

Umkleiden etc.


Freibäder sind nicht für Umkleiden gemacht. Selbst in den „richtigen“ Freibädern liegen diese oft versteckt im hinteren Teil des Geländes, haben manchmal fragwürdigen Zustand und wenn wirklich jeder Besucher sie benutzen wollen würde, wären lange Schlangen vor den Kabinen.

Deshalb wunderte es mich auch nicht, in Plötzensee erst gar keine Kabinen zu sehen. Erst beim Rausgehen, gut versteckt hinter dem Grill sah ein kleine Funktionsgebäude, mit Strandkörben bemalt, aber sonst überzeugend funktional wirkend, so aus, als ob wohl Umkleidekabinen drinnen wären. Da war ich dann aber zu faul, sie noch zu begutachten.




Schwimmen


Trotz der EU-Wasserqualitätskontrollen waren meine Erwartungen an das Wasser eher niedrig. Immerhin: besser als erwartet. Meine Hand konnte ich noch unter Wasser sehen und gerochen hat nichts. Angenehm: der abgesperrte Badebereich ist recht groß und wenn man im tiefen Wasser entlang des gesamten Bereichs schwimmt, kommt man recht einfach auf größere Strecken. Das Schwimmen war überraschend nett.

Es gibt: einen Nichtschwimmerbereich – abgetrennt durch eine Bojenkette; einen Schwimmerbereich – abgerennt durch eine Bojenkette – mehrere Stege in Wasser (teils gesperrt) und ein 50-Meter-Holzbassin das als eine Art eigenes Freibadbecken im See funktioniert. Wobei das Bassin wohl schon Teil des FKK-Bereiches ist oder zumindest von den dortigen Badenden genutzt wird. Schwimmbar ist der ganze See, man sollte nur offene Augen für ahnungslose Tret- und Ruderbootfahrer sowie die Aggro-Schwäne haben.

Publikum


Im Vergleich mit den üblichen Freibädern: mehr Menschen zwischen 20 und 40, mehr Tätowierte, Bundeswehrsoldaten in Uniform beim Kurz-Ausflug aus der Kaserne nebenan, mehr Menschen, die englisch redeten.

Gastronomie


Das Bad gehört den Bäder-Betrieben, ist aber privat verpachtet und so kann man natürlich an jeder Ecke Geld ausgeben. Mehrere Kioske, eine Grillstation, das Lokal  - die Shisha-Bar Diamond – und ein ehemaliger Londoner Doppeldecker aus dem heraus Getränke verkauft wurden.



Ansonsten halt das übliche Freibadprogramm in Freibadqualität. Angeblich soll sich der Betreiber an den Strandbars an der Spree orientiert haben, um auch das Innenstadtpublikum in den Wedding zu locken – aber ehrlich, eine Lounge, die Shisha-Bar Diamond heißt und deren Möbel mit weißem Kunstleder bezogen sind, ist zwar im Wedding zielgruppengerecht, wird aber nie die mondänen Hipster aus Mittekreuzköllnhain in den Wedding locken.


Preise

Fünf Euro und damit mittlerweile unterhalb des Berliner-Bäder-Normaleintrittspreises. Allerdings gelten hier die ganzen Bäder-Dauer- und Mehrfachkarten nicht. Liebe Berliner Bäder, das habt ihr scheiße verhandelt. 

Gegenüber am See liegt eine frei zugängliche Badestelle. Deren Benutzung ist zwar verboten, den einschlägigen Blog-Berichten nach zu urteilen wird das Verbot aber höchst lässlich durchgesetzt. Und auch am Sonnentag als ich am Plötzensee war, war drüben einiges los.

Sonstiges 




In den letzten Jahren hatte das Bad durchaus eine bewegte Geschichte. 1999 Übergabe durch den Bezirk an die Berliner Bäder, dann Übergabe 2009 an den jetzigen Pächter. Der versprach einst große Investitionen, von denen ich auf dem Gelände zumindest keine Ergebnisse entdecken konnte.

Zumindest über einige Jahre waren regelmäßig einmal pro Jahr "die Bademeister sind rüpelig und rechtsextrem"-Nachrichten in den Medien. Mindestens ein Nazi-Aussteiger war tatsächlich dabei, sonst wurden die Vorwürfe nie zu Ende geklärt und das entsprechende Personal arbeitet anscheinend mittlerweile auch nicht mehr im Bad. 

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