Dienstag, 7. Juni 2016

Spargelberge

Sieben Menschen aus dem weiteren Wikipedia-Umfeld stapfen durch den Sand. Spargelsand. Beginnend am Bahnhof Kremmen in Oberhavel geht es nach einem kleinen Rundparcours durch "Europas größtes Scheunenviertel" vorbei an Gaststätten und Andenkenläden zum Spargelhof mit angeschlossenem Streichelzoo, einem Eisverkauf und dem großartigen Spielplatz mit Traktorthema.


Die Kremmener Erntekönigin 2015/2016 verkauft Stücke einer Riesenerdbeertorte zu Gunsten von Frank Zanders Obdachlosenessen. Überholt von der galoppierenden Postkutsche geht es hinauf aus Land.

An der Straße stehen die besten Häuser aus den 30ern, 60ern und von heute. DDR-Zäune aus Armierungsstahl stehen neben dem was heutige Hauskataloge zu bieten haben: Säulen, Veranden, Steingärten und Riesenbonsais. Ziegen dösen im Schatten neben dem Schiefermonstrum mit einer Lichterkette, die eher an Zähne erinnert. Eine verlassene Straße, an jedem zweiten Grundstück das Schild "Warnung vor dem Hund." Einmal hängt am Zaun auch auch "Den Hund bitte nicht beachten". Der zu ignorierende Hund ist fast so groß wie der Zaun, wahrscheinlich reicht ihm ein kleiner Hüpfer, um auf die Straße zu kommen.



Auf den Grundstücken stehen Rosen, Pferdeanhänger und selbst liebevoll gestaltete Vogelscheuchen. An etwa jedem fünften Haus wird die Auffahrt neu gepflastert, Eine Ameisenstraße verläuft quer über den Weg. Warum machen die Ameisen denn einen Knick mittendrin? - Erdmagnetfeld!

Die Häuser verschwinden. Flugsanddünen am Weg. Dort wächst ein Restwäldchen von Kiefern. Der kleine Robinienansammlung in der Mitte blüht. DTausende von Bienen haben die Robinien ebenfalls entdeckt. Keine Biene zu sehen, aber der Wald summt als wären wir inmitten eines Bienenschwarms.

Wo auf dem Sand keine Kiefern stehen, sind Spargelfelder angelegt. Sand ist gut. Berlin und dessen spargelfreudige Konsumenten sind nicht weit. Die Ex-LPG-Felder haben eine dementsprechende Größe. Wir sind in Ostelbien. Versehen sind die Felder mit kilometern an Bewässerungsschläuchen. Spargel mag keine Staunässe - deshalb Sand - aber viel Wasser. In Brandenburg regnet es eher selten.

Der erste Spargel darf schon frei wachsen und sich erholen. Die weiße Folie ist entfernt. Schmale grüne Stengel strecken sich aus dem Spargeldamm heraus. Im Damm selbst sind noch einzelne weiße Stangen, die mensch ausbuddeln kann. In dieser Reihe ist die Saison bereits vorbei.

Heutzutage werden kommerziell nur noch zwei Spargelsorten angebaut. Die eine kann von April bis Ende Mai gestochen werden. Die andere rettet dem Bauern die Saison bis zum 24. Juni. Anderswo gibt es bereits Spargelzelte mit Bodenheizung, um die Ernte bis in den März ausdehnen zu können.

Zwei Spargelreihen weiter wird selbst am Sonntag gestochen. Die Arbeiter hören südosteuropäischen Turbofolk. Kann jemand die Sprache erkennen? Die Männer, jung, drahtig, muskulös, schieben Gestelle vor sich her. Diese Spargelmaschine? Wie heißt sie? "Spargelspinne" steht auf dem Gerät. Aber das scheint ein Markenname zu sein. Gibt es einen genereischen Begriff? Spargelauto? Folienlotte!


Der Sand wird zu Lehm. Der Sandweg - nicht geeignet für Fahrräder zu einem Lehmweg, verstärkt mit Feldsteinen und Bauschutt. Auch nicht geeignet für Fahrräder. Die Spargel- werden zu Raps- und Maisfeldern. Was wächst dort am Raps? Kornblumen! Mohn wächst! Klatschmohn? Oder anderer? Wie erkennt man die Unterschiede? Die Alte Weide hier: ist sie wohl als Naturdenkmal geschützt? Wir überqueren eine Landstraße. Ein kleines Kreuz mit frischen Blumen steht an der Einmündung.

Brandenburg hat Relief. Selbst das Berliner Umland. Hügelauf- und Hügelab. Dass dort jede kleine Erhebung gleich "Berg" oder "Berge" heißt, scheint übertrieben. Aber auf und ab geht es definitiv.

Es donnert. Ein Regenbogen. War der Himmel nicht vor 10 Minuten noch strahlend blau? Es regnet. Heftig, aber kurz. Vermutlich hat es oben schon aufgehört zu regnen als die ersten Tropfen unten ankamen. Über dem Raps kreist ein Milan. Nicht weit entfernt ist Eden. Eden, Ortsteil von Oranienburg. Eine Mustersiedlung für Vegetarier aus den 1900ern mit großen Gärten und dem Wunsch nach einem besseren Leben. Oranienburg und Umland war schon lange Fluchtort für Berliner.

Jetzt noch auf den Gipfel des letzten Hügels erklimmen. Dann hinab zu Rhabarbercrumble, Erdbeeren und Sahnejoghurt. Eiszeitland im Frühsommer.

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